Schubertgasse

Eine der Gassen in der 1916 eröffneten Flüchtlingsstation südlich des Bezirkskrankenhauses erhielt mit Beschluss des Mistelbacher Gemeinderates vom 4. April 1925 den Namen „Schubertgasse“.1 Der Namensgeber Franz Schubert (*1797, †1828), zweifellos einer der bedeutendsten Komponisten Österreichs, war besonders bei den Musik- und Gesangsvereinen, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhundert bildeten und das kulturelle Leben maßgeblich prägten, sehr populär. Diese Tatsache manifestiert sich auch in Schuberts Beinamen „Meister des deutschen Liedes“. Natürlich wurde Schubert auch von den Mitgliedern des 1864 gegründeten Mistelbacher Männergesangsvereins bzw. des 1892 gegründeten Musik- und Gesangsvereins verehrt. Daher verwundert es nicht, dass der Name Schubert nicht nur als Straßenname in Erscheinung trat, sondern sich auch in anderen Formen im Stadtbild präsent ist beziehungsweise war.

„Schuberstüberl“

Einer der prägenden Akteure im Musikleben Mistelbachs an der Wende zum bzw. im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war der ursprünglich aus Langenlois stammende Zuckerbäcker Martin Bollhammer, der über viele Jahre auch dem Musik- und Gesangsverein als Obmann vorstand. Bollhammer war auch Mitglied des Wiener Männergesangsvereins und Vater des nachmaligen Schuldirektors und langjährigen Leiters des Heimatmuseums Fritz Bollhammer sowie des Staatsopernsängers Karl Bollhammer. Schon seit 1909 hatte Martin Bollhammer die Berechtigung in seiner Konditorei auch Heißgetränke zu verabreichen, aber erst Anfang 1926 scheint er seinen an der Adresse Hauptplatz Nr. 17 bestehenden Betrieb um ein Kaffeehaus – das Café Bollhammer – erweitert zu haben.2 Für das Kaffeehaus etablierte sich umgangssprachlich bald der Name „Schubertstüberl“ und in diesem Zusammenhang ist es wohl anzunehmen, dass sich im Lokal des großen Schubert-Verehrers Bollhammer an prominenter Stelle eine Büste oder ein Bild Schuberts befunden haben dürfte.

Feierlichkeiten Schubertjahr 1928 – Gedenkstein – Schubertlinde – (kein) „Schubertpark“

Das Jahr 1928, als sich der 100. Todestag des Meisterkomponisten jährte, ging als Schubertjahr in die Geschichte ein und allerorts und selbstverständlich auch in Mistelbach wurde dem musikalischen Genie gehuldigt. Der Reigen der Feierlichkeiten begann am 19. November 1928 als die Knaben- und die Mädchenschule im Saal des Gasthauses Putz-Filippinetti eine gemeinsame Schubert-Gedächtnisfeier abhielten, bei der die Schüler und Schülerinnen Werke Schuberts zum Vortrag brachten. Am 25. November fanden schließlich die vom Musik- und Gesangsverein Mistelbach veranstalteten Feierlichkeiten zu Ehren Schuberts statt und selbige begannen bereits vormittags mit einem Konzert auf dem Hauptplatz. Im Anschluss daran marschierte ein Festzug in Richtung Landesbahnpark (=Liechtensteinpark), wo unter zahlreicher Teilnahme der Bevölkerung und der Honoratioren der Stadt eine Schubertlinde gepflanzt und ein Gedenkstein enthüllt wurde. Wenig überraschend gelangte im Zuge Feierlichkeiten auch Schuberts bekanntestes Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore“ – dessen ursprünglicher Titel „Der Lindenbaum“ lautete – zum Vortrag.3 Früher war es üblich zur bleibenden Erinnerung an bedeutende Ereignisse einen Baum zu pflanzen und der Lindenbaum war für diese Zwecke besonders beliebt. Zeugnis davon geben anlässlich von Thron- bzw. Geburtstagsjubiläen der Herrscher gepflanzte „Kaiserlinden“ (siehe hierzu auch den Beitrag Kaiser Franz Joseph I. und Mistelbach) und insbesondere auch bezugnehmend auf das bereits erwähnte Lied wurden zu Schubert-Jubiläen ebenfalls häufig Lindenbäume gepflanzt.

Der Landesbahnpark erstreckte sich ursprünglich auf beiden Seiten der Josef Dunkl-Straße bzw. auf der gesamten Länge der Landesbahnstraße und wurde anfangs auch als Jubiläumsanlage bezeichnet bzw. ist bis heute der Name Liechtensteinpark gebräuchlich. Hintergrund dieses Namens ist die Tatsache, dass der Grund auf dem sich der Park befindet auch heute noch im Besitz der Fürstenfamilie Liechtenstein steht, und selbiger von der Gemeinde  nach der Eröffnung der Landesbahnstrecke zwecks Errichtung einer Parkanlage lediglich unbefristet gepachtet wurde. Detailliert wird die Geschichte dieses Parks im Beitrag Landesbahnpark (Liechtensteinpark) dargestellt. Der Mistelbacher Gemeinderat fasste nach der Errichtung des Gedenksteins in der Sitzung vom 1. Dezember 1928 auch den Beschluss die Parkanlage in „Schubertpark“ umzubenennen.4 Dieser Beschluss erfolgte jedoch explizit vorbehaltlich der Zustimmung des Grundeigentümers, und diese dürfte augenscheinlich nicht gewährt worden sein, denn nach diesem Beschluss wurde dieser Park nie wieder als Schubertpark bezeichnet. Ob die Fürstenfamilie Anstoß an der schlichten Tatsache nahm, dass ihr Name aus der Bezeichnung des Parks verschwunden wäre – immerhin sollte der Park an das 50-jährige Regierungsjubiläum des großen Unterstützers Mistelbachs Fürst Josef II. erinnern – oder andere Vorbehalte gegen die Umbennung bestanden, ist unklar.

1967 erwarb die Eigentümergemeinschaft der knapp zwei Jahre zuvor nebenan errichteten Häuser der Wohnbaugenossenschaft Frieden, den kleineren, jenseits – also auf der Seite des Staats- bzw. Ostbahnhofs – gelegenen Teil der Parkanlage von der Familie Liechtenstein, um darauf Garagen und einen Spielplatz zu errichten. Damit wurde jener Teil in dem sich das Schubertdenkmal und die Schubertlinde befanden zu nicht mehr frei zugänglichem Privatgrund. Daher wurde der Schubertgedenkstein in den Mistelbacher Stadtpark versetzt, wo er bis heute steht.5 Auf dem abgekommenen Teil des Landesbahn-/Liechtensteinparks stehen übrigens heute noch mehrere alte Linden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit befindet sich unter diesen auch die 1928 gesetzte Schubertlinde.

Der Schubertgedenkstein an seinem heutigen Standort im Stadtpark
Der Schubertgedenkstein an seinem heutigen Standort im Stadtpark

Wo befindet sich die Schubertgasse?

 

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Zayagasse

Während des Ersten Weltkriegs entstand unterhalb des Bezirkskrankenhauses mit der Flüchtlingsstation ein neuer, etwas außerhalb des bebauten Ortsgebiets gelegener Stadtteil. Die westlich, also stadteinwärts an die Flüchtlingsstation angrenzenden Äcker, hatte der Staat als Areal für eine allfällige Erweiterung der Flüchtlingsstation angekauft. Hierzu kam es nicht und in der großen Wohnungsnot nach Ende des Ersten Weltkriegs waren nicht nur die nach der Heimkehr der Flüchtlinge leerstehenden Häuser sehr begehrt, sondern es herrscht bald auch Bedarf an Baugründen für Einfamilienhäuser. Mitte der 1920er Jahre wurden also die erwähnten, mittlerweile in den Besitz der Gemeinde übergegangenen Grundstücke zu Baugründen aufgeschlossen und es entstand eine neue Siedlung im Bereich zwischen Zayagasse, Liechtensteinstraße, Michael Hofer-Zeile und Schillergasse. Gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 4. April 1925 erhielt die am Rande dieser Siedlung befindliche und entlang der Mistel verlaufende, zur Zaya führende, Straße den Namen „Zayagasse“.6 Natürlich existierte hier entlang der Mistel schon lange vor der Errichtung der Siedlung ein Feldweg, der den Landwirten als Zufahrtsweg zu ihren Feldern diente und das Erscheinungsbild eines Feldwegs sollte diese Straße wohl noch einige Jahre nach ihrer Benennung beibehalten. Interessanterweise trägt aber heute nicht nur der neben der Mistel verlaufende Straßenzug, sondern auch jener der zur Liechtensteinstraße führt den Namen „Zayagasse“. Im Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahre 1932 mit dem die Haydngasse ihren Namen erhielt, steht allerdings explizit zu lesen, dass diese sich von der Mitschastraße, über die Mistelbrücke bis zur Liechtensteinstraße erstreckt. Ob es jemals einen entsprechenden Änderungsbeschluss gab, oder ob sich diese den Beschlüssen widersprechende Benennung im Verlauf der Jahre einfach etablierte, ist unklar.

Die Zayagasse Anfang/Mitte der 1930er Jahre: von einer Straße kann wohl nicht gesprochen werden, eher von einem Feldweg mit sehr schlängelndem Verlauf. Gelbe Punktlinie: die Zayagasse entlang der Mistel;  grüne Punktlinie: jener Teil der Zayagasse der zur Liechtensteinstraße führt. Das Gelände auf dem 1937 die Kaserne errichtet wurde, bestand damals noch aus Äckern.Die Zayagasse Anfang/Mitte der 1930er Jahre: von einer Straße kann wohl nicht gesprochen werden, eher von einem Feldweg mit sehr schlängelndem Verlauf. Gelbe Punktlinie: die Zayagasse entlang der Mistel; grüne Punktlinie: jener Teil der Zayagasse der zur Liechtensteinstraße führt. Das Gelände auf dem 1937 die Kaserne errichtet wurde, bestand damals noch aus Äckern.

Im November 1963 erfolgte der Baubeginn für die Wohnhausanlage Zayagasse 2-67, auf einer bis dahin großteils unverbauten Fläche. Zuvor befand sich jedenfalls ab 1931 an dieser Stelle bzw. nahe dem Kreuzungsbereich Haydngasse/Zayagasse der Platz des kurz zuvor gegründeten „Mistelbacher Tennis-Klubs“, der auf obigem Bildausschnitt auch gut erkennbar ist.8 Einen „Lawn-Tennis-Verein“ gab es in Mistelbach allerdings bereits seit 19029 – es existierten in den 1930er Jahren somit also zwei Tennisvereine, wobei der ältere Verein zuletzt unter der Führung von Dr. Otto Stadler, einem der führenden Nationalsozialisten Mistelbachs, stand.10 Nachdem in der Vereinsführung und unter den Mitgliedern des „jüngeren“ Tennis-Klubs zumeist Juden aufscheinen, wurde dieser in der Literatur, die sich mit dem jüdischen Leben Mistelbachs befasst, als „jüdischer Tennisverein“ bezeichnet11, obwohl selbiger jedenfalls anfangs augenscheinlich allen Tennis-Interessierten offenstand.12 Es scheint durchaus plausibel, dass die Vereinsgründung eine Reaktion auf Entwicklungen des Lawn-Tennis-Vereins hin in eine völkische und antisemitische Richtung gewesen sein könnte. Möglicherweise waren Juden im alten Tennisverein nicht (mehr) erwünscht oder man hatte gar wie einige andere Mistelbacher Turn- und Sportvereine lange vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten einen Arierparagrafen in die Vereinsstatuten aufgenommen. Mit dem Jahr 1938 kam wenig verwunderlich das Ende des „Mistelbacher Tennis-Klubs“ und der Platz wurde in den 1950er Jahren als Stand- und Lagerplatz für den Wohnwagen bzw. die Fahrgeschäfte des in Mistelbach ansässigen Schaustellers Kastlunger genutzt.13

Die Fortsetzung der Zayagasse über die Landesbahnstrecke hinaus in Form eines Fußgänger- bzw. Radweges erhielt 2003 den Namen Hofrat Thurner-Promenade.

Wo befindet sich die Zayagasse?

 

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Thurner, Dipl.-Ing. Walter

wirkl. Hofrat Dipl.-Ing. Walter Thurner

* 26.8.1920, Mistelbach
† 18.9.1996, Weidling bei Klosterneuburg

Walter Hans Thurner wurde als dritter von vier Söhnen in die Familie von Leopold Thurner, Sekretär des Bezirksarmenrates und in dieser Funktion auch Verwalter des Bezirkswaisenhauses14, und dessen Gattin Barbara im Jahre 1920 in Mistelbach geboren.15 Den Namen Thurner führte die Familie erst seit dem Jahr 1919, denn eigentlich hieß Thurners Vater Schebesta und nachträglich änderte das zu diesem Zeitpunkt bereits seit 11 Jahren verheiratete Ehepaar den gemeinsamen Namen auf Thurner – den „Mädchennamen“ der Mutter.16 Die Hintergründe für diese Namensänderung sind nicht bekannt, allerdings waren Namensänderungen von tschechischen bzw. slawischen Namen – und um einen solchen handelt es sich bei der eingedeutschten Form Schebesta (ursprünglich wohl Šebesta) – damals recht häufig. In Mistelbach herrschte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein betont deutschnationales Klima und unabhängig davon ob sie nun politisch im nationalen Lager standen, legten viele Menschen dem Zeitgeist entsprechend Wert auf „deutsch“ bzw. „germanisch“ klingende Namen. Darüber hinaus waren in der jungen Republik Namensänderungen deutlich einfacher zu bewerkstelligen als zu Zeiten der Monarchie – es gab hier also so etwas wie einen Nachzieheffekt. Walter Thurner war somit der erste Sohn der Familie der bereits mit dem geänderten Namen geboren wurde. Die Familie lebte jedenfalls ab der Geburt Walters an der Adresse Oserstraße Nr. 23, also in einer Wohnung in einem der sogenannten Meeß-Häuser.

Die Familie Thurner in der Nachkriegszeit – Die Brüder Walter (rotes X), Godfried, Heinrich und Hermann gemeinsam mit ihren Eltern Barbara und Leopold Thurner

Die familiären Verhältnisse in denen Thurner aufwuchs können wohl als kleinbürgerlich, und stark vom katholischen Glauben geprägt, bezeichnet werden. Außergewöhnlich für die damalige Zeit ist die Tatsache, dass es der Familie gelang allen vier Söhnen eine Laufbahn als Akademiker (Arzt, Priester, Mittelschullehrer und Diplom-Ingenieur) zu ermöglichen.17 Bei Thurners zweitältestem Bruder handelt es sich um Monsignore Heinrich Thurner, der von 1950 bis 1959 als Pfarrer von Paasdorf wirkte.18 Walter Thurner verlebte seine Kindheit in Mistelbach und besuchte hier auch die Volksschule. Als Pater Otto Bader 1930 ein St. Georgs-Pfadfinderkorps in Mistelbach gründete, zählte Thurner zum Kreis der ersten Pfadfinder.19

Walter Thurner (rotes X) zählte zu jenen 16 Buben mit denen P. Otto Bader (rechts neben Thurner) im Jahre 1930 die Pfadfindergruppe Mistelbach gründeteWalter Thurner (rotes X) zählte zu jenen 16 Buben mit denen P. Otto Bader (rechts neben Thurner) im Jahre 1930 die Pfadfindergruppe Mistelbach gründete

Doch bereits im folgenden Jahr führte ihn seine schulische Laufbahn fort aus seiner Heimatstadt – Mistelbach sollte erst Jahrzehnte später Standort einer höheren Schule werden – und zu seinem großen Bedauern damit auch weg von seinen Pfadfinderbrüdern. Im Schuljahr 1931/32 besuchte er die 1. Klasse des Bundesgymnasiums in der Kundmanngasse im 3. Wiener Gemeindebezirk und er wohnte in dem vom Salesianerorden geführten Knabeninternat „Salesianum“ in der unweit entfernt gelegenen Hagenmüllergasse.20 Ab dem Schuljahr 1932/33 besuchte Thurner dann schließlich das Gymnasium in Hollabrunn – wie bereits seine älteren Brüder vor ihm – und in den ersten Jahren war er auch Zögling des dort befindlichen erzbischöflichen Knabenseminars. Doch schon in den höheren Klassen wurde für ihn klar, dass er keine geistliche Laufbahn anstrebte und möglicherweise wollte er sich dem dort herrschenden strengen Regiment nicht weiter beugen und schied aus dem Knabenseminar aus. Während seiner Schulzeit in Hollabrunn wurde er 1937 Mitglied der katholischen Mittelschulverbindung „Arminia“ Hollabrunn, der auch sein um zehn Jahre älterer Bruder Godfried angehörte. „Arminia“ wurde nach dem sogenannten „Anschluss“ im März 1938 so wie de facto alle nicht-nationalsozialistischen Organisationen aufgelöst, und trotzdem sich Thurners Erfahrung als aktiver Verbindungsstudent daher auf eine kurze Zeit beschränkte, gehörte er „Arminia“, die nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererstand, zeit seines Lebens als sogenannter „Alter Herr“ an.21 Im Frühjahr 1939 legte Thurner am Hollabrunner Gymnasium erfolgreich die Reifeprüfung ab22 und wurde danach über den Sommer für einige Monate zum Reichsarbeitsdienst (RAD) eingezogen, bei dem junge Erwachsene beiderlei Geschlechts zur Arbeitsdienstleistung, zumeist als Erntehelfer oder Hilfskräfte bei arbeitsintensiven Großbauprojekten, verpflichtet wurden. Neben dem volkswirtschaftlichen Nutzen und der ideologischen Indoktrinierung im Sinne des Nationalsozialismus diente der Reichsarbeitsdienst aber auch bereits der militärischen Vorerziehung in Hinblick auf den für die männliche Jugend zumeist unmittelbar anschließenden Dienst in der Deutschen Wehrmacht. Thurner dürfte seine Dienstzeit in den Sommermonaten 1939 im RAD-Lager Pottenhofen bei St. Pölten verbracht haben.23

Mit Beginn des Wintersemesters 1939/40 nahm er ein Studium im Fach Bauingenieurswesen an der Technischen Hochschule Wien (=heutige TU Wien) auf, doch bereits nach einem Jahr wurde er im Oktober 1940 zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Thurner kam zur Luftwaffe und wurde der 5. Kompanie des Flieger-Ausbildungs-Regiments 62 zugeteilt und dürfte dort die damals etwa eineinhalb Jahre dauernde Ausbildung zum Flugzeugführer (=Pilot) absolviert haben.24 Ab 1943 scheint er dann bei der 10. bzw. später 8. Staffel des Kampfgeschwaders 2, das Bombenangriffe auf England flog, auf. Es handelte sich dabei um Stör- bzw. Vergeltungsangriffe, die sich zumeist gegen die britische Bevölkerung richteten – zu mehr war die zu diesem Zeitpunkt aufgrund strategischer Fehler bereits stark dezimierte und über alle Fronten verteilte deutsche Luftwaffe nicht mehr in der Lage. Die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 sollte nicht nur den Kriegsverlauf maßgeblich beeinflussen, sondern auch das Leben des Unteroffiziers Thurner. Die Angriffe auf Großbritannien hatte seine Einheit von Frankreich aus, unweit von den Landungszonen entfernt, geflogen. Es ist nicht überliefert, ob Thurner während eines Flugeinsatzes an diesem Tag abgeschossen wurde oder etwa durch die die Landung begleitenden Luftangriffe schwer verwundet wurde. Tatsache ist, dass Thurner am sogenannten „D-Day“ bei einem Abschuss bzw. Absturz (oder einem Granattreffer am Boden) sein rechter Fuß abgerissen wurde und er zunächst in einem Lazarett unweit des Landungsgeschehens entfernt behandelt wurde.25 Nachdem er diese schwere Verletzung überlebt und das Gehen mit einer Prothese wieder neu erlernt hatte, war der Krieg für ihn jedenfalls zu Ende und er durfte nachhause um sein Studium fortzusetzen.

