Ein Brauhaus in Mistelbach (… und wohl kein Brauhaus in Ebendorf)

Obwohl inmitten einer Weinbaugegend gelegen und trotz der Tatsache, dass der Weinbau auch in Mistelbach einst einen bedeutenden Wirtschaftszweig darstellte, wurde Bier, seitdem dieses Getränk in unseren Breiten bekannt war, zu allen Zeiten auch in Mistelbach konsumiert. Die Weinbauern waren darüber naturgemäß wenig erfreut, und wurden nicht müde die Vorzüge ihres Produkts gegenüber dem abschätzig als „gesottenes Wasser“ bezeichneten Bier herauszustreichen. Aufgrund des niedrigeren Preises im Vergleich zu Wein war dieses Getränk dennoch sehr beliebt.

Laut einem Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung von Mistelbach verfasst von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Koch war es im Mittelalter allen Hausbesitzern gestattet Bier herzustellen und zu verkaufen. Die Herrschaften schränkten dieses Recht jedoch zusehends ein, sodass schließlich nur mehr sie selbst Bier brauen durften und auch der Ausschank durfte nur in bestimmten Schenkhäusern erfolgen. Unter Bier verstand man in unserer Gegend damals ausschließlich Weizenbier, da Gerste hier früher kaum angebaut wurde und sich diese Feldfrucht erst ab dem 18. Jahrhundert etablierte. Die Marktgemeinde Mistelbach (ohne die selbstständige Pfarrholdengemeinde) war nach dem Aussterben der Herren von Mistelbach über Umwege in den Besitz der Liechtensteiner gekommen, und deren Herrschafts- und Verwaltungszentrum für das östliche Weinviertel befand sich in Wilfersdorf. Daher bezog Mistelbach sein Bier aus den liechtensteinischen Brauhäusern in Wilfersdorf und Hohenau, sowie von den Brauereien der Herrschaften Asparn a.d. Zaya und Ernstbrunn. Da das Asparner Bier sehr beliebt war, hatte die Asparner Herrschaft in Mistelbach jedenfalls Anfang des 18. Jahrhunderts sogar einen Keller als Bierdepot angemietet. Natürlich musste für dieses Privileg ein Entgelt an die Liechtensteiner Herrschaftsverwaltung entrichtet werden und auch die Herrschaft Ernstbrunn soll in Mistelbach über ein Bierlager verfügt haben. Oftmals waren die Schenkhäuser bzw. Gemeinden zur Abnahme des Bieres ihrer Herrschaft verpflichtet – diese Pflicht wurde „Bierfürlegen“ genannt. Der liechteinsteinische Markt Mistelbach war etwa 1637 verpflichtet der Brauerei Wilfersdorf wöchentlich 16 Eimer Bier – ein Eimer sind rund 57 Liter – abzunehmen. Da die Qualität des Wilfersdorfer Bieres regelmäßig zu wünschen übrig ließ, wurde seitens der Bevölkerung trotz des Preisvorteils oft der Wein bevorzugt.1 Mistelbach war bis 1850 in zwei Gemeinden geteilt, den liechtensteinischen Markt und die Pfarrholdengemeinde (ursprünglich kaiserlicher Besitz), und in beiden Gemeinden soll je ein Bierhaus bestanden haben.

Obwohl Mistelbach wie bereits geschildert seit Ende des 14. Jahrhunderts kein Herrschaftssitz mehr war, ist erstaunlicherweise später und zwar zu Beginn des 17. Jahrhunderts dennoch die Existenz eines Brauhauses belegt. Prof. Hans Spreitzer fand in einem alten Grundbuch den Hinweis, dass sich ein Brauhaus einst an der Adresse Waldstraße Nr. 23 (Konskr.Nr. 206) befunden hat. Es handelt sich hierbei um ein Eckhaus im Kreuzungsbereich Waldstraße/Mitterhofstraße, das rückwärtig an die Mistel angrenzt. Als damaliger Besitzer scheint der zeitweilige Marktrichter Vinzenz Präß, von Beruf Fleischhauer und einer der reichsten Mistelbacher Ende des 16. bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts, auf. Ein Teil von Präß‘ Reichtum und Grundbesitz bildete übrigens die Basis für den Wohlstand der Familie Devenne, da der Begründer der „Mistelbacher Linie“ dieser Familie, Michael Devenne, eine Urenkelin von Präß heiratete. Es ist unklar wie lange das Brauhaus existierte, vielleicht stand das damals nach wie vor sehr exklusive Braurecht in Zusammenhang mit dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Mitterhof (heute: MAMUZ), einem alten Freihof, dessen historische Wurzeln in die Zeit der Gründung Mistelbachs zurückreichen. Gegen eine derartige Verbindung (die bei Spreitzer und Koch erstaunlicherweise nicht einmal angedacht wird) spricht, dass ein Brauhaus in den zum Mitterhof überlieferten Dokumenten nie Erwähnung findet. Aber auch sonst gibt es kaum Spuren des Mistelbacher Brauhauses, was für eine eher kurze Bestandsdauer sprechen dürfte. Das Brauhaus scheint um 1620 abgekommen zu sein und an seiner Stelle wurden zwei halbe Hofstätten gestiftet, die später zu einer Hofstatt vereinigt wurden.2 Im 18. und 19. Jahrhundert existierten in weiteren umliegenden Orten, bspw. Ladendorf, Poysdorf und Zistersdorf Brauhäuser, sodass für eine Wiedererstehung des Mistelbacher Brauhauses wohl kein Bedarf bestand.

Laut Franz Thiel und Fritz Bollhammer finden sich jedoch bereits in den Jahren 1361 bzw. 1414 Erwähnungen von Hopfengärten in Mistelbach und Bollhammer mutmaßt, dass es wohl schon vor 1400 Brauhäuser in Mistelbach, Laa a.d. Thaya und Hohenau gegeben habe.3 Für diesen gewagten Schluss finden sich allerdings keine weiteren Anhaltspunkte.

In den 1890er Jahren, sicherlich befeuert durch den großen wirtschaftlichen Aufschwung Mistelbachs, hegten „einige maßgebende Personen der Stadt“ Gedanken betreffend die Gründung einer Brauerei in Mistelbach. Nachdem diese Idee bereits seit einigen Jahre gewälzt wurde, fanden sich schließlich am 4. Dezember 1897 dreiundreißig Personen zu einer Versammlung im Hotel Rathaus ein, um über die Möglichkeit der Errichtung eines Brauhauses zu beraten. Es wurde beschlossen einen Fonds zu bilden, aus dem die Kosten für die Vorarbeiten zu diesem Unterfangen beglichen werden sollten. Außerdem wurde beschlossen Untersuchungen bzgl. der Quantität und Qualität des verfügbaren Wassers durchführen zu lassen, die natürlich eine bedeutende Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Unternehmens darstellten. Es muss angenommen werden, dass die Ergebnisse dieser Analysen nicht vielversprechend waren, denn von der Absicht in Mistelbach ein Brauhaus zu errichten war in der Folge nie wieder zu lesen.4

In Bollhammers Beitrag über Handwerk und Innungen im Heimatbuch des Verwaltungsbezirks Mistelbach – Band II findet sich die Information, dass zur Ebendorfer Herrschaft einst