In der Zeit unmittelbar nach Kriegsende waren weite Teilen der männlichen Bevölkerung – von Kindern und Greisen abgesehen – noch immer und zum Teil für weitere Jahre über ganz Europa verstreut bzw. in Kriegsgefangenschaft. Dadurch, dass er als Kriegsinvalide in der Heimat weilte, konnte Thurner im Dezember 1945 die Wiedergründung der Mistelbacher Pfadfinder initiieren und er übernahm die Führung der Gruppe. Auch die Pfadfinder wurden 1938 von den Nationalsozialisten aufgelöst und ihr Inventar bzw. die Ausrüstung hatte sich die Hitlerjugend einverleibt. Die ersten Heimstunden mit den fünf Buben, die den Grundstock für den Neubeginn der Mistelbacher Pfadfinder bildeten, hielt Thurner in der elterlichen Wohnung in der Oserstraße ab. Später konnte ein kleines Zimmer im Kolleg als Heim genutzt werden bzw. nachdem die ersten jungen Pfadfinder im April 1946 ihr Versprechen abgelegt hatten, gelang es im darauffolgenden Monat eine am Südtirolerplatz befindlichen Baracke (=heutiger Spielplatz), die während der NS-Zeit für den „Bund deutscher Mädchen“ errichtet worden waren, zu beziehen. Die Gruppe erhielt großen Zulauf und im August 1946 führte Thurner eine Gruppe von 19 Mistelbacher Pfadfindern zu einem zweiwöchigen Lager nach Vorarlberg, das von den französischen Pfadfindern mit Unterstützung der französischen Besatzungsmacht veranstaltet wurde. Die Reise ans andere Ende Österreichs war damals zweifelsohne ein Abenteuer und eine große Herausforderung immerhin mussten zwei innerösterreichische (Zonen-)Grenzen passiert werden.19

Vermutlich 1946: Walter Thurner (rotes X) mit der Fuchsenpartulle – jenen fünf Buben mit denen er die Pfadfinder in Mistelbach nach dem Krieg wiedergründete. v.l.n.r..: Josef Bader, Hermann Körbel, Hauptfeldmeister Walter Thurner, Körbel, Robert Bauer, Julius ZimprichVermutlich 1946: Walter Thurner (rotes X) mit der Fuchsenpartulle – jenen fünf Buben mit denen er die Pfadfinder in Mistelbach nach dem Krieg wiedergründete. v.l.n.r..: Josef Bader, Hermann Körbel, Hauptfeldmeister Walter Thurner, Körbel, Robert Bauer, Julius Zimprich

Bald stellte es sich für Thurner jedoch als zunehmend schwierig heraus das Studium in Wien mit seinem Engagement bei den Pfadfindern in Mistelbach zeitlich in Einklang zu bringen und nachdem er die Gruppe ein Jahr geleitet hatte, gab er diese Aufgabe an Pater Volkmar Kraus weiter. Pater Volkmar konnte auf der von Thurner geschaffenen Basis aufbauen und unter seiner jahrelangen engagierten Führung wurden die Mistelbacher Pfadfinder schließlich zu dem was sie über viele Jahrzehnte hinweg blieben: eine der größten und aktivsten Pfadfindergruppen Niederösterreichs. Auch wenn Thurners späterer Lebensweg ihn nur mehr sporadisch nach Mistelbach führte, blieb er den Mistelbacher Pfadfindern natürlich stets verbunden, und gehörte auch der Mistelbacher Pfadfinder-Gilde an. Bei den Pfadfinder-Gilden handelt es sich um Zusammenschlüsse von Menschen, die sich über die Jugend hinaus der pfadfinderlichen Idee verbunden fühlen. Auch nach seiner Mistelbacher Zeit, vermutlich an seinem späteren Wohnort Weidling bei Klosterneuburg – dürfte er weiterhin in der Pfadfinderbewegung aktiv gewesen sein, zumindest wird in einem Nachruf darauf hingewiesen, dass er später auch Funktionen als Bezirksfeldmeister und Landeskorpssekretär bekleidete.26 Seine Erinnerungen an die Gründungszeit und die von ihm geleitete Wiedergründung sind auch wesentlicher Bestandteil der aus Anlass von Jubiläen herausgegebenen Festschriften der Mistelbacher Pfadfindergruppe.

Sein Studium im Fach Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule (heute Technische Universität) Wien schloss er 1950 als Diplom-Ingenieur ab.27 Thurners erste berufliche Station(en) nach dem Studium sind nicht überliefert, ab 1952 scheint er dann schließlich im Baudienst der niederösterreichischen Landesregierung auf. Thurner war dem Landesamt B/3 zugeteilt, in dessen Zuständigkeit die Bereiche Allgemeiner Wasserbau, Gewässerregulierung und Hochwasserschutz gehörten28 Am 3. Juli 1957 schloss er den Bund der Ehe mit der um 18 Jahre jüngeren Ingeborg Glas (*1938, †2018) aus Stockerau. Dieser Verbindung dürften zumindest zwei Kinder entstammen und zusammen mit seiner Familie lebte Thurner in Weidling bei Klosterneuburg.

1967 kam es auf Thurners Initiative hin zur Gründung des Gewässer-Dachverbands Marchfeld-Weinviertel in dem sich 13 Wasserverbände der Bezirke Mistelbach und Gänserndorf zwecks Bündelung von Ressourcen zur Erhaltung und Pflege der Gerinne zusammenschlossen. Im Laufe der Jahre traten dem Dachverband weitere Wasserverbände der Region bei und Anfang der 2000er Jahre war er für Gerinne mit einer Gesamtlänge von 1300 Kilometern verantwortlich.29

Seit Jahrhunderten sorgten Hochwasser in dem das Ortsgebiet durchfließenden Mistel-Bach für große Schäden an den angrenzenden Gebäuden und darüber hinaus war auch die hygienische Situation problematisch, da der Bach zur Ableitung der Abwässer genutzt wurde und daher einer Kloake glich. Seit Jahrhunderten hatten Fleischhauer, Gerber und Färber ihre Betriebe unmittelbar am Bach errichtet, um so ihre Abfälle und Abwässer möglichst einfach „entsorgen“ zu können. Nachdem der Bach jedoch meist nur wenig Wasser führte und aufgrund von geringem Gefälle nur sehr gemächlich dahin floss, blieb der üble Gestank und der Unrat zurück, sodass der Bach eine ideale Brutstätte für Keime bildete. Die schlechte Wasserqualität hatte natürlich auch negative Auswirkungen auf die Brunnen der im Nahbereich des Bachbetts gelegenen Häuser und all diese Probleme werden bereits in einem 1884 im Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft veröffentlichten Sanitätsbericht thematisiert und als größter Missstand in hygienischer Hinsicht dargestellt.31 Zusätzlich zum Hochwasserschutzaspekt und den Vorteilen aus sanitärer Sicht, hatte die raschere Fließgeschwindigkeit auch einen Drainageeffekt wodurch bisher feuchte Wiesen und Sumpfgebiete entlang des Bachlaufs für die Landwirtschaft nutzbar wurden. Heute ist bekannt, dass diese bis in die 1970er Jahre gepflogenen Regulierungsmaßnahmen einerseits nicht den gewünschten Schutz vor Hochwasser bieten und andererseits eine negative Auswirkung auf den Grundwasserpegel haben.

Die Arbeiten an der Regulierung der Mistel im (damaligen) Gemeindegebiet dauerten bis 1915, doch zeichneten sich schon bald Probleme ab – wohl auch weil das Projekt entgegen ursprünglichen Plänen nur in einer abgespeckten Version realisiert wurde. Der Verlauf der Mistel wurde von der Gemeindegrenze kurz vor Siebenhirten bis zur Einmündung in die Zaya reguliert und im Zuge dieser Maßnahme kam es auch zu einer Regulierung einiger kleiner Zuflüsse (zB Seebrücklgraben). Die Regulierung brachte es außerdem mit sich, dass alle Brücken und Stege im Gemeindegebiet erneuert werden mussten. Schlechte Bodenverhältnisse, aggressive Abwässer, der gestiegene Bodendruck durch den zunehmenden Verkehr und außergewöhnlicher Wasserandrang, sorgten in den folgenden Jahrzehnten dafür, dass häufig Schäden am Gerinne und an der Böschungspflasterung auftraten. Die hieraus entstehenden laufenden Kosten stellten für den mit der Erhaltung betrauten Wasserverband „Zayakonkurrenzausschuss Mistelbach-Laa“ eine gehörige finanzielle Belastung dar, die dieser auf Dauer nicht bewältigen konnte. Also gab es bereits in den 1960er Jahren Gespräche seitens der Stadt mit den zuständigen Stellen des Landes bezüglich einer Verbauung des Mistelbachs. Nach Abwägung aller möglichen Varianten kam man schließlich zum Schluss, dass eine neuerliche Regulierung samt Eindeckung der Mistel langfristig gesehen den größten Nutzen bringen würde. Die Gesamtkosten hierfür beliefen sich auf 100 Millionen Schilling – eine gigantische Summe für die damalige Zeit, die von Bund, Land und Gemeinde gemeinsam gestemmt wurde. In den Jahren 1973-1982 wurde der Bach auf einer Länge von rund 1,8 Kilometern reguliert und eingedeckt und hierdurch wurden 15.000 m² an Fläche neu geschaffen. Zusammen mit bereits bestehendem Gemeindegrund stand nach Abschluss des Projekts eine Gesamtfläche von rund 25.000 m² Fläche zur Verfügung auf der etappenweise die „Grüne Straße“, eine Nord-Süd-Verkehrsachse für Fußgänger und Radfahrer und ein Naherholungsgebiet inmitten der Stadt, realisiert wurde. Somit gelang es einen notwendigen Zweckbau als Chance zur zukunftsweisenden Neugestaltung des Stadtbildes zu nutzen.32

Hofrat Thurner war mit gemeinsam mit seinen Mitarbeitern mit der Bauleitung dieses Jahrhundertprojekts betraut und erwarb sich mit dessen vorbildlicher Realisierung große Verdienste um seine Heimatstadt. Über dieses Projekt veröffentlichte Hofrat Thurner unter dem Titel „Mistelbach in Mistelbach: Regulierung, Instandsetzung, Eindeckung 1973-1982“ auch einen Beitrag im Rahmen der Schriftenreihe „Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart„. Zu dieser aus fachlicher Sicht sicherlich tadellosen Publikation muss allerdings angemerkt werden, dass die am Beginn stehenden allgemeinen Ausführungen zur Geschichte Mistelbachs nicht dem damaligen Forschungsstand entsprachen und zum Teil als haarsträubender Unsinn bezeichnet werden müssen.

In Zusammenhang mit der Regulierung der Mistel im Gemeindegebiet der damals noch selbständigen Gemeinde Frättingsdorf wurde Dipl.-Ing. Thurner 1971 zum Ehrenbürger von Frättingsdorf ernannt.33

Vermutlich im Jahre 1985 dürfte Hofrat Thurner in den Ruhestand übergetreten sein.34 Er verstarb am 18. September 1996 in seinem Haus in Weidling bei Klosterneuburg und wurde am 27. September 1996 auf dem Weidlinger Friedhof bestattet.35

Mit Beschluss des Mistelbacher Gemeinderats vom 11. Dezember 2003 erhielt die bis dahin namenlose, entlang der Mistel verlaufende Verlängerung der „Grünen Straße“ zwischen Michael Hofer-Zeile und Industrieparkstraße den Namen „Walter Thurner-Promenade“ – auf den Straßenschildern findet sich allerdings die Bezeichnung „Hofrat Thurner-Promenade„.

Wo befindet sich die Hofrat Thurner-Promenade?

 

Bildnachweise:
-) Portrait: Ausschnitt aus dem Foto „Pfarre, 1978, 40-jähriges Priesterjubiläum, Thurner Heinrich Bild 10“ aus der Topothek Pillichsdorf (Besitzer Fam. Preyer – freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Herrn Franz Unger)
-) Foto Familie Thurner: Foto „Alltagsleben um 1945, Familie Thurner“ aus der Topothek Pillichsdorf (Besitzer Josef Muhsil – freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Herrn Franz Unger)
-) Pfadfinder Fotos: Göstl-Archiv

Quellen:

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Quergasse

Aufmerksamen Beobachtern wird auffallen, dass in der Bahnstraße kein Haus mit der Nummer 18 existiert – stattdessen findet sich an dieser Stelle die Quergasse. Im Häuserverzeichnis in Fitzkas Geschichte der Stadt Mistelbach mit Stand vom Jahre 1900 scheint allerdings noch ein Haus mit der Adressbezeichnung Bahnstraße Nr. 18 (vormals Konskriptionsnr. 66)36 auf und selbiges stand damals im Besitz der Holzhandelsfirma Josias Eißler & Söhne.37 Doch befand sich der weitläufige Holzlagerplatz samt dem die Hausnummer 18 führenden Kanzleigebäude nicht direkt an der Bahnstraße, sondern etwas zurückversetzt und damit ungefähr auf dem Areal des Kindergartens, der hinteren Gewerbeschulgasse bzw. den dort befindlichen Häusern sowie des 1983 eröffneten, einstigen Berufsschul-Zubaus (jetzt Büroräumlichkeiten – Gewerbeschulgasse 2). Ein Zufahrtsweg zum Holzlagerplatz verlief damals auf dem Grund der Liegenschaft Bahnstraße Nr. 18, vorbei an einem Holzschupfen und einer Scheune, die um 1881 an das nebenan auf  Bahnstraße Nr. 16 befindliche Gasthaus vermietet waren.

Die jüdische Familie Eißler stammte aus dem mährischen Bisenz und im Laufe der Jahre betätigten sich Mitglieder dieser Familie mit unterschiedlichen Firmen im Holzhandel bzw. der Möbelherstellung. Die Familie erlangte so großen Wohlstand und zählte bis zum Jahre 1938 zum Wiener Großbürgertum. Für Mistelbach bzw. die Darstellung des Entstehens der Quergasse ist zunächst die 1863 gegründete Firma Gebrüder Eißler, zu deren Gesellschaftern Josias Eißler zählte, relevant. Diese hatte ihren Sitz in Bisenz und neben einer Filiale in der Wiener Praterstraße scheinen 1866 folgende Niederlassungen im östlichen Niederösterreich auf: Poysdorf, Hohenau und Mistelbach.38 Die Holzhandelsfirma Eißler zählte mit Sicherheit zu den ersten jüdischen Unternehmen, die sich in Mistelbach niederließen und erst die Geschehnisse des Jahres 1938 beendeten die 72 Jahre währende erfolgreiche geschäftliche Tätigkeit in Mistelbach. 1871 dürfte Josias Eißler aus der Firma „Gebrüder Eißler“ ausgetreten sein, um sein eigenes Unternehmen und zwar die Firma „Josias Eißler & Söhne“ zu gründen. Die Hauptniederlassung dieses Unternehmens befand sich nun in der Wiener Singerstraße und die bereits zuvor bestandenen Niederlassungen in Poysdorf und Mistelbach wurden in den neuen Betrieb eingebracht und zwischenzeitlich hatte die Firma auch ein großes Netzwerk an Zweigniederlassungen in Böhmen und Mähren.39

Am 10. Mai 1881 fanden auch in Mistelbach Feierlichkeiten anlässlich der an diesem Tag stattfindenden Vermählung des Thronfolgers Kronprinz Rudolf mit Prinzessin Stephanie von Belgien statt. Das Festprogramm begann bereits am Morgen und endete in einer abendlichen Musikveranstaltung im Hotel Rathaus (heute: Erste Bank), die jedoch jäh vom Ruf „Feuer“ unterbrochen wurde.40 Der Brand war um etwa 23 Uhr auf dem Holzlagerplatz der Firma Eißler & Söhne ausgebrochen, und aufgrund des an diesem Abend herrschenden Sturmwindes griff das Feuer rasch um sich, sodass binnen weniger Minuten der größte Teil der Holzhandlung in Flammen stand. Es bestand die große Gefahr, dass sich dieser Brand rasch auf die umliegenden Gebäude und dann in der Stadt weiter ausbreiten würde. Auch ein Überspringen des Feuers auf Lanzendorf, in dessen Richtung sich aufgrund des Windes ein wahrer Funkenregen ergoss, war keineswegs auszuschließen. Da der Holzplatz bereits lichterloh in Flammen stand und nicht mehr zu retten war, galt es eine weitere Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Den wackeren Männern der erst zwei Jahre zuvor gegründeten Freiwilligen Feuerwehr, von denen viele noch in ihrer Festkleidung zur Brandstelle eilten und den Flammen die Stirn boten, gelang es unter tatkräftiger Mithilfe der Bevölkerung eine Feuersbrunst zu verhindern. Um 3 Uhr morgens war schließlich, obwohl der ganze Holzplatz noch in Flammen stand, die Gefahr einer weiteren Ausbreitung gebannt. In Ermangelung eines Hauptmann-Stellvertreters übernahm Bürgermeister Josef Strasser während des Einsatzes diese Rolle und sicherte einen Abschnitt der angrenzenden Häuser. Er war bis 4 Uhr rastlos im Einsatz und seiner vielseitigen Tätigkeit und umsichtigen Führung ist es zu verdanken, dass sogar das von Flammen umgebene Wohn-/Kanzleigebäude am Holzplatz gerettet werden konnte. Die Mistelbacher Feuerwehr wurde bei der Brandbekämpfung durch die telegrafisch herbeigerufene Poysdorfer Feuerwehr unterstützt und auch die k.k. Staatsbahn hatte ihre Spritze, Wasservorräte und Personal zur Verfügung gestellt.41

Eine in der Wiener Feuerwehr-Zeitung veröffentlichte Skizze zum großen Brand in der Eißler'schen Holzhandlung. Diese gibt einen Überblick über das Erscheinungsbild der damals noch jungen (oberen) (Eisen-)Bahnstraße Anfang der 1880er Jahre und die Lage der Holzhandlung. Zwischen den Gebäuden F und G ist die einstige Zufahrt zum Holzlagerplatz erkennbar und hier befindet sich auch in etwa die heutige Quergasse. Verfasser des zugehörigen Berichts und vermutlich auch Urheber dieser Skizze war der Mistelbacher Feuerwehr-Hauptmann August LubovienskiEine in der Wiener Feuerwehr-Zeitung veröffentlichte Skizze zum großen Brand in der Eißler’schen Holzhandlung. Diese gibt einen Überblick über das Erscheinungsbild der damals noch jungen (oberen) (Eisen-)Bahnstraße Anfang der 1880er Jahre und die Lage der Holzhandlung. Zwischen den Gebäuden F und G ist die einstige Zufahrt zum Holzlagerplatz erkennbar und hier befindet sich auch in etwa die heutige Quergasse. Verfasser des zugehörigen Berichts und vermutlich auch Urheber dieser Skizze war der Mistelbacher Feuerwehr-Hauptmann August Lubovienski

Die Firma Eißler & Söhne dankte der Feuerwehr und allen Helfern in einem Zeitungsinserat im „Mistelbacher Bezirks-Bote“ und knapp zwei Wochen nach dem Unglück konnte die Holzhandlung ihre Geschäftstätigkeit wiederaufnehmen.42 Ab 1894 hatte die Gemeinde Mistelbach den Holzlagerplatz von der Firma Eißler gepachtet und nutzte diesen als Gemeindemateriallagerplatz. Es handelte sich um eine Art Pachtkauf, der vorsah, dass die gesamte Liegenschaft nach Ablauf der zwölfjährigen Pachtdauer mit 30. Juni 1906 unentgeltlich in den Besitz der Gemeinde übergehen würde. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass von einem „neuen Pachtvertrag“ die Rede ist, was Interpretationsspielraum zulässt, ob bereits zuvor ein Pachtverhältnis mit der Stadt als Pachtnehmer betreffend diesen Platz bestanden hat.43 Da die Firma Eißler & Söhne allerdings erst 1895 die Grundstücke an der Adresse Wiener Straße (heute Josef Dunkl-Straße) Nr. 9 und 11 erwarb44, ist unklar, wo sie ihren Betrieb in der Zwischenzeit führte. Vielleicht bestand bereits vor dem Kauf der Gründe in der heutigen Josef Dunkl-Straße ein Pachtverhältnis oder es gab eine andere Übergangslösung.

Warum scheint dann im Häuserverzeichnis zu Fitzkas Ergänzungsband (Stand 1912) als Adresse für die Eißler’sche Holzhandlung die Adresse Wiener Straße (heute Josef Dunkl-Straße) 15 und 17 auf? Dieser Umstand bereitete dem Autor dieses Blogs einiges an Kopfzerbrechen – schließlich befand sich auf Haus Nr. 17 doch die Holzhandlung Abeles (Pisk). Die Lösung dieser Frage ist jedoch recht einfach: es gab eine Änderung bei den Hausnummern in der Wiener Straße (heute Josef Dunkl-Straße) und Bahnstraße. Ursprünglich endete die Bahnstraße linksseitig an jenem Punkt an dem die heutige Josef Dunkl-Straße abzweigt, also auf Höhe des Hauses Bahnstraße Nr. 41 (derzeit Baustelle), und ihre fortlaufende Nummerierung setzte sich dann mit der Bahnhofsrestauration (heute Gasthaus Zur Linde) mit der Adresse Bahnstraße Nr. 43 fort. Somit entsprach die Adresse der Häuser Bahnstraße 43, 45 und 47 den Hausnummern 1, 3 und 5 in der Wiener Straße.45 Daher kam es linksseitig zu einer Reduzierung der Hausnummern um drei Nummern, also die alte Nr. 15 entspricht der neuen Nr. 9 und die alte Nr. 17 der neuen Nr. 11 und bei Fitzkas Häuserliste sind alle Gebäude mit der Adresse im Zeitpunkt ihrer Erbauung angeführt. Da die Häuser Wiener Straße (heute: Josef Dunkl-Straße) 9 und 11 samt deren Eigentümerin, der Firma Eißler & Söhne, erst im Häuserverzeichnis zu Fitzkas 1912 verfassten zweiten Band (hier als Nr. 15 und 17) aufscheinen, ist belegt, dass dort erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts „hausnummerwürdige“ Gebäude errichtet wurden. Die nebeneinander gelegenen Grundstücke waren jedenfalls sehr weitläufig und erstreckten sich von der Wiener Straße (Josef Dunkl-Straße) bis an die (spätere) Landesbahnstrecke. Auch der Mistelbacher Standort der Firma Josias Eißler & Söhne wurde nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in Österreich arisiert und gelangte schließlich 1939 in den Besitz der Stadtgemeinde Mistelbach46 und die nationalsozialistische Führung der Stadt beabsichtigte auf dem weitläufigen Areal dreizehn „Volkswohnhäuser“ mit jeweils vier Wohnungen zu errichten.47 Der Krieg bzw. dessen Ausgang vereitelte diese Pläne und 1948 kam es zu einem durch Erben der Familie Eißler angestrengten Rückstellungsverfahren48. Dieses Verfahren endete 1952 mit einem Vergleich, sodass gegen Zahlung einer Abfindungssumme die Gründe im Besitz der Stadt verblieben.49 Die Gemeinde schloss das Areal als Bauland auf und verkaufte 1953 die parzellierten Grundstücke50 auf denen Einfamilienhäuser errichtet wurden. Dies hatte eine Verlängerung der Oserstraße (Nr. 48 sowie 50-53), der Hamerlinggasse (Nr. 9-12) und der Mozartgasse (Nr. 1a und 1b) zur Folge.

Doch zurück zur Quergasse bzw. dem weiteren Schicksal des alten Holzlagerplatzes hinter der Bahnstraße. Nachdem das Grundstück im Sommer 1906 in den Besitz der Gemeinde übergegangen war, wurden Teile der Liegenschaft, also etwa Holzschuppen und Scheunen bzw. die im Kanzleigebäude befindliche Wohnung zunächst vermietet51 und man nutzte diese Räumlichkeiten teils auch zur Einquartierung von Soldaten bei damals in der Umgebung von Mistelbach abgehaltenen Manövern. Neben der Nutzung als Gemeindematerialplatz wurde im Bereich des heutigen Kindergartens ab 1907 auch Schotter abgebaut, der unter anderem für die im Jahre 1910 fertiggestellte neue Straße nach Eibesthal52, die als Waisenhaustraße in Mistelbach beginnt, verwendet wurde. Doch stammt der Niveauunterschied bzw. die klar erkennbare Abbaukante zur Alleegasse bzw. Bahnzeile nicht (nur) durch den Schotterabbau. Ein großer Teil des Geländes des Holzplatzes entstand erst einige Jahrhunderte zuvor durch Lehmabbau, für den einst hier befindlichen alten Gemeindeziegelofen.53 Es ist unklar wann der Gemeindeziegelofen einige hundert Meter und zwar in ungefähr in den Bereich der Wohnbauten hinter den Häusern Franz Josef-Straße Nr. 29 – 31 bzw. in die Nähe des heutigen Stadtsaals verlegt wurde, spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts scheint er jedenfalls bereits am neuen Standort auf. Nach Auflassung des Gemeindeziegelofens wurde das weiterhin im Gemeindebesitz stehende Areal (=Grundparzelle 432), das im Wesentlichen die Fläche zwischen Bahnstraße, Franz Josef-Straße, Bahnzeile und teils über die Alleegasse hinaus umfasste, als Hutweide genutzt. Dies geht jedenfalls aus den Parzellenprotokollen des franzeischen Katasters, die etwa 1821 angelegt wurden, hervor.54

Eine Panoramaansicht Richtung Westen um 1908/09: rot markiert die ungefähre Lage des zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelassenen Lagerplatzes; gelb markiert die gut erkennbare GemeindeschottergrubeEine Panoramaansicht Richtung Westen um 1908/09: rot markiert die ungefähre Lage des zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelassenen Lagerplatzes; gelb markiert die gut erkennbare Gemeindeschottergrube

Im Jahr 1908 ist in den Gemeindeausschussprotokollen bereits vom „aufgelassenen Holz- bzw. Materiallagerplatz der Gemeinde“ zu lesen, und in der Folge wurde der Platz zeitweilig als Standort für den regelmäßig in Mistelbach abgehaltenen Rindermarkt genutzt.55 In den Jahren 1905 bis 1912 kam es zu einer umfassenden Regulierung der Straßenzüge, die das Bild der Stadt im Wesentlichen bis heute prägt. Auch die an das Areal angrenzende Alleegasse bzw. die in ihrem Kreuzungsbereich befindlichen Teile der Bahnzeile wurden in ihrer heutigen Form erst durch Auflassung der Schottergrube, Abgrabung von Grundparzellen und Regulierung des Materiallagerplatzes geschaffen.56

Nach der Schleifung der zur Holzhandlung gehörenden Gebäude und Scheunen wurden bereits 1909 und abermals 1913 Teile des Materiallagerplatzes an die angrenzenden Grundeigentümer (hauptsächlich Bahnstraße Nr. 20, 22, 24 und 24a) verkauft, und nach Abschluss dieser Grundveräußerungen wurde entlang der nunmehrigen rückseitigen Grundstücksgrenze der genannten Liegenschaften die Errichtung einer Zufahrtsstraße für den neuen, deutlich verkleinerten Gemeindemateriallagerplatz vorgesehen. Dieser neue Platz lag etwa hinter den Grundstücken Bahnstraße 26, 26a und 28, also ungefähr im Bereich des Spielplatztes des heutigen Stadtkindergartens und bei der Zufahrtsstraße handelt es sich um den hinteren Teil der heutigen Gewerbeschulgasse. Der Rest des alten Materialplatzes nebst der Straßenböschung zur Alleegasse wurde für die Errichtung einer Parkanlage bestimmt, deren Ausgestaltung dem Verschönerungsverein übertragen wurde.57

Dieser Kartenausschnitt aus einem Bebauungsplan der Stadt zeigt die Bebauung im Jahre 1905. Die rote Linien markieren die im Zuge der Regulierung herzustellenden Straßenverläufe, die letztlich auch exakt so umgesetzt wurdenDieser Kartenausschnitt aus einem Bebauungsplan der Stadt zeigt die Bebauung im Jahre 1905. Die rote Linien markieren die im Zuge der Regulierung herzustellenden Straßenverläufe, die letztlich auch exakt so umgesetzt wurden.

Im Oktober 1913 beschloss der Mistelbacher Gemeindeausschuss (= Gemeinderat) der auf dem Grundstück des ehemaligen Lagerplatzes entstandenen, und von der Bahnstraße zur geplanten Parkanlage führenden, Gasse den Namen „Parkgasse“ zu geben. Da jedoch schon seit 1898 eine Straße dieses Namens existierte und zwar neben dem Stadtpark verlaufend, wurde der Name der Schießstattgasse (=heutige Museumsgasse) auf die „alte“ Parkgasse erstreckt, da selbige seit 1908 nunmehr zur neuen Schießstatt – westlich der Bahnstrecke – führte (für nähere Details siehe Schützenweg).58 Im Frühjahr 1914 wird von der Fertigstellung der neuen Parkanlage und des Spielplatzes am Materialplatz und von der Errichtung einer Treppe von der Alleegasse zur neuen Anlage berichtet.59

Angeblich 1925: Die zu Beginn der 1910er Jahre erbauten Villen an der rechten Straßenseite der Alleegasse - von rechts nach links: Hoch-Villa (Nr. 4), Schwarz-Villa (Nr. 6), (Hintergrund Villa in der Bahnzeile), nur teilweise abgebildet Pemsel-Villa (Nr. 8). Im Vordergrund gut erkennbar der Platz und die bepflanzte Böschung zur Alleegasse über die auch eine kleine Treppe zum Platz führt. Der spärliche Bewuchs der Böschung legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Aufnahme bereits in der zweiten Hälfte der 1910er Jahre oder gar in die Zeit der Erstellung der "Park-Anlage" zu verorten ist.Angeblich 1925: Die zu Beginn der 1910er Jahre erbauten Villen an der rechten Straßenseite der Alleegasse – von rechts nach links: Hoch-Villa (Nr. 4), Schwarz-Villa (Nr. 6), (Hintergrund Villa in der Bahnzeile), nur teilweise abgebildet Pemsel-Villa (Nr. 8). Im Vordergrund gut erkennbar der Platz und die bepflanzte Böschung zur Alleegasse über die auch eine kleine Treppe zum Platz führt. Der spärliche Bewuchs der Böschung legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Aufnahme bereits in der zweiten Hälfte der 1910er Jahre oder gar in die Zeit der Erstellung der „Park-Anlage“ zu verorten ist.

Ob die Ausgestaltung des neugeschaffenen Areals zu einem Park, der den Namen „Parkgasse“ gerechtfertigt hätte, aufgrund des wenig später ausbrechenden Weltkriegs nicht erfolgt ist oder ob tatsächlich nur die Bepflanzung der Böschung zur Alleegasse beabsichtigt war, ist unklar. Um die Alleegasse in ihrem heutigen Verlauf zu ermöglichen, wurde 1912 das Haus Franz Josef-Straße 11 (KNr. 353) bzw. 1917 das Haus Alleegasse 3 (KNr. 464) abgetragen, und daher reichte das freie Gelände nunmehr bis zur Franz Josef-Straße. Das Bedürfnis nach einer weiteren Parkanlage scheint jenem nach einem vielseitig nutzbaren großen Platz im Stadtzentrum – abseits des Hauptplatztes – gewichen zu sein und daher diente das Gelände, das Anfang der 1930er Jahre durch den Bau der Gewerbeschule (heute: Polytechnische Schule) etwas verkleinert wurde, als Turnplatz, Eislaufplatz, Spielplatz und Platz für Zirkusgastspiele60

1937: Faschingsfest auf dem Eislaufplatz auf dem Areal hinter der 1931 erbauten gewerblichen Fortbildungsschule (heute Polytechnische Schule) bzw. auf dem späteren Standort des Stadtkindergartens; links ist die Grünanlage auf der Böschung zur Alleegasse gut erkennbar1937: Faschingsfest auf dem Eislaufplatz hinter der 1931 erbauten gewerblichen Fortbildungsschule (heute Polytechnische Schule) bzw. auf dem späteren Standort des Stadtkindergartens; links ist die Grünanlage auf der Böschung zur Alleegasse gut erkennbar

Ende der 1940er gab es wie bereits ein Jahrzehnt zuvor Diskussionen über einen Postamtsneubau und tatsächlich wurde im Gemeinderat bereits im Oktober 1948 der Beschluss gefasst der Postdirektion den alten Materialplatz als Standort für die Errichtung eines Neubaus anzubieten. Allerdings schienen die Postdirektion und der Gemeinderat an einander vorbeizureden, anders kann man sich die in den Gemeinderatssitzungsprotokollen dokumentierten und sich bis 1952 ziehenden, letztlich erfolglosen Verhandlungen zu diesem Thema wohl nicht erklären. Schließlich äußerte die Postdirektion als Standortwunsch den heutigen Standort in der Mitschastraße, doch sollten noch viele Jahre vergehen ehe im Jahre 1967 das Postamt dort tatsächlich eröffnet wurde.61

In den 1950er Jahren wurde der Platz schrittweise durch mehrere Zubauten der gewerblichen Fortbildungsschule (spätere Berufsschule) verbaut und damit wieder ungefähr bis an die Grenze des alten Holz- bzw. Materiallagerplatzes zurückgedrängt. Ein letzter Zubau wurde schließlich 1983 eröffnet, sodass das Berufschulareal vom Europaplatz (einst Conrad von Hötzendorf-Platz) bis zur heutigen Quergasse reichte. In die 1950er Jahre fällt auch der nach längerer Diskussion gefasste Beschluss die verbliebene Freifläche für die Errichtung des schließlich 1960 eröffneten Stadtkindergartens zu verwenden.62

Der 1913 vergebene Name Parkgasse geriet aus durchaus nachvollziehbaren Gründen in Vergessenheit bzw. blieb für den ursprünglich so benannten Straßenzug in Gebrauch. Da es sich um eine nachträglich angelegte Verbindungsgasse handelte, gab es auch kein Haus das diese Adressbezeichnung trug. Als die Gspanngasse ihren heutigen Namen mit Beschluss der Gemeinderatssitzung vom 17. Oktober 1958 erhielt, wurde gleichzeitig deren alter Name „Quergasse“ auf die bloß vermeintlich namenlose Straße übertragen, die Gegenstand dieses Blogbeitrags ist.63 Im darauffolgenden Jahr wurde die nunmehrige Quergasse zur Einbahnstraße erklärt.64

Wo befindet sich die Quergasse?

 

Bildnachweis:
-) Fotos Faschingseislaufen bzw Villen Alleegasse: Göstl-Archiv
-) Brandskizze: Wiener Feuerwehr-Zeitung, 1. Juni 1881 (XI. Jg. – Nr. 11) (Google Books)
-) Westansicht der Stadt: aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer
-) Ausschnitt aus dem Regulierungsplan: aufgenommen im Stadt-Museumsarchiv

Quellen:

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Überblick über einen Teil der Einwohnerschaft Mistelbachs im Jahre 1797

Listen von Hausbesitzern, wie sie uns für Mistelbach durch Fitzkas Geschichte der Stadt Mistelbach für die Jahre 1799 und 1900 überliefert sind, bilden nur einen kleinen Teil der damaligen Einwohnerschaft ab. Menschen ohne Haus- bzw. Grundbesitz im Ort: die Geistlichkeit, Lehrer, Handwerksgesellen, Tagelöhner, Pfründner in Sozialeinrichtungen wie dem Mistelbacher Spital, Kinder, Inwohner und Ausgedinger (=idR besitzlose Angehörige eines Bauern), Mägde und Knechte scheinen in diesen Listen nicht auf bzw. Frauen zumeist nur dann wenn sie im Erbwege Eigentümerin eines Hauses geworden sind. Detaillierter sind hingegen die früher von der Grundherrschaft penibel geführten Urbarien, einem Vorläufer der Grundbücher und einer Art Besitzstandsverzeichnis der Herrschaft. In diesen waren auch die Untertanen erfasst, die schließlich auch zur Leistung von Arbeitsdiensten („Robot“) zugunsten der Herrschaft verpflichtet waren und auch über dieses „Eigentumsrecht“ und seine Ableistung wurde Buch geführt. Diese Verzeichnisse konzentrieren sich jedoch hauptsächlich auf die bestifteten Bauern und ihre Familien, also auf die Zehent- und Robotpflichtigen, während Zugezogene, also „nicht nach Mistelbach zuständige“ zumeist Handwerker und Tagelöhner darin nicht erfasst waren.

Einen interessanten, weil anderen, allerdings ebenso unvollständigen Einblick in die Bevölkerungsstruktur gewährt eine Liste von Spendern aus Mistelbach, die  durch ihre Geldspenden die Führung des Ersten Koalitionskriegs gegen Napoleon (1792-1797) unterstützen. Diese im September des Jahre 1797 in der Wiener Zeitung unter der Überschrift „Verzeichnis deren im Markt Mistelbach sich befindlichen Bürgern und Inwohnern dann Zünften, welche sich zu einem freywilligen Kriegsbeytrag erkläret, und auch abgereichet haben“ veröffentlichte Liste nennt rund 360 Spender quer durch alle Bevölkerungsschichten aus Mistelbach und deren Unterstützung für das bedrängte Vaterland reichte von Kleinstbeträgen von 2 Kreuzern bis zur größeren Spenden in Höhe von 9 Gulden. Auch in der Schule wurde gesammelt und die Lehrer, Katecheten sowie die Schuljugend beteiligten sich durch eine Gemeinschaftsspende, weshalb sie nicht einzeln angeführt werden. Selbiges gilt auch für die Zünfte der Schuhmacher, Seiler, Lederer, Tischler und Kürschner, die korporativ ebenfalls namhafte Beträge spendeten.65

Laut Schweickhardt lebten den 1830er Jahren in Mistelbach etwa 2500 Personen und wenn man davon ausgeht, dass es rund vier Jahrzehnte zuvor etwas weniger gewesen sein dürften, so scheint es plausibel, dass diese Liste etwa 15-20% der damaligen Bewohner umfasst. Es ist jedoch unklar, ob sich ausschließlich Bewohner des liechtensteinischen Markts an dieser Spendenaktion beteiligten oder auch Bewohner der unter barnabitischer Grundherrschaft stehenden Pfarrholdengemeinde.

Die in der Spenderliste angeführten Personen in alphabetischer Reihenfolge:

A

Ametschläger, Schmiedmeister
Amon Andrä, Hauer
Amon Anton Tischlergesell
Amon Johann, Hauer
Amon Leopold, Hauer
Amon Theresia
Antler Joseph, Hauer
Antreich Helena
Apel Christian, Eisenhändlersohn
Arthaber Johann Georg
Arthaber Josepha, Kaufmannstochter
Arthaber Juditha, Kaufmannstochter
Arthaber Klara, Handelsfrau
Arthaber Klara, Kaufmannstochter
Augustin Barbara
Augustin Friedrich, Nadlergesell
Augustin Jakob, Hauer
Augustin Joseph, Hauer

B

Bacher Martin
Bader Georg, Kleinhäusler/Inwohner
Bader Georg, Kupferschmidgesell
Bader Thomas, Zimmermeister
Beinhart, Hauer
Berger Franz, Kleinhäusler/Inwohner
Bernhard, Hafnermeister
Bichler Lorenz, Hauer
Bichler Mathias, Hauer
Bichler Michael, Hauer
Bichler Paul, Hauer
Bileck Jakob, Strickergesell
Bock Anna Maria
Brenner Mathias, Magistratsrath & Färbermeister
Brenner Michael, Hafnermeister
Brenner Theresia
Bruckner Johann, Hauer
Bruckner, Klampfer(=Messerschmiede)meister
Brunner Adam, Kleinhäusler/Inwohner
Brunner Franz, Hauer
Brunner Paul, Hauer
Bschließmayer, Hauer

D

Dichy Wenzel, Hutmachergesell
Diel Johann, Schuhknecht
Dietz Franz, Sattlersohn
Dietz, Sattlermeister
Donlovi Joseph, Eisenhandlungsdiener
Doppler, Kupferschmidmeister

E

Eckstein, Hauer
Eibel Michael, Hauer
Eigel Vinzenz, Handlungsdiener

F

Fabian, Tischlermeister
Faulhuber, Wagnermeister
Feitzinger, Buchbindermeister
Felkner Bernhard, Kleinhäusler/Inwohner
Fibig, Witwe Kleinhäusler/Inwohner
Fink Georg, Kleinhäusler/Inwohner
Fink Rosalia
Fischer Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Fottner, Hauer
Frank Franz, Hauer
Fürst

G

Gartner Theresia
Gaßl Anna Maria
Gebert Martin, Hauer
Georg Wanderer, Hauer
Gfrerer Michael, Hafnergesell
Gmeiner Elisabeth
Gotwald Anna Maria
Gruber Johann, Handlungsdiener
Gschlent, Schneidermeister

H

Haberler Georg, Kleinhäusler/Inwohner
Hacker Leopold, Hauer
Harbich Johann, Hauer
Harbich, Hauer
Harl Helena
Hartel Martin, Kleinhäusler/Inwohner
Harwich Magdalena
Hatschka Georg, Kleinhäusler/Inwohner
Hauer Theresia
Hauer, Wagnermeister
Hautzmayer, Zimmermeister
Hebert Barbara, Hauer
Hebert Franz, Hauer
Hebert Georg, Hauer
Heidler Thomas, Schlossergesell
Heimpl Anna Maria
Hellnwein, Hauer
Henhapel Franz, Tischlergesell
Herz Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Himmelhann
Hipp Franz, Schmidgesell
Hock Johann
Hofer Joseph, Sieberersohn
Hofer, Silberermeister
Höfling, Glasermeister
Hofmann, Hauer
Huber Jakob, Kleinhäusler/Inwohner
Huber Markus, Kleinhäusler/Inwohner
Hübel Mathias, Hauer

J

Jakowitz Anna Maria
Jechtel, Handschuhmachermeister
Jechtl Barbara
Jesner Sophia

K

Kainz Anton, Hauer
Kainz Ignaz, Gastwirt
Kainz Joseph, Fleischhauermeister
Kaltenbruner Alexander
Kaltenbruner Johann, Hauer
Kaltenbruner Joseph, Hauer
Kandler Ignaz, Schuhknecht
Kellner Franz, Kleinhäusler/Inwohner
Kellner Lorenz, Kleinhäusler/Inwohner
Kern Joseph, Hauer
Ketterer, Schuhmachermeister
Kirchlehner Bernhard, Lederersohn
Kirchlehner Bernhard, Magistratsrath & Lederermeister
Kirchlehner Leopold, Lederersohn
Kirchmauer, Witwe
Kirchmayer Barbara
Kisselek Franz, Schneidergesell
Klee, Hauer
Klingisch Georg, Hauer
Kofler Georg, Ledererknecht
Kölbel Ignaz, Grießler
Kölbl Johanna
Kölbl Theresia
Kolhamer Georg
Kolich Rosina
Kolich Theresia, Verwalterin im Barnabiten Kollegium
König Franz, Kleinhäusler/Inwohner
Köpfer, Goldarbeiter
Kottmayer Anton, Kleinhäusler/Inwohner
Kottmayer Leopold, Hauer
Kramer Konrad, Marktrichter
Kranz Mathias, Hauer
Kraußler Georg, Magistratsrath
Kraußler Joseph, Sieberersohn
Krenner Johann, Seifensiedergesell
Küml Antonia
Kümmel
Kutsch Anna Maria
Kutscher, Grießler
Küttner Anna Maria, Hutmachertochter
Küttner Eleonora, Hutmachertochter
Küttner Josepha, Hutmachertochter
Küttner Mathias, Hutmachersohn
Küttner, Hutmachermeister

L

Laab, Tischlermeister
Lachnit David, Kürschnersohn
Lachnit, Kürschnermeister
Langer Elisabeth
Langer, Hauer
Langer, Schuhmachermeister
Lausch, Schlossermeister
Leberfinger Mathias, Schustersohn
Leberfinger, Schuhmachermeister
Ledermann, Lederermeister
Lehner Martin, Hauer
Leitl Johann, Kleinhäusler/Inwohner
Loibl Florian, Hauer
Loibl Joseph, Hauer
Loibl Leopold
Loibl Martin junior
Loibl Mathias, Hauer
Loibl Michael, Hauer
Loibl Paul, Hauer
Lorenz Wolfgang, Posamentirergesell

M

Marchtrenker Martin, Hauer
Maurer Martin, Kleinhäusler/Inwohner
May, Färbermeister
Mayer Joseph
Mayer Rosalia
Mayer, Kässtecher
Meixner Johann, Hauer
Michel Bartholomä, Bäckerjung
Misch Franz, Hauer
Molas, Weißgerbermeister
Moser Johann, Hauer
Moßmayer, Hauer
Mozard Johann Michael, Badergesell
Müllner Friedrich, Schneidersohn
Müllner Theresia
Müllner, Witwe
Münich Johann Friedrich , Nadlergesell
Musch Franz, Kleinhäusler/Inwohner
Musch Gotthard, Hauer
Mutz Joseph, Hauer
Mutz Michael, Hauer

N

Nehamer, Eisenhändler
Neidhart
Neidhart Johann, Bürgersohn
Neidhart Mathias, Bürgersohn
Nekam Elisabeth
Nekam Katharina
Neuhauser Anna
Neuhauser, Gastwirt
Neuhofer Magdalena
Nowerka, Leinwandhändler
Nowerka, Witwe

O

Ohlinger Martin, Hauer
Ostermayer Georg, Kammmachermeister
Ott, Witwe Kleinhäusler/Inwohner

P

Pacher Anna Maria
Pacher Antonia
Pacher Franz, Hauer
Pacher Jakob, Hauer
Pacher Joseph, Hauer
Pacher Lorenz, Hauer
Pacher Martin, Hauer
Paluschka, Witwe
Pamer
Panschab Franz, Fleischhauersohn
Panschab Johann, Fleischhauersohn
Panschab Joseph, Fleischhauersohn
Panzer Helena
Patek, Hauer
Pelzelmayer Joseph, Hauer
Pelzlmayer Anton, Hauer
Penitschka, Hauer
Pezold Anton, Seilersohn
Pezold Helena
Pezold, Seilermeister
Pfann Andrä, Hauer
Pfann Joseph, Hauer
Pfeifer Alexander
Pfeiffer, Drechslermeister
Pichler Johann, Kleinhäusler/Inwohner
Piller, Grießler
Pillwein Markus, Hauer
Pillwein Sabina
Piringer Stephan
Piwalt Theresia
Platschka Franz, Kleinhäusler/Inwohner
Platschka Johann, Hauer
Platschka Leopold, Hauer
Platt Anton, Hauer
Platt Johann, Hauer
Plauer, Witwe
Pleyl Melchior, Sattlersohn
Pleyl, Sattlermeister
Pock Anna Maria
Poller, Maurermeister
Präs Magdalena, Kleinhäusler/Inwohner
Pucher Mathias, Kleinhäusler/Inwohner
Pum Anton, Hauer
Puntschert, Lebzeltermeister
Rachenzentner, Lebzeltermeister
Ramstorfer, Weißgerbermeister

R

Reidlinger Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Reidlinger Simon, Kleinhäusler/Inwohner
Reiser Theresia, Eisenhändlertochter
Rieder Klara, Kleinhäusler/Inwohner
Rigelbauer Franz, Hauer
Rößler Jakob, Schneidergesell

S

Schabmann, Hauer
Schacher Joseph, Hauer
Schacher Martin, Hauer
Schalk, Witwe Kleinhäusler/Inwohner
Schallamayer Franz, Schneidermeister
Schaller Rosalia
Scheiner
Schenk Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Scherf Johann, Spenglergesell
Scherzer Joseph, Strumpfstrickermeister
Scherzer Wenzel, Strickersohn
Schild Leopold, Hauer
Schleininger, Hauer
Schmidhofer Joseph
Schmidhofer Maria Anna
Schmidmayer Katharina
Schmidmayer Michael
Schmirl Joseph, Hafnergesell
Schnabel Johann, Ledererknecht
Schnir Rosalia
Schodl Anna Maria
Schodl Georg, Hauer
Schodl Jakob, Hauer
Schodl Joseph, Hauer
Schodl Michael, Hauer
Schön Antonia, Witwe
Schornbeck
Schornbeck, Strumpfstrickermeister
Schreiber Georg, Hauer
Schrickmayer Anna
Schrickmayer Klara
Schrickmayer, Schmiedmeister
Schubert Anton
Schubert Joseph Anton, Magistratsrath und Syndikus
Schwabl Theresia
Schwarz
Schwebskirchl Johann, Bäckersohn
Schwebskirchl, Bäckermeister
Sebacher Joseph, Apothekersubjekt
Seidelhuber Franz, Kleinhäusler/Inwohner
Seidlhuber Elisabeth
Selbach Ferdinand, Schneidermeister
Selbach Joseph, Schneidermeister
Simperl, Hauer
Solomon Johann, Kleinhäusler/Inwohner
Spies Anna Maria
Stacher Apolonia
Stadler Josepha, Apothekertochter
Stadler, Landschaftsapotheker
Staindl Michael, Kleinhäusler/Inwohner
Stank Mathias, Ledererknecht
Steinkellner, Witwe
Stichholzer Christina
Stichholzer Katharina
Stilitz Johann, Schneidergesell
Stocker Theresia
Stöger Adam, Kleinhäusler/Inwohner
Strasser Peter, Lederermeister
Strobel Alexander, Hauer
Strobel Franz
Strobel Franz, Hauer
Strobel Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Strobel Peter, Hauer
Strobl Leopold, Hauer
Sydy Joseph, Schuhknecht

T

Tatzer Andrä, Hauer
Tatzer Joseph, Hauer
Testler, Hauer
Thalhamer Sebastian, Wagnergesell
Theresia Gutmann
Tichel Joseph, Handschuhmachergesell
Tillbaum
Titzl Magdalena
Togl Sebastian, Ledererknecht
Tomer Tobias, Kleinhäusler/Inwohner
Trinkler Leopold, Hauer
Trögl Peter, Hauer
Türk Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Tuscheck Wenzel, Pferdeknecht

U

Uhl, Schlossermeister
Uiblein Ignaz, Färbersohn

W

Waberer Andrä, Hauer
Waberer Andrä, Inwohner
Waberer Barbara
Waberer Elisabeth
Waberer Jakob, Hauer
Waberer Johann, Hauer
Waberer Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Waberer Katharina
Waberer Lorenz, Hauer
Waberer Philipp, Hauer
Wadel Sebastian, Kleinhäusler/Inwohner
Wadl Joseph, Hafnergesell
Walter, Chirurg
Wanderer Florian, Kleinhäusler/Inwohner
Wanderer Georg, Kleinhäusler/Inwohner
Warschanek Anton
Weber Joseph, Sattlergesell
Weber, Bindermeister
Weghofer, Hauer
Weinmayer, Hauer
Weiser Joseph, Kleinhäusler/Inwohner
Weiß Jakob, Kleinhäusler/Inwohner
Weissenberger Benedikt, Ledererknecht
Wild Georg, Kleinhäusler/Inwohner
Wilfing Anton, Glasergesell
Willmann Gallus
Wimmer Johann, Hauer
Windhab Leopold, Schneidergesell
Wintersteiner Ferdinand, Handelsmann
Wintersteiner Ignaz
Wintersteiner Theresia, Kaufmannstochter
Wintersteiners Ferdinand, Kaufmannssohn
Wolf Eleonora
Wolf Theresia
Wolf, Kleinhäusler/Inwohner
Wolf, Seifensiedemeisterin

Z

Zankhel Sebastian, gewester fürstl. Liechtensteinischer Amtmann
Zehetmayer Anton, Kleinhäusler/Inwohner
Zehetmayer Joseph
Zenner, Gastwirt
Zirkl Katharina
Zisch Joseph, Hauer
Zisch Mathias, Kleinhäusler/Inwohner
Zollner, Kleinhäusler/Inwohner
Zweck Johann, Schneidersohn

Quellen:

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Berggasse

Die Berggasse zählt zweifellos zu den ältesten Straßenzügen Mistelbachs – schließlich nahm die Besiedelung ihren Anfang rund um den Kirchenberg, den die Berggasse auf der der Stadt zugewandten Seite umfasst. Alle Aufstiege von der Stadt zur Kirche nehmen in der Berggasse ihren Anfang: die Pfarrstiege und die Marktstiege, der Steig am Ende der Barnabitenstraße sowie der im Bereich der Bruderhofgasse gelegene Weg.

Die beiden Stiegen, die in der Berggasse ihren Anfang nehmen: links die Marktstiege mit den Statuen des hl. Martin und hl. Florian; rechts die Pfarrstiege mit den Statuen des hl. Petrus und hl. PaulusDie beiden Stiegen, die in der Berggasse ihren Anfang nehmen: links die Marktstiege mit den Statuen des hl. Martin und hl. Florian; rechts die Pfarrstiege mit den Statuen des hl. Petrus und hl. Paulus

Doch nicht nur am Weg zur Kirche führte sprichwörtlich kein Weg an dieser langgezogene Gasse vorbei – eine herausragende Rolle kam ihr zweifellos als Verbindungsstraße zwischen dem geistlichen Machtzentrum – dem alten Pfarrhof, der einst anstelle des Kollegs stand – und dem weltlichen Machtzentrum – dem alten Marktplatz (im Bereich Kellergasse/Mittelgasse/Neustiftgasse/Kanalgasse/obere Neustiftgasse/Josefigasse) mit dem angrenzenden Schloss der Herren von Mistelbach, zu.

Trotz dieser prominenten Lage beherbergte die Berggasse, wie überhaupt das gesamte Kirchenbergareal, stets die ärmeren Bevölkerungsgruppen: Handwerksgesellen, Hilfsarbeiter, Tagelöhner samt ihren Familien wohnten hier zumeist in Kleinhäuser bzw. in zu Wohngebäuden umgebauten Presshäusern. Dazu passt, dass an der Adresse Berggasse Nr. 7 im Jahre 1865 das neu errichtete Gemeinde-Armenhaus eröffnet wurde. Anfangs zum Teil aus Mitteln des Pfarr-Armenfonds finanziert, übernahm die Gemeinde wenig später die Verwaltung und Kosten für den Betrieb dieser bis 1936 hier bestehenden Einrichtung, vollständig.

Der Name dieser Gasse ist aufgrund ihrer Lage naheliegend und daher sicherlich bereits Jahrhunderte vor der offiziellen Einführung von Straßennamen im Jahre 1898 gebräulich gewesen.

Wo befindet sich die Berggasse?

 

Bildnachweis:
Ansichtskarte aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer

Quellen:
Spreitzer, Prof. Hans: „Von den Häusern, Straßen, Gassen und Plätzen Mistelbachs“ In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 186, 226;

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Gemeindevertretung Mistelbach – Teil 1 (1850-1919)

Bereits im Jahr 1964 wurde anlässlich der Feierlichkeiten zu „90 Jahre Stadterhebung“ im Rahmen der Schriftenreihe „Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart“ eine Auflistung der Gemeinderäte der Stadt Mistelbach veröffentlicht. In Ermangelung von Quellenmaterial beschränkte man sich allerdings auf eine Rekonstruktion ab dem Jahr 1874 (dem Jahr der Stadterhebung) und die Autoren Prof. Hans Spreitzer und Bürgermeister Franz Bayer wiesen schon im Vorwort auf zahlreiche Lücken aufgrund der bescheidenen Quellenlage hin. Tatsächlich konnten durch umfangreiche Recherchen zu diesem Beitrag einige dieser Lücken geschlossen bzw. so manches richtiggestellt werden. Nachdem eine Darstellung der Mistelbacher Gemeindevertretungen bzw. der Wahlen, die diesen in der Regel vorausgingen, recht umfangreich werden wird, erfolgt die Veröffentlichung in drei Teilen und wird sich vorerst auf den Zeitraum 1850 bis 2000 beschränken. Der vorliegende Beitrag behandelt den Zeitraum von 1850 bis 1919, also jener Gemeindevertretungen die in die Zeit der Monarchie fielen. Zwecks Begriffserläuterung bzw. Darstellung der Entwicklung der gewählten Organe der Gemeindevertretung im Laufe der Zeit und des damit verbundenen Wahlrechts wird ein gesonderter Beitrag auf diesem Blog erscheinen.

1850-186166
Bürgermeister: Franz Hafner, Lebzelter
Gemeinderäte: J. Brandstetter, Bäcker; J. Humel, Wundarzt; J. Biberich, Drechsler;
weiters gehörten dem Gemeindeausschuss an: Josef Strasser sen., Lederer; Karl Hauk, Kaufmann; Karl Ruprecht, Kaufmann; Josef Küttner, Hutmacher; Lorenz Heindl, Wirtschaftsbesitzer; J. Wolf, Griesler (=Greißler); F. Diem, Fleischer; Franz Artner, Fleischer; J. Michel, Sattler; J. Tischer, Schneider; Ludwig Schmidt, Wundarzt; A. Schneider, Tischler; K. Mellinger, Buchbinder; M. Heß, Viktualienhändler

Da die 1850 gewählten Mitglieder des Gemeindeausschusses, und auch der Bürgermeister, ihre Ämter nur aus triftigen Gründen zurücklegen durften, müssen wir, da keine gegenteiligen Informationen vorliegen, davon ausgehen, dass die Mitglieder des Gemeindeausschuss idR bis zur mehr als zehn Jahre später stattfindenden Wahl in ihren Ämtern verlieben.

1861-186467
Bürgermeister: Johann Schwarz, Landwirt
1. Gemeinderat: Ferdinand Eisenhut, Landwirt
2. Gemeinderat: Josef Küttner, Hutmacher
3. Gemeinderat: Josef Fischer, Gastwirt und Fleischhauer;
weiters gehörten dem Gemeindeausschuss an: Karl Bruckner; Franz Czinglar sen., Kaufmann; Josef Schürz; Anton Schön; Franz Artner, Fleischhauer; Anton Steiner, Tischler; Karl Weingartshofer; Martin Schodl, Landwirt; Dominik Kothmayer; Michael Misch; Mathias Misch; Philipp Sünder; Josef Schmelzer; Johann Krames
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1864-186768
Bürgermeister: Andreas Schreiber sen., Gastwirt
1. Gemeinderat: Martin Schodl, Wirtschaftsbesitzer
2. Gemeinderat: Ferdinand Eisenhut, Wirtschaftsbesitzer
Dem Gemeindeausschuss dürfte jedenfalls auch der Kaufmann Franz Czinglar sen. angehört haben.69
Der Gemeindeausschuss aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1867-187070
Nachdem laut den Recherchen von Spreitzer/Bayer die Zeit von 1850 bis 1867 von einer bäuerlich-konservativen Mehrheit im Gemeindeausschuss geprägt war, ändert sich dies nun im Zuge der Wahl des Jahres 1867 bei der erstmals liberale Kräfte triumphierten und eine klare Mehrheit erringen konnten. Mehr als 20 Jahre sollten die Liberalen, die sich im Wesentlichen aus Gewerbetreibenden und Beamten zusammensetzten, unter der Führung von Bürgermeister Josef Strasser die Geschicke Mistelbachs bestimmen. Nach der Gemeindeausschusswahl konstituierte sich die neue Gemeindevertretung am 21. Juli 1867 wie folgt:
Bürgermeister: Josef Strasser, Lederer
1. Gemeinderat: Franz Czinglar sen., Kaufmann
2. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäcker
3. Gemeinderat: Martin Schodl, Wirtschaftsbesitzer
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters an: Dr. Innocenz von Schluetenberg, Arzt; Franz Kainz, Schuhmacher; Franz Koblischek sen., Kaufmann und Postmeister; Adalbert Hackl, Eisenhändler; August Lubovienski, Apotheker; Josef Eibl (Nr. 146), Landwirt; Georg Trestler; Ignaz Simperler; Karl Weingartshofer; Johann Schwarz, Fruchthändler; Franz Hafner, Lebzelter; Johann Krames; Josef Bacher; Franz Geyer
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1870-187371
Bürgermeister: Josef Strasser, Lederer
1. Gemeinderat: Franz Czinglar sen., Kaufmann
2. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäcker
3. Gemeinderat: Martin Schodl, Wirtschaftsbesitzer
4. Gemeinderat: Franz Koblischek sen., Kaufmann und Postmeister
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1873-187672
Zum Ergebnis der Gemeindeausschusswahl vom 26. Juni 1873 liegen zwar keine detaillierten Informationen vor, allerdings wurden laut einem Bericht in der Zeitung „Neues Wiener Blatt“ ausschließlich Kandidaten der liberalen, verfassungstreuen Partei – also der „Strasser-Partei“ – gewählt.73 Zu diesem Schluss kommt auch der Eintrag von Spreitzer und Bayer zu dieser Wahl, der auch die nachstehend vorgenommene politische Zuordnung des Gemeindevorstands ermöglichte und darüber hinaus eine „beispiellos geringe Wahlbeteiligung“ erwähnt.74 Nach der konstituierenden Sitzung vom 6. Juli 1873 setzte sich der Gemeindeausschuss wie folgt zusammen75 :
Bürgermeister: Josef Strasser, Lederwarenfabrikant (liberal)
1. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäcker (liberal)
2. Gemeinderat: Franz Koblischek sen., Kaufmann und Postmeister (liberal)
3. Gemeinderat: Martin Schodl, Wirtschaftsbesitzer (konservativ)
4. Gemeinderat: Leopold Kipp, k.k. Notar (liberal)
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1876-187976
War schon beim vorangegangenen Wahlgang eine äußerst niedrige Wahlbeteiligung zu beklagen, erreichte diese 1876 mit 59 Wählern in allen drei Wahlkörpern zusammen ihren absoluten Tiefpunkt. Die niedrige Wahlbeteiligung war natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass außer Strasser und seinen liberalen Gefolgsleute keine Gegenpartei kandidierte. Dies ließ das Interesse an einer Beteiligung an der Wahl deutlich sinken.

Im 3. Wahlkörper wurden gewählt: Josef Strasser, Josef Edhofer, Leopold Kipp, Franz Schram, Mathias Neckam und Josef Spieß.

Im 2. Wahlkörper wurden Michael Hacker, Franz Koblischek sen., Michael Hofecker, Leopold Hacker, August Lubovienski (nachdem dieser auf die Wahl verzichtet hatte rückte Paul Frank nach), Josef Dunkl sen.

Im 1. Wahlkörper wurden gewählt: Dr. Rudolf Schaschetzy, Georg Trestler, Franz Czinglar sen. (nachdem dieser auf die Wahl verzichtet hatte rückte Franz Schodl nach), Josef Steininger, Adalbert Hackl und Michael Selbach

Es herrschte damals ein Persönlichkeitswahlrecht und es existierte keine Kandidatenliste, sondern die Wahlberechtigten konnten einfach mehrere Namen (idR wurden sechs Personen pro Wahlkörper gewählt) auf die Wahlzettel schreiben. Natürlich gab es Personen, die gemeinschaftlich mit anderen um die Wählergunst warben, und wenig überraschend kam es auch vor, dass Personen gewählt wurden, die an einer Betätigung im Gemeindeausschuss kein Interesse hatten. Grundsätzlich war man damals allerdings verpflichtet eine erfolgte Wahl anzunehmen und nur unter strengen Voraussetzungen wurde einem das Recht zugebilligt auf das Mandat verzichten zu können. Beispielsweise konnte man die Annahme der Wahl verweigern, wenn man bereits in der Vergangenheit für zwei Perioden dem Gemeindeausschuss angehört hatte. Genau dies traf bei Lubovienski und Czinglar sen. zu und daher verzichteten sie auf ihre Mandate. Dadurch rückten die beiden im Wahlergebnis nächstgereihten Kandidaten nach und hierbei handelte es sich um Paul Frank und Franz Schodl.

Nach der konstituierenden Sitzung setzte sich der Gemeindeausschuss wie folgt zusammen:
Bürgermeister: Josef Strasser, Lederwarenfabrikant
1. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäcker
2. Gemeinderat: Franz Koblischek sen., Kaufmann und Postmeister
3. Gemeinderat: Michael Hacker, Wirtschaftsbesitzer
4. Gemeinderat: Leopold Kipp, k.k. Notar
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters an: Franz Schram, Wirtschaftsbesitzer; Mathias Neckam, Wirtschaftsbesitzer; Josef Spieß, Wirtschaftsbesitzer; Michael Hofecker, Wirtschaftsbesitzer; Leopold Hacker, Wirtschaftsbesitzer; Paul Frank; Josef Dunkl sen., Baumeister; Dr. Rudolf Schaschetzy, Advokat; Georg Trestler, Wirtschaftsbesitzer; Franz Schodl; Josef Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Adalbert Hackl, Eisenhändler; Michael Selbach, Riemer;
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1879-188277
In einem Bericht der Zeitung „Die Presse“ über den Wahlausgang in Mistelbach steht zu lesen: „… trotz aller Agitation gegen den streng verfassungstreuen Bürgermeister Strasser, erlitt die Gegenpartei eine vollständige Niederlage und konnte mit keinem einzigen Kandidaten eine Majorität erzielen. Es wurde seitens der Gegenpartei Protest gegen die Wahl erhoben, der jedoch seitens der niederösterreichischen Statthalterei abgewiesen wurde.“
Unklar bleibt um wen es sich bei der erwähnten „Gegenpartei“ handelte. War es der erste und zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich frühe Auftritt deutschnationaler Vertreter, die binnen des folgenden Jahrzehnts sukzessive die Mehrheit im Mistelbacher Gemeindeausschuss eroberten? Nahezu auszuschließen ist ein Comebackversuch konservativer Kräfte. Möglicherweise handelte es sich (zunächst noch) gar nicht um eine Gegenpartei im politisch-ideologischen Sinne, sondern vielleicht waren persönliche Differenzen die Ursache für die neu auftretende Konkurrenz.

Im Zeitraum 1879-1882 stellte sich der Gemeindeausschuss jedenfalls wie folgt dar:
Bürgermeister:
Josef Strasser, Lederwarenfabrikant
1. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäcker
2. Gemeinderat: Franz Koblischek sen., Kaufmann und Postmeister
3. Gemeinderat: Michael Hacker, Wirtschaftsbesitzer
4. Gemeinderat: Leopold Kipp, k.k. Notar
5. Gemeinderat: Michael Selbach, Riemer
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters an: Rudolf Schaschetzy, Advokat; Adalbert Hackl, Eisenhändler; Franz Czinglar jun., Kaufmann; Josef Eibel, Glasermeister; Josef Eibel, Wirtschaftsbesitzer; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Anton Trestler, Wirtschaftsbesitzer; Georg Trestler, Wirtschaftsbesitzer; Jakob Kothmeier, Wirtschaftsbesitzer; Josef Eibl, Wirtschaftsbesitzer; Franz Schram, Wirtschaftsbesitzer; Josef Dunkl sen., Maurer- und Zimmermeister;
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (6 aus dem 1., 6 aus dem 2. und 6 aus dem 3. Wahlkörper).

1882-188578
Bei der Gemeindeausschusswahl Ende Juni 1882 setzten sich neuerlich mehrheitlich Strasser und seine Liberalen durch.

Im dritten Wahlkörper wurden gewählt: Josef Strasser, Josef Edhofer, Michael Hofecker, Michael Hacker und Adalbert Hackl, Franz Koblischek sen.; als Ersatzleute: Paul Frank und Josef Weber

Im zweiten Wahlkörper wurden gewählt: Josef Hacker (Nr. 72), Josef Eibl (Nr. 148), Josef Eibl (Nr. 146), Martin Steininger, Martin Weiß und Josef Gössinger; als Ersatzleute: Friedrich Hacker und Josef Pölzlmayer

Im ersten Wahlkörper wurden gewählt: Heinrich Westermayer, Leopold Kipp, Josef Eibel, Josef Dunkl sen., Georg Trestler und Dr. Rudolf Schaschetzy; als Ersatzleute: Karl Ibel und Bernhard Steiner

Nach der konstituierenden Sitzung am 9. Juli 1882 setzte sich der Gemeindeausschuss wie folgt zusammen:
Bürgermeister: Josef Strasser, Lederwarenfabrikant
1. Gemeinderat: Franz Koblischek sen., Kaufmann und Postmeister
2. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäcker
3. Gemeinderat: Leopold Kipp, k.k. Notar
4. Gemeinderat:
Michael Hacker, Wirtschaftsbesitzer
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters an: Michael Hofecker, Wirtschaftsbesitzer; Adalbert Hackl, Eisenhändler; Josef Hacker (Nr. 72), Wirtschaftsbesitzer; Josef Eibl (Nr. 148), Wirtschaftsbesitzer; Josef Eibl (Nr. 146), Wirtschaftsbesitzer; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Martin Weiß, Wirtschaftsbesitzer; Josef Gössinger, Schlossermeister; Heinrich Westermayer, Kaufmann; Josef Eibel, Glasermeister; Josef Dunkl sen., Maurer- und Zimmermeister; Georg Trestler, Wirtschaftsbesitzer; Dr. Rudolf Schaschetzy, Advokat;
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern.

Ersatzmänner: Paul Frank, Josef Weber, Friedrich Hacker, Josef Pölzlmayer, Karl Ibel, Bernhard Steiner, Tischlermeister

1885-188879
Bei der Gemeindeausschusswahl vom 18. Juni 1885 standen sich zwei Parteien gegenüber: Die Liberalen um den langjährigen Bürgermeister Strasser und die Deutschnationalen. Es gab 18 Mandate in drei Wahlkörpern zu vergeben. Bei geringer Wahlbeteiligung entfielen zehn Mandate auf die Liberalen und acht Mandate auf die Deutschnationalen. Ein letztes Mal konnten Strasser und seine liberalen Gefolgsleute also noch die Mehrheit im Gemeindeausschuss erringen. Die Wiederwahl Strassers im Zuge der konstituierenden Sitzung gestaltete sich schwieriger als nach den letzten Wahlen – Strasser wurde lediglich mit 10 Stimmen – also mit einer Stimme Mehrheit – zum Bürgermeister gewählt. Angeblich soll er vor der Wahl die Annahme der Bürgermeisterstelle von einer einstimmigen Wahl abhängig gemacht haben und das Quorum nach der Wahl bzw. vor der konstituierenden Sitzung auf eine große Mehrheit revidiert haben. Letzten Endes musste er sich dann mit einer knappen einfachen Mehrheit zufrieden geben. Auch ansonsten gab es ein paar Besonderheiten bei dieser ersten Gemeindeausschusssitzung nach der Wahl: Bernhard Steiner der damals eigentlich zu den Liberalen um Strasser zählte, paktierte insgeheim mit der Gegenpartei (= den Deutschnationalen) und wurde mit deren Hilfe (und der eines weiteren Liberalen) zum 1. Gemeinderat gewählt. Dass er auf diese Art den von seinen Parteifreunden nominierten Kandidaten Edhofer ausstach, brachte ihm garantiert keine Sympathien ein. Tatsächlich verhielt er sich auch gegenüber den Deutschnationalen wortbrüchig, denn diesen hatte er seine Stimme für ihre Kandidaten zugesagt, sofern sie ihn bei der Wahl zum 1. Gemeinderat unterstützen. Die Deutschnationalen hielten die Vereinbarung ein, Steiner nicht. Doch sollte diese Begebenheit einer weiteren Annäherung Steiners an die Deutschnationalen nicht im Wege stehen, schließlich wurde er nach der Wahl 1888 als deren Kandidat zum Bürgermeister gewählt. Der 4. Gemeinderat wurde seitens der Mehrheitspartei offenbar den Deutschnationalen überlassen, da für diese Stelle ausschließlich Deutschnationale nominiert wurden. Schließlich setzte sich Josef Hacker gegen seinen parteiinternen Konkurrenten durch.

Im 3. Wahlkörper waren 570 Personen wahlberechtigt, es erschienen jedoch lediglich 291 Personen zur Wahl. Gewählt wurden folgende Personen: Josef Strasser, Josef Edhofer, Karl Ibel, Josef Dunkl sen., Bernhard Steiner, Josef Eibl; als Ersatzmänner: Franz Filippinetti, Ludwig Gspann

Von den 126 Wahlberechtigten im 2. Wahlkörper, machten 75 Personen von ihrem Wahlrecht Gebrauch und wählten folgende Personen in den Gemeindeausschuss: Martin Weiß, Michael Hofecker, Josef Eibl (Nr. 148), Josef Hacker, Anton Keltscher, Josef Gobitschek; als Ersatzmänner: Alois Koch, Martin Steininger

Im 1. Wahlkörper erschienen 29 von 43 Wählern und gewählt wurden: Hugo Riedel, Leopold Kipp, Heinrich Westermayer, Franz Czinglar jun., Thomas Freund, August Lubovienski; als Ersatzmänner: Karl Lehner, Johann Schwarz

Nach der konstituierenden Sitzung vom 29. Juni 1885 setzte sich der Mistelbacher Gemeindeausschuss wie folgt zusammen80:
Bürgermeister: Josef Strasser, Lederwarenfabrikant (liberal)
1. Gemeinderat: Bernhard Steiner, Tischlermeister (liberal)
2. Gemeinderat: Leopold Kipp, k.k. Notar (liberal)
3. Gemeinderat: Josef Edhofer, Bäckermeister (liberal)
4. Gemeinderat: Josef Hacker, Wirtschaftsbesitzer (deutschnational)
Gemeindeausschüsse: Franz Czinglar jun., Kaufmann (deutschnational); Josef Dunkl sen., Maurer- und Zimmermeister (liberal); Josef Eibel (Nr. 36), Glasermeister (liberal); Josef Eibl (Nr. 148), Wirtschaftsbesitzer (deutschnational); Thomas Freund, Kaufmann (deutschnational); Josef Gobitschek, Pfaidler (=Hemdenmacher/-händler) (deutschnational); Michael Hofecker, Wirtschaftsbesitzer (deutschnational); Karl Ibel, Eisenhändler (liberal); Anton Keltscher, Schmiedemeister (liberal); August Lubovienski, Apotheker (deutschnational); Hugo Riedel, Landes-Ingenieur (liberal); Martin Weiß, Wirtschaftsbesitzer (deutschnational); Heinrich Westermayer, Kaufmann (liberal);
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 18 Mitgliedern (jeweils 6 aus jedem der 3 Wahlkörper).

Als Ersatzmänner wurden gewählt: Karl Lehner, Wirtschaftsbesitzer; Johann Schwarz, Hausbesitzer; Alois Koch, Fleischhauer; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Franz Filippinetti, Rauchfangkehrermeister; Ludwig Gspann, pens. Volksschullehrer;

1888-189181
Bei den am 13. und 14. Juni 1888 stattgefundenen Gemeindeausschusswahlen gelang den Deutschnationalen ein großer Triumph, der gleichzeitig das Ende der Amtszeit des liberalen Bürgermeisters Strasser mit sich brachte. Alle Mandate in den drei Wahlkörpern gingen an die bisherige Opposition (Deutschnationale mit Unterstützung der Bauern), sodass sich die Liberalen im 1. Wahlkörper schließlich gar keiner Wahl mehr stellten.

Im dritten Wahlkörper machten von 421 Wahlberechtigten 329 Personen von ihrem Wahlrecht Gebrauch und wählten: Johann Schwarz, Heinrich Westermayer, Thomas Freund, Franz Czinglar jun., Josef Eibl (Nr. 148) und Karl Simperler

Im zweiten Wahlkörper beteiligten sich von 119 Wahlberechtigten 79 Personen an der Wahl und wählten: Karl Lehner, Jakob Augustin, Josef Gobitschek, Martin Steininger, Felix Roller sen. und Josef Fally

Im ersten Wahlkörper nahmen 23 von 40 Wahlberechtigten ihr Wahlrecht wahr und wählten: Leopold Kipp, Rudolf Schaschetzy, Josef Edhofer, Bernhard Steiner, Karl Katschthaler und August Lubovienski

Die größte Zustimmung in allen drei Wahlkörpern erzielte der Kaufmann Heinrich Westermayer, was ihn zum Kandidaten für das Bürgermeisteramt prädestinierte und als weiterer Favorit galt der Bäckermeister Edhofer. Doch nachdem Westermayer erklärte für dieses Amt nicht zur Verfügung zu stehen, konstituierte sich der Gemeindeausschuss im Juni 1888 schließlich wie folgt82:
Bürgermeister: Bernhard Steiner, Tischlermeister
1. Gemeinderat: Heinrich Westermayer, Kaufmann
2. Gemeinderat: Leopold Kipp, k.k. Notar
3. Gemeinderat: August Lubovienski, Apotheker
4. Gemeinderat: Karl Lehner, Wirtschaftsbesitzer
5. Gemeinderat: Franz Czinglar jun., Kaufmann
Gemeindeausschüsse: Jakob Augustin, Wirtschaftsbesitzer; Josef Eibl, Wirtschaftsbesitzer (Nr. 148); Josef Edhofer, Bäckermeister; Josef Fally, Wirtschaftsbesitzer; Thomas Freund, Kaufmann; Josef Gobitschek, Pfaidler (=Hemdenmacher/-händler); Karl Katschthaler, Volksschullehrer; Felix Roller sen., Webermeister; Dr. Rudolf Schaschetzy, Advokat; Johann Schwarz, Hausbesitzer; Karl Simperler, Wirtschaftsbesitzer; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer;

Als Ersatzmänner wurden gewählt: Josef Steininger, Wirtschaftsbesitzer (Nr. 192); Mathias Nekam, Wirtschaftsbesitzer; Franz Schallgruber, Schmiedmeister; Alois Koch, Fleischer; Franz Mühl, Bürstenmacher; Emil Hackl, Eisenhändler;

Bereits am 7. Oktober 1888, also knapp drei Monate nach seiner Wahl, legte Bürgermeister Steiner sein Amt zurückt, da er schon nach kurzer Zeit den Rückhalt im Gemeindeausschuss und insbesondere bei seinen deutsch-nationalen Gesinnungsgenossen verloren hatte. Beispielsweise wurde der von ihm eingebrachte Antrag seinem Amtsvorgänger Josef Strasser für seine 21-jährige Tätigkeit als Bürgermeister auszusprechen von der Mehrheit abgelehnt – ein Affront nicht nur gegenüber dem verdienten Altbürgermeister. Wenig später wurde er erneut desavouiert, als eine von ihm gegebene Zusage für die Nutzung des Saales des Hotel Rathauses von der Mehrheit des Gemeindeausschusses widerrufen wurde. Auch sonst zeigten sich viele der bei der Wahl siegreichen Strasser-Gegner mit der Amtsführung Steiners unzufrieden und somit blieb Steiner kaum eine andere Wahl als zu demissionieren. Als Kompromisskandidat einigte man sich schließlich auf Thomas Freund – einen „Zuagrastn“ aus Laa an der Thaya, der seit 1876 in Mistelbach als Kaufmann lebte.83 Bestimmt hätte damals niemand gedacht, dass Freunds wohl nur als Interregnum gedachte Amtszeit als Bürgermeister letztlich 23 Jahre dauern würde.

1891-189484
Im Zuge des Wahlkampf kam es zu heftiger Agitation zwischen den beiden kandidierenden Gruppierungen: den Deutschnationalen und den Liberalen. Letztere versuchten bei dieser Wahl ihre einstmals vorherrschende Stellung im Gemeindeausschuss wieder zurückzugewinnen. Man hatte offenbar große Sorge vor einem Comebackversuch Strassers und daher ließ das Wahlkomitee rund um Bürgermeister Freund im Zuge des Wahlkampfes Plakate und Flugblätter verbreiten, die den Liberalen während ihrer bis 1888 währenden Vorherrschaft im Gemeindeausschuss Unregelmäßigkeit bzw. Verfehlungen bei der Finanzgebarung und der Führung der städtischen Sparkasse vorwarfen.85 Einige Wochen nach der Wahl mussten sich Freund und vierzehn seiner Parteigänger in dieser Angelegenheit in Korneuburg vor Gericht verantworten. Freund konnte offenbar überzeugend vermitteln in diese Sache nicht involviert gewesen zu sein und als Bürgermeister gab er sich als über dem Parteigeplänkel stehend. In erster Instanz wurde Bürgermeister Freund freigesprochen, aber die vierzehn Mitangeklagten zunächst zu geringfügigen Geldstrafen verurteilt. In einem Berufungsverfahren wurde das erstinstanzliche Urteil lediglich insofern abgeändert als drei weitere Personen freigesprochen wurden, ansonsten wurde der Urteilsspruch bestätigt.86

Tatsächlich konnten sich die Deutschnationalen erneut mit großer Mehrheit durchsetzen, sodass die Liberalen zwar im Gemeindeausschuss vertreten waren, allerdings konnte sich bei der Wahl der Gemeinderäte (also dem Gemeindevorstand) im Rahmen der konstituierenden Sitzung keines ihrer Mitglieder durchsetzen:
Bürgermeister: Thomas Freund, Kaufmann (deutschnational)
1. Gemeinderat: Franz Czinglar jun., Kaufmann (deutschnational)
2. Gemeinderat: Dr. Rudolf Schaschetzy, Advokat (deutschnational)
3. Gemeinderat: Heinrich Westermayer, Kaufmann (deutschnational)
4. Gemeinderat: Karl Lehner, Wirtschaftsbesitzer (deutschnational)
5. Gemeinderat: Johann Schwarz, Fruchthändler (deutschnational)
6. Gemeinderat: Josef Eibl (Nr. 148), Wirtschaftsbesitzer (deutschnational)
Weiters gehörten dem Gemeindeausschuss an: Josef Eibl (Nr. 146), Wirtschaftsbesitzer; Josef Fally, Wirtschaftsbesitzer; Josef Hacker, Wirtschaftsbesitzer; Leopold Hacker, Wirtschaftsbesitzer; Franz Koblischek jun., k.k. Postmeister; Alois Koch, Fleischhauer; Johann Lechner, Kürschnermeister; Michael Ollinger, Wirtschaftsbesitzer; Franz Reumann, Fleischhauer; Felix Roller sen., Webermeister; Franz Schallgruber, Schmiedemeister; Karl Simperler, Wirtschaftsbesitzer; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Josef K. Strasser (Nr. 24 u. 25), Gerbermeister
Der Gemeindeausschuss bestand aus 21 Mitgliedern

Die Wahlen im Gemeindevorstand erfolgten allesamt mit 20 von 21 Stimmen, was tatsächlich wenig Interpretationsspielraum für liberale Mitglieder im Gemeindeausschuss lässt. Nach der konstituierenden Sitzung begaben sich die Mitglieder des Gemeindeausschusses zu einer kleinen Feier in den Rathausgarten (=Stadtpark). Im Gegensatz zu dieser friedlich verlaufenen Feier, scheint es dann später im Gemeindegasthaus (=Hotel Rathaus – heute: Erste Bank) noch zu einer Auseinandersetzung gekommen zu sein – hierzu heißt es in der deutschnationalen „Oesterreichischen Land-Zeitung“ wörtlich: “Es hatte nur ein kleines Nachspiel im Gastzimmer des Gemeindegasthauses, wo nach dem Eindringen einiger Gegner ein regelrechter Bürgerkrieg entstand.”87

Als Ersatzmänner wurden gewählt: Jakob Kothmayer, Wirtschaftsbesitzer; Josef Steiniger (Nr. 192), Wirtschaftsbesitzer; Josef Loibl, Wirtschaftsbesitzer; Mathias Neckam, Wirtschaftsbesitzer; Anton Schnaß, Gastwirt; Eduard Schindler, Seifensieder; Leopold Hobersdorfer, Schmiedmeister; Josef Steininger (Nr. 87), Wirtschaftsbesitzer; Josef Eibl (Nr. 17), Vergolder;

1894-190088
Die Liberalen dürften aufgrund der aussichtslosen Ausgangslage von vorneherein auf eine Kandidatur verzichtet haben89 und in Ermangelung einer Gegenpartei konnten sich Freund und die Deutschnationalen alle Mandate sichern. In der Berichterstattung zur Wahl schlich sich bei der liberalen „Neuen Freien Presse“ ein kapitaler Fehler ein, da dort der Sieg von Freund als „glänzender Erfolg für die Fortschrittspartei“ – also für die Liberalen – vermeldet wurde.90 Dies sorgte für Spott bei der christlich-sozialen Reichspost, doch erfahren wir aus diesem vor Antisemitismus strotzenden Zeitungsbericht, dass die liberale Zeitung „Wiener Tagblatt“ die bisherige (und im Zuge der Wahl bestätigte) Mistelbacher Gemeindevertretung als „antisemitisch“ bezeichnete.91 Dies belegt schon früh, dass obwohl aus dem nationalen Lager kommend, Freund bzw. die Gemeindevertretung, der er vorstand, in ihrer politischen Ausrichtung zwischen deutschnational und christlichsozial schwankte.

Im dritten Wahlkörper wurden folgende Personen gewählt: Thomas Freund, Franz Czinglar jun., Josef Eibl, Johann Schwarz, Karl Simperler, Josef Konrad Strasser, Michael Ollinger

Nach der konstituierenden Sitzung am 29. Juli 1894 setzte sich der Gemeindeausschuss wie folgt zusammen92:
Bürgermeister: Thomas Freund, Kaufmann
1. Gemeinderat: Franz Czinglar jun., Kaufmann
2. Gemeinderat: Johann Schwarz, Fruchthändler
3. Gemeinderat: Heinrich Westermayer, Kaufmann
4. Gemeinderat: Dr. Rudolf Schaschetzy, Advokat
5. Gemeinderat: Karl Lehner, Wirtschaftsbesitzer
6. Gemeinderat: Josef Eibl, Wirtschaftsbesitzer
weiters gehörten dem Gemeindeausschuss an: Josef Eibl (Nr. 106), Wirtschaftsbesitzer; Josef Fally, Wirtschaftsbesitzer; Franz Filippinetti, Kaminfegermeister; Josef Hacker, Wirtschaftsbesitzer; Leopold Hacker, Wirtschaftsbesitzer; Karl Ibel, Eisenhändler; Franz Koblischek jun., k.k. Postmeister; Alois Koch, Fleischhauer; Johann Lechner, Kürschnermeister; Michael Ollinger, Wirtschaftsbesitzer; Franz Schallgruber, Schmiedemeister; Karl Simperler, Wirtschaftsbesitzer; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Josef Konrad Strasser (Nr. 24), Gerbermeister
Der Gemeindeausschuss bestand aus insgesamt 21 Personen.

Als Ersatzmänner wurden gewählt: Josef Schmelzer, Wirschaftsbesitzer; Josef Loibl, Wirtschaftsbesitzer; Jakob Kothmaier, Wirtschaftsbesitzer; Michael Hofecker, Wirtschaftsbesitzer; Johann Fally, Wirtschaftsbesitzer; Mathias Neckam, Wirtschaftsbesitzer; Gustav Edhofer, Hausbesitzer; Eduard Schindler, Seifensieder; Josef Dunkl jun., Baumeister

1900-190593
Informationen zum Ausgang der Gemeindeausschusswahl 1900 sind uns lediglich aus einem Bericht im sozialdemokratischen Regionalblatt „Volksbote“ überliefert. Schließlich warb bei dieser Wahl zum ersten Mal auch ein sozialdemokratischer Kandidat im 3. Wahlkörper um Stimmen. Nachdem aufgrund des ungerechten Wahlsystems lediglich drei Arbeiter wahlberechtigt waren, waren die Erfolgsaussichten dieses Antritts naturgemäß überschaubar, aber es handelte sich beim Aufstellen eines Zählkandidaten ohnedies um einen symbolischen Akt. Im 3. Wahlkörper (der damals untersten Wählerklasse) dürften von 700 Wahlberechtigten lediglich etwas mehr als 400 Personen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Die abgegebenen Stimmen verteilten sich wie folgt: auf die Bauernpartei entfielen 250 Stimmen, die Partei der Geschäftsleute erreichte 150 Stimmen und der sozialdemokratische Kandidat erhielt zwölf Stimmen. Die Strategie die Wähler im dritten Wahlkörper wieder mit Freibier und Gratiswürstel zu gewinnen, soll wieder großen Erfolg gebracht haben. Im zweiten und ersten Wahlkörper obsiegten ausschließlich die Kandidaten der „Freund-Partei“ – die seitens der Sozialdemokraten in einem größeren politischen Kontext großteils der Deutschen Volkspartei zugeordnet wurden. Erfolglos blieb die Agitation der Geistlichkeit, die die Bauernpartei massiv unterstützt hatte.94

Bürgermeister: Thomas Freund, Kaufmann
1. Gemeinderat: Franz Koblischek jun., k.k. Postmeister
2. Gemeinderat:
Johann Schwarz, Fruchthändler
3. Gemeinderat: Heinrich Westermayer, Kaufmann
4. Gemeinderat: Jakob Augustin, Wirtschaftsbesitzer
5. Gemeinderat: Dr. Rudolf Schaschetzy, Advokat
6. Gemeinderat: Josef Konrad Strasser, Lederfabrikant
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters an: Josef Dunkl jun., Baumeister; Gustav Edhofer, Bäckermeister; Michael Eibl, Vergoldermeister; Adam Friedrich, Bürgerschullehrer; Matthias Grabler, Wirtschaftsbesitzer; Heinrich Gussenbauer, k.k. Bezirksrichter; Friedrich Hacker, Wirtschaftsbesitzer; Emil Hackl, Kaufmann; Michael Heindl, Bäckermeister; Ignaz Mühl jun., Pinselfabrikant; Leopold Penitschka, Wirtschaftsbesitzer; Felix Roller jun., Weinhändler; Matthias Schamann, Wirtschaftsbesitzer; Martin Waberer, Wirtschaftsbesitzer

Der Mistelbacher Gemeindeausschuss im Jahre 1904 mit dem Gemeindesekretär - sitzend: v. l. n. r.: Ignaz Mühl jun., Josef Konrad Strasser, Franz Koblischek, Bgm. Thomas Freund, Heinrich Westermayr, Dr. Rudolf Schaschetzy, Michael Eibl (?); stehend: v. l. n. r.: Emil Hackl, Jakob Augustin (?), Gustav Edhofer, der spätere Bürgermeister Josef Dunkl, Heinrich Gussenbauer, Gemeindesekretär Alexander Zickl (?), Adam Friedrich, Mathias Grabler, Felix Roller, Michael Heindl, Friedrich Hacker, Martin Waberer, Mathias SchamannBürgermeister Thomas Freund und die Mitglieder des Mistelbacher Gemeindeausschusses mit dem Gemeindesekretär im Jahre 190495
 – sitzend: v. l. n. r.: Ignaz Mühl jun., Josef Konrad Strasser, Franz Koblischek, Bgm. Thomas Freund, Heinrich Westermayr, Dr. Rudolf Schaschetzy, Michael Eibl (?); stehend: v. l. n. r.: Emil Hackl, Jakob Augustin (?), Gustav Edhofer, der spätere Bürgermeister Josef Dunkl, Heinrich Gussenbauer, Gemeindesekretär Alexander Zickl (?), Adam Friedrich, Mathias Grabler, Felix Roller, Michael Heindl, Friedrich Hacker, Martin Waberer, Mathias Schamann

Fototafel der Mitglieder des Gemeindeausschusses für die Periode 1900 bis 1905 - außerdem finden sich darauf auch der Stadtsekretär und der Gemeindeförster abgebildet.Fototafel der Mitglieder des Gemeindeausschusses für die Periode 1900 bis 1905 – außerdem finden sich darauf auch der Stadtsekretär und der Gemeindeförster abgebildet

1905-191196
Bei der Wahl 1905 traten Christlichsoziale und Deutschnationale in einem Wahlbündnis unter der Bezeichnung „Vereinigte Bürgerpartei“ oder „Freund-Partei“ – benannt nach ihrem Spitzenkandidaten – an. Außerdem traten liberale Kandidaten unter Führung des Weinhändlers und Ziegelwerksbesitzers Josef Fritsch jun. an, die als „Fritsch-Partei“  bzw. Wirtschaftspartei bezeichnet wurde, und im (neu geschaffenen) 4. Wahlkörper stellten sich auch sozialdemokratische Kandidaten zur Wahl.97

Im sozialdemokratischen Regionalblatt „Volksbote“ wird berichtet, dass im vierten Wahlkörper von den 599 abgegebenen Stimmen teils bis zu 133 Stimmen auf die sozialdemokratischen Kandidaten entfielen. Aufgrund des damals herrschenden Wahlrechts reichte dies dennoch nicht für ein Mandat. Weiters wurde der „Freund-Partei“ einmal mehr vorgeworfen sich mittels leerer Versprechungen und vor allem durch ausgiebige Trink- und Fressgelage die Stimmen vieler einfältiger Wähler der unteren Wahlkörper erkauft zu haben. Diese und andere unfaire Wahlkampfpraktiken der finanziell potenten „Freund-Partei“ wurden laut den Sozialdemokraten auch von der „Fritsch-Partei“ kritisiert.98

Die Kandidaten der „Vereinigten Bürgerpartei“ setzten sich jedoch klar in allen Wählerklassen durch. Auch Informationen zur Wahlbeteiligung sind überliefert99:
IV. Wahlkörper: von 744 Wahlberechtigten haben 599 gewählt (80,5%);
III. Wahlkörper: von 375 Wahlberechtigten haben 207 gewählt (55%);
II. Wahlkörper 215 abgegebene Stimmen;
I. Wahlkörper: von 230 Wahlberechtigten haben 184 gewählt (80%)

Bürgermeister: Thomas Freund, Kaufmann
1. Gemeinderat: Josef Dunkl jun., Baumeister
2. Gemeinderat:
Josef Konrad Strasser, Lederfabrikant
3. Gemeinderat: Franz Mühl, Pinselfabrikant;
4. Gemeinderat: Jakob Augustin, Wirtschaftsbesitzer
5. Gemeinderat: Felix Roller jun., Weinhändler
6. Gemeinderat: Dr. Max Oberhuber, Rechtsanwalt
7. Gemeinderat: Gustav Edhofer, Bäckermeister
8. Gemeinderat: Michael Heindl, Bäckermeister
9. Gemeinderat: Mathias Grabler, Wirtschaftsbesitzer
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters als Gemeindebeiräte an: Mathias Schaman, Wirtschaftsbesitzer; Ignaz Mühl jun., Pinselfabrikant; Josef Pollak, Handschuhmachermeister; Josef Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Johann Burgmann, Privatier; Georg Pelzlmayer, Wirtschaftsbesitzer; Michael Ullram, Wirtschaftsbesitzer; Johann Pemsel, Kaufmann; Adam Friedrich, Bürgerschullehrer; Michael Eibl, Vergolder; Franz Kothmayer, Wirtschaftsbesitzer; Franz Schallgruber, Schmiedemeister; Johann Kargl, Winzerschuldirektor; Andreas Schreiber jun, Wirtschaftsbesitzer; Martin Waberer, Wirtschaftsbesitzer; Josef Strasser jun. (Nr. 421), Lederfabrikant; Andreas Bacher, Wirtschaftsbesitzer und Emil Hackl, Eisenhändler

Gemäß der Gemeindewahlordnung belief sich die Amtszeit der gewählten Vertreter auf sechs Jahre, allerdings war in Gemeinden bestimmter Größe nach der Hälfte der Amtszeit die Hälfte der Mitglieder des Gemeindeausschusses neu zu wählen. Mistelbach zählte zu diesen Gemeinden und die Gemeindeausschussmitglieder, die ausschieden bzw. sich einer Neuwahl zu stellen hatten wurden per Los bestimmt. Es war aber nicht der gesamte Gemeindeausschuss betroffen, sondern lediglich die in den ersten drei Wahlkörpern gewählten Ausschussmitglieder und auch der Bürgermeister war von dieser Regelung explizit ausgenommen.

Somit kam es 1908 zu den ersten Ergänzungs- bzw. Ersatzwahlen nach der neuen Gemeindewahlordnung. Folgende Mitglieder des Gemeindeausschusses mussten sich aufgrund eines Losentscheids einer neuerlichen Wahl stellen100:
im dritten Wahlkörper: Michael Ulram, Josef Pollak, Michael Heindl, Johann Burgmann
im zweiten Wahlkörper: Johann Pemsel, Johann Kargl, Michael Eibl, Friedrich Adam
im ersten Wahlkörper: Andreas Bacher, Emil Hackl, Franz Mühl, Andreas Schreiber jun.

Die Ersatzwahlen fanden vom 27.-29. August 1908 statt und ein großer Teil der Personen, die bereits 1905 in den Gemeindeausschuss gewählt wurden, wurde im Amt bestätigt. Die neu in den Gemeindeausschuss eingezogenen Kandidaten sind in der nachfolgenden Übersicht der Wahlsieger im Vergleich zu den „wiedergewählten Kandidaten“ durch Fettdruck hervorgehoben. Gewählt wurden:101:
im dritten Wahlkörper: Michael Heindl, Bäckermeister; Johann Burgmann, Realitätenverkehrsanstalt-Inhaber; Josef Pollak, Handschuhmachermeister; Johann Fally, Wirtschaftsbesitzer
im zweiten Wahlkörper: Michael Eibl, Vergolder; Johann Kargl, Winzerschuldirektor; Adam Friedrich, Bürgerschuldirektor; Adolf Schödl sen., Fleischhauer
im ersten Wahlkörper: Franz Mühl, Pinselfabrikant; Andreas Schreiber jun., Wirtschaftsbesitzer; Ignaz Karl, Eisenhändler; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer

Ab dem September 1908 setzte sich der Gemeindeausschuss daher wie folgt zusammen:

Bürgermeister: Thomas Freund, Kaufmann
1. Gemeinderat: Josef Dunkl jun., Baumeister (Deutschfreiheitlich)
2. Gemeinderat:
Josef K. Straßer, Lederfabrikant (Deutschfreiheitlich)
3. Gemeinderat: Franz Mühl, Pinselfabrikant (Christlichsozial)
4. Gemeinderat: Jakob Augustin, Wirtschaftsbesitzer (Deutschfreiheitlich)
5. Gemeinderat: Felix Roller jun., Weinhändler (Deutschfreiheitlich)
6. Gemeinderat: Dr. Max Oberhuber, Rechtsanwalt (Deutschfreiheitlich)
7. Gemeinderat: Gustav Edhofer, Bäckermeister (Christlichsozial)
8. Gemeinderat: Michael Heindl, Bäckermeister (Christlichsozial)
9. Gemeinderat: Mathias Grabler, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial)
Dem Gemeindeausschuss gehörten weiters als Gemeindebeiräte an: Mathias Schaman (Christlichsozial), Ignaz Mühl jun., Pinselfabrikant; Josef Pollak, Handschuhmachermeister und Cafetier; Josef Steininger (Christlichsozial); Johann Burgmann, Realitätenverkehrsanstalt-Inhaber (Deutschfreiheitlich); Georg Pelzlmayer, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Johann Fally, Wirtschaftsbesitzer; Adolf Schödl sen., Fleischhauer (Deutschfreiheitlich?); Adam Friedrich, Bürgerschuldirektor; Michael Eibl, Vergolder (Christlichsozial); Franz Kothmayer, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Franz Schallgruber, Schmiedemeister; Johann Kargl, Winzerschuldirektor; Andreas Schreiber jun., Wirtschaftsbesitzer (Deutschfreiheitlich), Martin Waberer, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Josef Strasser jun. (Nr. 421), Lederfabrikant (Deutschfreiheitlich); Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer; Ignaz Karl, Eisenhändler (Deutschfreiheitlich)

Bei jenen Personen bei denen keine „Partei“ angeführt ist, sind keine Informationen bzw. Indizien für ihre politische Zugehörigkeit überliefert.

1911-1919102
Eine Niederlage für Bürgermeister Freund, der im Zuge des Landtagswahlkampfs 1908 zu den Christlichsozialen gewechselt war, zeichnete sich bereits nach der Reichsratswahl im Juni ab, bei der die Christlichsozialen durch den Sieg des deutschfreiheitlichen (eine der vielen Strömungen bzw. Untergruppierungen der Deutschnationalen) Kandidaten, des pensionierten Eibesthaler Oberlehrers Rudolf Wedra, eine gewaltige Wahlschlappe erlitten. Durch seinen Parteiwechsel bzw. die Geschehnisse rund um seine angebliche „Kompromisskandidatur“ für den Landtag hatte Bürgermeister Freund den Zorn seiner vormaligen, sich nunmehr auch deutschfreiheitlich nennenden, Mistelbacher Gesinnungsgenossen auf sich gezogen und er erkannte, dass auch ihm ein Wahldebakel bei den Ergänzungswahlen zum Gemeindeausschuss im September drohte. Freund trat daher die Flucht nach vorne an und legte sein Amt als Bürgermeister sowie sein Mandat im Gemeindeausschuss am 2. August 1911 nieder. Die Amtsgeschäfte führte daraufhin der 1. Gemeinderat Josef Dunkl jun. weiter.103 Wie bereits bei der Reichsratswahl wurde auch im Vorfeld dieser Wahl eine heftige Agitation entwickelt, die abermals in Aufrufen zum Boykott bestimmter Geschäfte in Mistelbach einen unwürdigen Höhepunkt fand.

Der Gemeindeausschuss von Mistelbach setzte sich aus 28 Mitglieder zusammen, und nachdem sich im Jahre 1908 gemäß der oben bereits erwähnten Hälfteregelung 12 Mitglieder einer Wiederwahl hatten stellen müssen, endete nunmehr die Amtsdauer der restlichen 16 Mandatare, die seit 1905 im Amt waren. Es gelangten bei der Ergänzungswahl 1911 daher 16 Mandate zur Besetzung – vier in jedem der vier Wahlkörper. Tatsächlich sollten die Deutschfreiheitlichen mit zehn von sechzehn Mandaten gegenüber sechs Mandaten für die Christlichsozialen klar als Wahlsieger und damit als die Mehrheitsfraktion im neuen Gemeindeausschuss hervorgehen.

Trotz des hitzigen Wahlkampfs verliefen die mit den Wahlen im 4. Wahlkörper am 12. September 1911 beginnenden Wahlgänge ohne Zwischenfälle. Im 4. Wahlkörper stellten sich Kandidaten der Deutschfreiheitlichen (=Deutschnationalen), die unter dem Namen „Wirtschaftspartei“ antraten, und der Christlichsozialen, sowie mit dem Mistelbacher Arbeiterführer Leopold Kleindesner auch ein Vertreter der Sozialdemokraten der Wahl.  Im vierten Wahlkörper konnten sich mit Josef Dunkl jun., Felix Roller jun. und Johann Kocholl drei Vertreter der Deutschfreiheitlichen sowie der Christlichsoziale Franz Kothmayer durchsetzen, wobei dies letzterem erst durch im Wege einer Stichwahl gelang.

Am 14. September fand die Wahl im dritten Wahlkörper statt und bei schwacher Wahlbeteiligung wurden der Deutschfreiheitliche Josef Strasser jun. (Nr. 421) und die Christlichensozialen Philipp Winter jun., Michael Lang und Mathias Schamann gewählt.

Am 15. September 1911 wurden im zweiten Wahlkörper folgende Personen gewählt: die Deutschfreiheitlichen Othmar Schürer Ritter von Waldheim, Franz Haller und Josef Schmelzer sen. sowie der Christlichsoziale Georg Schacher. In diesem Wahlkörper beteiligten sich 250 Wähler an der Wahl.

Seinen Abschluss fand der Wahlreigen mit dem Wahlgang im ersten Wahlkörper am 16. September 1911, der folgendes Ergebnis zeitigte: die Deutschfreiheitlichen Dr. Fritz Höllrigl, Dr. Max Oberhuber und Josef K. Strasser und der Christlichsoziale Martin Waberer wurden gewählt. 218 Wähler machten in diesem Wahlkörper von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Die Christlichsozialen legten nach dieser Wahlniederlage bei der zuständigen niederösterreichischen Statthalterei Beschwerde gegen den Wahlausgang ein und so kam es, dass die konstituierende Sitzung erst nach Ablehnung des Protests und daher mit einiger Verzögerung am 30. November 1911 erfolgen konnte. Über diesen im Gefolge der Reichsratswahl geschehenen Machtwechsel, der sich im nachfolgendem Ergebnis wiederspiegelt, wurde teils auch in großen Tageszeitungen berichtet. Der neue Bürgermeister wurde mit 27 von 28 Stimmen gewählt und der Gemeindeausschuss setzte sich nunmehr wie folgt zusammen:104

Bürgermeister: Josef Dunkl jun., Baumeister (Deutschfreiheitlich)
1. Gemeinderat: Josef Konrad Strasser, Lederfabrikant (Deutschfreiheitlich)
2. Gemeinderat: Franz Mühl, Pinselfabrikant (Christlichsozial)
3. Gemeinderat: Dr. Max Oberhuber, Rechtsanwalt (Deutschfreiheitlich)
4. Gemeinderat: Andreas Schreiber jun., Wirtschaftsbesitzer (Deutschfreiheitlich)
5. Gemeinderat: Felix Roller jun., Weinhändler (Deutschfreiheitlich)
6. Gemeinderat: Michael Heindl, Bäckermeister (Christlichsozial)
7. Gemeinderat: Ignaz Karl, Eisenhändler (Deutschfreiheitlich)
8. Gemeinderat: Josef Pollak, Handschuhmachermeister und Cafetier (Deutschfreiheitlich?)
9. Gemeinderat: Franz Kothmayer, Nutzviehhändler (Christlichsozial)
weiters gehörten dem Gemeindeausschuss als Gemeindebeiräte an: Johann Kocholl, Steueroberverwalter (Deutschfreiheitlich); Philipp Winter jun., Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Michael Lang, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Mathias Schaman, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Dr. Othmar Schürer Ritter von Waldheim, Notar (Deutschfreiheitlich); Franz Haller, Gastwirt (Deutschfreiheitlich); Georg Schacher, Wirtschaftsbesitzer und Schuhmachermeister (Christlichsozial); Josef Schmelzer sen., Wirtschaftsbesitzer (Deutschfreiheitlich); Dr. Fritz Höllrigl, Krankenhausleiter (Deutschfreiheitlich); Martin Waberer, Wirtschaftsbesitzer (Christlichsozial); Josef Strasser jun. (Nr. 421), Lederfabrikant (Deutschfreiheitlich); Michael Eibl, Vergolder (Christlichsozial); Adolf Schödl sen., Fleischhauermeister (Deutschfreiheitlich?); Johann Burgmann, Realitätenverkehrsanstalt-Inhaber (Deutschfreiheitlich); Johann Fally, Wirtschaftsbesitzer; Adam Friedrich, Bürgerschuldirektor; Johann Kargl, Winzerschuldirektor; Martin Steininger, Wirtschaftsbesitzer;

Bei jenen Personen bei denen keine „Partei“ angeführt ist, sind keine Informationen bzw. Indizien für ihre politische Zugehörigkeit überliefert.

Dr. Othmar Schürer Ritter von Waldheim trat aufgrund von parteiinternen Differenzen bei der Besetzung von lukrativen Posten im Zuge der Sparkassen-Ausschusswahl Anfang des Jahres 1918 aus der „Wirtschaftspartei“ aus, blieb aber weiterhin im Gemeindeausschuss.105. Es darf in diesem Zusammenhang hier nochmals festgehalten werden, dass die „Parteien“ die hier in diesem Beitrag erwähnt werden mit den Parteien unseres heutigen Verständnisses nicht zu verwechseln sind. Früher wurde einzelne Personen gewählt und bei den Parteien handelte es sich lediglich um lose Zusammenschlüsse von Einzelpersonen. Erst mit der Republiksgründung setzte sich das bis heute gebräuchliche Verhältnis- und Listenwahlrecht durch.

Bald nach der Ausrufung der Republik Deutschösterreich legte der Staatsrat Anfang Dezember 1918 in Form einer Vollzugsanweisung fest, dass für den Zeitraum bis zur Durchführung von Neuwahlen die Gemeindeausschüsse von Städten und Industrieorten in aliquotem Ausmaß durch Arbeitervertreter zu ergänzen seien, um sicherzustellen, dass auch die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe vertreten werden. Die Gemeindevertretung war aufgerufen gemeinsam mit der hiesigen Arbeiterschaft geeignete Personen zu nominieren, die dann durch die Bezirkshauptmannschaft zu Mitgliedern des Gemeindeausschusses ernannt werden sollten.106 Der Mistelbacher Gemeindeausschuss bestand zuletzt aus 28 Mitgliedern, nachdem die Bevölkerungsanzahl seit der letzten Wahl im Jahre 1911 jedoch gestiegen war sollte der Gemeindeausschuss nunmehr 30 Mitglieder umfassen. Die Anzahl der in den Gemeindeausschuss aufzunehmenden Arbeitervertreter orientierte sich am Anteil der Arbeiter an der Gemeindebevölkerung und daher war man übereingekommen, dass vier Arbeitervertreter in den Gemeindeausschuss aufzunehmen waren. Nachdem es zwei neue Mandate gab, mussten also zwei bisherige Mitglieder des Gemeindeausschusses ausscheiden. Bereits in der Sitzung vom 21. Dezember 1918 hatte Johann Burgmann auf sein Gemeindeausschussmandat zugunsten eines Arbeitervertreters verzichtet107 und auch Felix Roller jun., der bereits zuvor auf die Stelle als Gemeinderat verzichtet hatte legte am 11. Februar 1919 nunmehr ebenso sein Gemeindeausschussmandat nieder und schuf Platz für den vierten Arbeiterverteter.108 Die Aufnahme von Vertretern der Arbeiterschaft dauerte in Mistelbach vergleichsweise lange und die Zeitspanne zwischen dem ersten und dem zweiten Mandatsverzicht deutet darauf hin, dass um den Verzicht erst gerungen werden musste. Doch nach Rollers freiwilligem Ausscheiden zogen am 11. Februar 1919 schlussendlich vier Vertreter der Arbeiterschaft in den Gemeindeausschuss ein – es handelte sich um: Leopold Böckl, Kondukteur bei der nö. Landesbahn; Leopold Kleindesner, Werkführer; Emil Stix, Bahnmeister der Staatsbahn und Leopold Stubenvoll, Zimmererpolier. Leopold Kleindesner wurde zum Gemeinderat gewählt, die weiteren Arbeitervertreter gehörten dem Gemeindeausschuss als Gemeindebeiräte an.

Mit den ersten Gemeindewahlen mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht endete am 22. Juni 1919 auch die seit 1850 währende Ära des Gemeindeausschusses als Organ der Gemeindevertretung.

Die Fortsetzung folgt im Beitrag „Gemeindevertretung Mistelbach – Teil 2 (1919-1950)“.

Bildnachweis:
-) Foto des Mistelbacher Gemeindeausschusses im Jahre 1904: Das interessante Blatt, 22. Dezember 1904, S. 3 u. S. 6 (ONB-ANNO) (Anm.: Zu den Abgebildeten siehe Fußnote weiter oben)
-) Fototafel der Gemeindevertretung für die Jahre 1900-1905: StadtMuseumsarchiv Mistelbach

Quellen (und Anmerkungen):

Zu dem als Quelle sehr wichtigen Amtskalender ist anzumerken, dass dieser immer bereits im Oktober/November des Vorjahres in Druck gelegt wurde – ein wesentliches Faktum bei der Verwendung dieser Quelle zwecks Rekonstruktion der Amtszeit der Gemeindevertreter.

Bayer, Franz/ Spreitzer, Hans: „Der Mistelbacher Gemeinderat seit der Stadterhebung“ (1964) In: Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Band I, S. 166ff

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Wegert, Josef

Bürgermeister Josef Wegert

* 13.10.1880, Paasdorf
† 9.2.1964, Paasdorf

Josef Wegert wurde 1880 als zweites Kind des Landwirte-Ehepaares Leopold und Theresia (geb. Schmatzberger) Wegert in Paasdorf geboren.109 Er wuchs hier gemeinsam mit zwei Brüdern und einer Schwester auf und erhielt seine Schulbildung zweifellos in der hiesigen Volksschule. Am 31. Mai 1908 schloss er mit der Paasdorfer Landwirtstochter Klara Kuselbauer (1881-1965) den Bund der Ehe110 und nach der Eheschließung bestätigte er der Vater deren knapp sechs Monate zuvor geborenen unehelichen Tochter zu sein und durch diesen Akt wurde der „Makel ihrer unehelichen Geburt“ nachträglich geheilt.111 Es erscheint allerdings fraglich, ob Wegert tatsächlich der leibliche Kindsvater war. Eine uneheliche (=“illegitime“) Geburt war damals in den katholisch-konservativ geprägten Dörfern eine große Schande und sorgte stets für Gerüchte und Spekulationen wer denn der Vater sei. „Illegitime“ Geburten kamen insbesondere unter den ärmeren Schichten der Dorfbevölkerung (Mägde, Knechte, Kleinbauern und Tagelöhnern) häufiger vor, denen es oft schlicht an Geld für eine Hochzeit fehlte oder deren Dienstgeber von einer Heirat (und den damit begründeten Verpflichtungen ihres Personals) nichts wissen wollten. Sowohl die Familie Wegert als auch die Familie Kuselbauer zählten als „Halblehner“ – sie besaßen als Bauern ein halbes Lehen – wohl zur Mittelschicht des Dorfes. Das triftigste Argument, dass an der Vaterschaft Wegerts zweifeln lässt, ist die Tatsache, dass Wegert und seine spätere Gattin die uneheliche Geburt einer gemeinsamen Tochter schlicht durch eine ein paar Monate früher erfolgte Eheschließung abwenden hätten können. Es sind keine Gründe (wie zB Minderjährigkeit etc.) gegeben, die gegen eine frühere Eheschließung gesprochen hätten. Es könnte daher auch so gewesen sein, dass Wegert Klara Kuselbauer ehelichte und sich nachträglich lediglich als Vater ausgab, um sie aus einer gesellschaftlich sehr misslichen Lage zu befreien. Ein solches Vorgehen war durchaus nicht ungewöhnlich und dem Brautwerber wurde für diese Hilfe in der Regel natürlich eine außergewöhnliche Ausstattung bzw. sofern keine anderen anspruchsberechtigten Kinder vorhanden waren auch die Übernahme der Wirtschaft der Schwiegereltern in Aussicht gestellt. Letzteres war bei Wegert – trotz der Tatsache, dass es sich bei ihm „nur“ um den zweitgeborenen Sohn handelte – nicht notwendig und er übernahm die Wirtschaft seiner Eltern an der Adresse Paasdorf Nr. 150 (heute Schwemmzeile Nr. 41). Abgesehen von der bereits erwähnten und nachträglich „legitimierten“ Tochter entstammten der Ehe keine weiteren Kinder.

Dem Dienst in der k. u. k. Armee im Ersten Weltkrieg scheint er entgangen zu sein – vielleicht aufgrund Untauglichkeit, möglicherweise aber auch durch eine der mit Kriegsverlauf zusehends restriktiver werdenden Ausnahmen für Landwirte, deren Arbeitskraft schließlich die Ernährung von Volk und Armee sicherte.112 Nachdem er bereits seit 1914 dem Vorstand der im Jahre 1905 gegründeten Paasdorfer Milchgenossenschaft angehört hatte113, stand Wegert der Genossenschaft von 1917 bis 1922 als Obmann vor.114 Darüber hinaus zählte Wegert 1924 zu den Gründungsmitglieder der Paasdorfer Ortsgruppe des „Deutschen Schulvereins“.115 Beim „Deutschen Schulverein“ handelte es sich um einen sogenannten Schutzverein, die sich Ende des 19. Jahrhunderts gegründet hatten, und deren Ziel die Unterstützung deutscher Minderheiten in den Kronländern bzw. später in den Nachfolgestaaten der Monarchie, sowie generell die Pflege des „Deutschtums“ war. Entsprechend dem Namen war insbesondere der Betrieb bzw. die Erhaltung von Schulen an Standorten an denen es für eine staatliche Schule mit deutscher Unterrichtssprache zu wenige Kinder mit deutscher Muttersprache gab, ein Hauptanliegen. Tatsächlich wurden diese Vereine im Laufe der Jahre jedoch zu bedeutenden Trägern deutsch-völkischer Ideologie und trugen im Zusammenspiel mit anderen nationalistischen Organisationen wesentlich zum vergifteten Klima zwischen den Nationalitäten (insbesondere gegenüber den slawischen Völkern) in den letzten Jahrzehnten der Monarchie bei.

Schon Wegerts Vater war als Ersatzmann bei Gemeindeausschusswahlen Ende des 19. Jahrhunderts gewählt worden, und er selbst engagierte sich nach dem Ersten Weltkrieg in der Gemeindepolitik. Es ist unklar, ob Wegert bereits dem ersten 1919 gewählten Gemeinderat angehörte, da die damalige Gemeindevertretung nur fragmentarisch überliefert ist. Bereits zu Beginn des Jahres 1921 wurde der Paasdorfer Gemeinderat jedoch aus heute nicht mehr bekannten Gründen durch die Landesregierung aufgelöst und somit Neuwahlen angeordnet. Spätestens im Zuge dieser Wahlen gelangte Wegert als Kandidat einer gemeinsamen Liste von Großdeutschen und Sozialdemokraten in den Gemeinderat und diese politische Zweckgemeinschaft konnte sich mit einem Mandat Vorsprung die Mehrheit gegenüber den Christlichsozialen sichern. Wegert, der als Vertreter der Großdeutschen auf dieser Liste stand, wurde schließlich in der konstituierenden Sitzung vom 5. Mai 1921 zum Bürgermeister der Gemeinde Paasdorf gewählt. Bei den nächsten regulären Gemeinderatswahlen 1924 traten die Großdeutschen in Paasdorf dann nicht mehr in Erscheinung und augenscheinlich war man den Aufrufen in christlichsozialen Parteiblättern zwecks Bildung sogenannter „Einheitslisten“ gefolgt und hatte sich dieser Partei angeschlossen. Das Ergebnis der Wahl brachte einen klaren Sieg der Christlichsozialen gegen die Sozialdemokraten und neuerlich wurde Josef Wegert zum Bürgermeister gewählt – nunmehr als Christlichsozialer.116 Bei der Wahl 1929 kam es zu einer Spaltung im bäuerlich-konservativen Lager in Paasdorf und es traten mit der Christlichsozialen Partei und der Mittleren Bauernpartei zwei Wahllisten an, die um die Gunst der Wähler warben. Nach der Wahl bildete sich eine Koalition aus Mittlerer Bauernpartei und Sozialdemokraten und damit endete Wegerts (erste) Amtszeit als Bürgermeister, während der 1922 das Kriegerdenkmal errichtet, eine Genossenschaft für elektrisches Licht gegründet und die Straßenbeleuchtung elektrifiziert wurde. Die finanzielle Lage der Gemeinde war in der Zwischenkriegszeit jedenfalls sehr angespannt und Wegerts Art und Weise der Führung der Gemeindegeschäfte scheint durchaus umstritten gewesen zu sein, wie nicht nur kritische (und teils zweifellos parteipolitisch motivierte) Berichte im sozialdemokratischen Regionalblatt „Volksbote“ belegen, sondern auch durch die durch Neuwahlen und Parteispaltungen gekennzeichneten, unsteten Verhältnisse in Paasdorf erwiesen scheint. Schon wenige Monate nach der Wahl erzwangen die Christlichsozialen durch Rücklegung ihrer Mandate eine Auflösung des Gemeinderats durch die Landesregierung. Die Christlichsozialen errangen bei der folgenden Neuwahl im April 1930 wieder die Mehrheit und auch der Bürgermeister der zuvor für die Mittlere Bauernpartei die Gemeinde geführt hatte, kehrte wieder in den Schoß der Christlichsozialen zurück. Aber Ende des Jahres 1930 bzw. spätestens Anfang des Jahres 1931 endete dessen Amtszeit und Wegert feierte seine Rückkehr an die Spitze der Gemeinde. Von 1931 bis 1936 war Wegert außerdem Obmann des Ausschusses zur Verwaltung des Gemeindewaldes117. Im Zuge des im März 1938 erfolgten sogenannten „Anschlusses“ an das Deutsche Reich wurde Bürgermeister Wegert abgesetzt und der Schlossbesitzer Ing. Richard Claß als Gemeindeverwalter eingesetzt. Nicht in allen Katastralgemeinden der heutigen Großgemeinde Mistelbach kamen es unmittelbar nach dem „Anschluss“ zu einem Wechsel an der Spitze der Gemeindevertretung. Zum einen waren die Bürgermeister als Autorität in der Dorfgemeinschaft angesehen, und trotz Parteiangehörigkeit mit der überregionalen Politik oftmals nur lose verbunden – außerdem fehlte es den Nazis schlicht an eigenen Leuten in den Dörfern. Im Falle Paasdorfs ist es also nicht ganz klar, ob Wegert – der (ursprünglich) selbst großdeutsch gesinnt war – abgesetzt wurde, weil sich zu einem so prononcierten Vertreter der Christlichsozialen bzw. der Vaterländischen Front entwickelt hatte, sodass er für die Nazis als Symbol der Dollfuß-/Schuschnigg-Ära untragbar war oder weil es in Paasdorf in Person des Schloss- und Gutsbesitzers Ing. Claß einen wohl bereits langjährigen Anhänger der Nationalsozialisten gab, auf den man zurückgreifen konnte. Von etwaigen Repressalien gegenüber Wegert ist jedenfalls nichts überliefert.

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurde Wegert auf Vorschlag der neugegründeten ÖVP von der niederösterreichischen Landesregierung in den provisorischen Gemeinderat berufen. Hier wurde er dann schließlich neuerlich zum Bürgermeister gewählt und aus Gemeinderatsprotokollen ist belegt, dass er dieses Amt jedenfalls bereits im September 1945 wieder bekleidete. Die großen Herausforderungen der schweren Nachkriegszeit zehrten an seinen Kräften und im Frühjahr 1948 legte Wegert sein Amt als Bürgermeister aus Altersgründen zurück, blieb allerdings weiterhin als Mandatar im provisorischen Gemeinderat und zwar bis zum Jahr 1950, als erstmals in Niederösterreich wieder Gemeinderatswahlen abgehalten wurden. Im Amt als Bürgermeister folgte ihm Josef Heinisch, der mit einer Nichte Wegerts verheiratet war. Dass ein Altbürgermeister später nochmals Bürgermeister wird, war früher keineswegs unüblich und ist auch aus anderen Katastralgemeinden überliefert. Drei voneinander getrennte Amtsperioden, wie sie Wegert vorweisen konnte, sind jedoch außergewöhnlich und ein Paasdorfer Spezifikum, dass aufgrund der weiterhin unsteten politischen Verhältnisse übrigens auch sein Nachfolger Heinisch zuwege brachte. In diesem Zusammenhang sei auf die ausführliche Darstellung im Beitrag Gemeindevertretung Paasdorf (1850-1971) verwiesen. Wegert war nicht nur Mitglied, sondern auch Funktionär des Niederösterreichischen Bauernbundes, der in der Zwischenkriegszeit eine Teilorganisation der Christlichsozialen Partei war bzw. seit 1945 Teil der Österreichischen Volkspartei ist.118

Laut einem Nachruf pflegte Wegert seinen Weingarten bis ins hohe Alter und diese Arbeit hielt ihn fit. Darüber hinaus wird er als vorbildlicher Landwirt gerühmt. Über Jahrzehnte hinweg und bis zu seinem 75. Lebensjahr war er in der Kirchenmusik aktiv, zuletzt als Geigenspieler bzw. früher auch als Bläser.119

Anlässlich des Jubiläums der Goldenen Hochzeit, das er mit seiner Gattin im Jahre 1958 feierte, wurde Altbürgermeister Wegert durch den Gemeinderat zum Ehrenbürger Paasdorfs ernannt.120 Am 9. Februar 1964 verstarb Josef Wegert im Alter von 83 Jahren und wurde drei Tage später am Aschermittwoch unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Paasdorfer Friedhof zur letzten Ruhe gebettet.

Im Zuge der Einführung offizieller Straßenbezeichnungen in der Katastralgemeinde Paasdorf beschloss der Mistelbacher Gemeinderat am 26. März 1998 die Hintausstraße zur Schloßzeile „Josef Wegert-Straße“ zu benennen, um somit dem langjährigen Bürgermeister ein bleibendes Andenken zu bewahren.

Wo befindet sich die Josef Wegert-Straße (Paasdorf)?

 

Quellen:

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Adolf Schärf-Straße

Als 2009 unterhalb der Dr. Körner-Straße ein neues Siedlungsgebiet geschaffen wurde, beschloss der Mistelbacher Gemeinderat die dort zu errichtenden Straßen nach Ehrenbürgern der Stadt Mistelbach zu benennen. Unter den Namenspaten befand sich auch Dr. Adolf Schärf (1890-1965), der von 1957 bis zu seinem Tod 1965 Bundespräsident der Republik Österreich war. Der im südmährischen Nikolsburg geborene Jurist war von 1918 bis 1934 Sekretär des sozialdemokratischen Abgeordnetenklubs im Nationalrat, ehe seine politische Karriere mit der Abschaffung der Demokratie und dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei durch Dollfuß jäh beendet wurde. Nach 1945 gehörte er den Konzentrationsregierungen der unmittelbaren Nachkriegszeit bzw. den darauffolgenden Regierungskoalitionen zwischen ÖVP und SPÖ als Vizekanzler an. Wie übrigens der Beitrag Ergebnisse der Bundespräsidentenwahlen in Mistelbach zeigt konnte sich Dr. Schärf bei der Wahl 1957 von allen damals selbständigen und heute zur Großgemeinde Mistelbach gehörenden Katastralgemeinden lediglich in Ebendorf, Frättingsdorf und Lanzendorf (mit absoluter Mehrheit) als Sieger durchsetzen. Bei seiner Wiederwahl im Jahr 1963 gelang ihm dies in Lanzendorf, Mistelbach und Paasdorf. Dass Schärf (wenn auch knapp) in Mistelbach obsiegte ist insofern außergewöhnlich, als es bis heute das einzige Mal darstellt, dass sich hier ein SPÖ-Kandidat bei gleichzeitigem Antritt eines Konkurrenten aus der ÖVP (damals immerhin der Staatsvertragskanzler Julius Raab) gegen diesen durchzusetzen vermochte.

Das  „90 Jahr-Jubiläum der Stadterhebung“ wurde 1964 im Rahmen der 3. Mistelbacher Heimatwoche gefeiert und aus diesem Anlass waren am 13. Juni 1964 Bundespräsident Schärf und Landeshauptmann Figl als Ehrengäste in Mistelbach anwesend. Nachdem der Beschluss über die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an die beiden verdienten Politiker bereits am 8. Mai 1964 erfolgt war, wurden ihnen im Rahmen einer Festsitzung des Gemeinderates im (Kino-)Saal des Gasthauses „Zur goldenen Krone“  die Ehrenbürgerurkunden überreicht.121

1964: Feierlichkeiten zu "90 Jahre Stadterhebung" - v.l.n.r. die Festgäste Bundespräsident Schärf und Landeshauptmann Figl sowie Bürgermeister Bayer. Ort dieser Aufnahme ist die Oberhoferstraße.1964: Feierlichkeiten zu „90 Jahre Stadterhebung“ – v.l.n.r. die Festgäste Bundespräsident Schärf und Landeshauptmann Figl sowie Bürgermeister Bayer. Ort dieser Aufnahme ist die Oberhoferstraße.

Bereits für das Jahr 1947 ist (erstmalig?) ein Besuch des damaligen Vizekanzlers Dr. Schärf bei einer SPÖ-Bezirkskonferenz in Mistelbach belegt.122

Wie schon eingangs erwähnt beschloss der Mistelbacher Gemeinderat am 25. März 2009 einer Straße den Namen Adolf Schärf-Straße zu geben.123

Wo befindet sich die Adolf Schärf-Straße?

 

Bildnachweis:
-) StadtMuseumsarchiv Mistelbach

Quellen:

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Ein Brauhaus in Mistelbach (… und wohl kein Brauhaus in Ebendorf)

Obwohl inmitten einer Weinbaugegend gelegen und trotz der Tatsache, dass der Weinbau auch in Mistelbach einst einen bedeutenden Wirtschaftszweig darstellte, wurde Bier, seitdem dieses Getränk in unseren Breiten bekannt war, zu allen Zeiten auch in Mistelbach konsumiert. Die Weinbauern waren darüber naturgemäß wenig erfreut, und wurden nicht müde die Vorzüge ihres Produkts gegenüber dem abschätzig als „gesottenes Wasser“ bezeichneten Bier herauszustreichen. Aufgrund des niedrigeren Preises im Vergleich zu Wein war dieses Getränk dennoch sehr beliebt.

Laut einem Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung von Mistelbach verfasst von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Koch war es im Mittelalter allen Hausbesitzern gestattet Bier herzustellen und zu verkaufen. Die Herrschaften schränkten dieses Recht jedoch zusehends ein, sodass schließlich nur mehr sie selbst Bier brauen durften und auch der Ausschank durfte nur in bestimmten Schenkhäusern erfolgen. Unter Bier verstand man in unserer Gegend damals ausschließlich Weizenbier, da Gerste hier früher kaum angebaut wurde und sich diese Feldfrucht erst ab dem 18. Jahrhundert etablierte. Die Marktgemeinde Mistelbach (ohne die selbstständige Pfarrholdengemeinde) war nach dem Aussterben der Herren von Mistelbach über Umwege in den Besitz der Liechtensteiner gekommen, und deren Herrschafts- und Verwaltungszentrum für das östliche Weinviertel befand sich in Wilfersdorf. Daher bezog Mistelbach sein Bier aus den liechtensteinischen Brauhäusern in Wilfersdorf und Hohenau, sowie von den Brauereien der Herrschaften Asparn a.d. Zaya und Ernstbrunn. Da das Asparner Bier sehr beliebt war, hatte die Asparner Herrschaft in Mistelbach jedenfalls Anfang des 18. Jahrhunderts sogar einen Keller als Bierdepot angemietet. Natürlich musste für dieses Privileg ein Entgelt an die Liechtensteiner Herrschaftsverwaltung entrichtet werden und auch die Herrschaft Ernstbrunn soll in Mistelbach über ein Bierlager verfügt haben. Oftmals waren die Schenkhäuser bzw. Gemeinden zur Abnahme des Bieres ihrer Herrschaft verpflichtet – diese Pflicht wurde „Bierfürlegen“ genannt. Der liechteinsteinische Markt Mistelbach war etwa 1637 verpflichtet der Brauerei Wilfersdorf wöchentlich 16 Eimer Bier – ein Eimer sind rund 57 Liter – abzunehmen. Da die Qualität des Wilfersdorfer Bieres regelmäßig zu wünschen übrig ließ, wurde seitens der Bevölkerung trotz des Preisvorteils oft der Wein bevorzugt.124 Mistelbach war bis 1850 in zwei Gemeinden geteilt, den liechtensteinischen Markt und die Pfarrholdengemeinde (ursprünglich kaiserlicher Besitz), und in beiden Gemeinden soll je ein Bierhaus bestanden haben.

Obwohl Mistelbach wie bereits geschildert seit Ende des 14. Jahrhunderts kein Herrschaftssitz mehr war, ist erstaunlicherweise später und zwar zu Beginn des 17. Jahrhunderts dennoch die Existenz eines Brauhauses belegt. Prof. Hans Spreitzer fand in einem alten Grundbuch den Hinweis, dass sich ein Brauhaus einst an der Adresse Waldstraße Nr. 23 (Konskr.Nr. 206) befunden hat. Es handelt sich hierbei um ein Eckhaus im Kreuzungsbereich Waldstraße/Mitterhofstraße, das rückwärtig an die Mistel angrenzt. Als damaliger Besitzer scheint der zeitweilige Marktrichter Vinzenz Präß, von Beruf Fleischhauer und einer der reichsten Mistelbacher Ende des 16. bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts, auf. Ein Teil von Präß‘ Reichtum und Grundbesitz bildete übrigens die Basis für den Wohlstand der Familie Devenne, da der Begründer der „Mistelbacher Linie“ dieser Familie, Michael Devenne, eine Urenkelin von Präß heiratete. Es ist unklar wie lange das Brauhaus existierte, vielleicht stand das damals nach wie vor sehr exklusive Braurecht in Zusammenhang mit dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Mitterhof (heute: MAMUZ), einem alten Freihof, dessen historische Wurzeln in die Zeit der Gründung Mistelbachs zurückreichen. Gegen eine derartige Verbindung (die bei Spreitzer und Koch erstaunlicherweise nicht einmal angedacht wird) spricht, dass ein Brauhaus in den zum Mitterhof überlieferten Dokumenten nie Erwähnung findet. Aber auch sonst gibt es kaum Spuren des Mistelbacher Brauhauses, was für eine eher kurze Bestandsdauer sprechen dürfte. Das Brauhaus scheint um 1620 abgekommen zu sein und an seiner Stelle wurden zwei halbe Hofstätten gestiftet, die später zu einer Hofstatt vereinigt wurden.125 Im 18. und 19. Jahrhundert existierten in weiteren umliegenden Orten, bspw. Ladendorf, Poysdorf und Zistersdorf Brauhäuser, sodass für eine Wiedererstehung des Mistelbacher Brauhauses wohl kein Bedarf bestand.

Laut Franz Thiel und Fritz Bollhammer finden sich jedoch bereits in den Jahren 1361 bzw. 1414 Erwähnungen von Hopfengärten in Mistelbach und Bollhammer mutmaßt, dass es wohl schon vor 1400 Brauhäuser in Mistelbach, Laa a.d. Thaya und Hohenau gegeben habe.126 Für diesen gewagten Schluss finden sich allerdings keine weiteren Anhaltspunkte.

In den 1890er Jahren, sicherlich befeuert durch den großen wirtschaftlichen Aufschwung Mistelbachs, hegten „einige maßgebende Personen der Stadt“ Gedanken betreffend die Gründung einer Brauerei in Mistelbach. Nachdem diese Idee bereits seit einigen Jahre gewälzt wurde, fanden sich schließlich am 4. Dezember 1897 dreiundreißig Personen zu einer Versammlung im Hotel Rathaus ein, um über die Möglichkeit der Errichtung eines Brauhauses zu beraten. Es wurde beschlossen einen Fonds zu bilden, aus dem die Kosten für die Vorarbeiten zu diesem Unterfangen beglichen werden sollten. Außerdem wurde beschlossen Untersuchungen bzgl. der Quantität und Qualität des verfügbaren Wassers durchführen zu lassen, die natürlich eine bedeutende Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Unternehmens darstellten. Es muss angenommen werden, dass die Ergebnisse dieser Analysen nicht vielversprechend waren, denn von der Absicht in Mistelbach ein Brauhaus zu errichten war in der Folge nie wieder zu lesen.127

In Bollhammers Beitrag über Handwerk und Innungen im Heimatbuch des Verwaltungsbezirks Mistelbach – Band II findet sich die Information, dass zur Ebendorfer Herrschaft einst auch eine Schlossbrauerei gehört haben soll, die allerdings lediglich lokale Bedeutung gehabt hätte. Diese soll vor 1645, als durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg auch Schloss Ebendorf und das zugehörige Gut schwer beschädigt und verwüstet wurde, bestanden haben.128 Wohl bezugnehmend auf diese Quelle findet sich der Hinweis auf die Schlossbrauerei Ebendorf auch im von Engelbert Exl herausgegebenen Buch „Mistelbach 125 Jahre Stadt – Ein Lesebuch“ aus dem Jahr 1999.129 Auf welche Quellen sich Bollhammer bei seinen Ausführungen stützte ist wie auch betreffend den oben bereits erwähnten Hopfengarten im 14. Jahrhundert leider unbekannt. Die Authentizität dieser Information darf allerdings insofern angezweifelt werden, als im 1971 erschienenen Werk von Univ.-Prof. Dr. Herbert Mitscha-Märheim zur Herrschafts- und Ortsgeschichte von Ebendorf („Eine kleine Geschichte von Ebendorf bei Mistelbach“) eine Brauerei mit keinem Wort erwähnt wird. Mitscha-Märheim, der selbst aus der Familie entstammt in deren Besitz sich das Schloss Ebendorf samt seiner Güter seit vielen Jahren befand, kannte wie kein anderer die Geschichte dieser Herrschaft und der einst hier existierenden Betriebe. Mit den Vorarbeiten für sein ursprünglich viel umfangreicher geplantes Buch zu Ebendorf hatte er bereits in der Zwischenkriegszeit begonnen, doch im Krieg gingen viele historische Unterlagen und ein großer Teil seiner Vorarbeiten unwiederbringlich verloren. Trotz dieser Widrigkeiten erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass der äußerst gewissenhafte Forscher Mitscha-Märheim ausgerechnet auf die Erwähnung der Brauerei vergessen hätte oder ihm diese bei seinen Recherchen entgangen wäre, zumal er auch detailliert die durch die Schweden angerichteten Zerstörungen beschreibt. Ohne Zweifel war ihm auch der 1959 erschienene zweite Band des Heimatbuchs und damit auch Bollhammers Beitrag bekannt, und die Tatsache, dass er die darin enthaltene, bisher nirgends sonst aufscheinende Erkenntnis betreffend eine Schlossbrauerei in Ebendorf nicht aufgriff, kann wohl dahingehend gedeutet werden, dass auch Mitscha-Märheim dieser Information keinen Glauben schenkte.

Auch in den sonstigen Katastralgemeinden der Großgemeinde Mistelbach dürften keine weiteren Brauhäuser existiert haben.

Quellen:
-) Thiel, Franz: „Unsere Brauhäuser“ In: „Heimat im Weinland – Heimatkundliches Beiblatt zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach“, Band X (1963), S. 169-172
-) Brautopo – Österreichische historische Brauereitopographie (besonderer Dank an Herrn Springer für die Auskunft bzgl. der Quelle betreffend die (vermeintliche) Schlossbrauerei Ebendorf)  

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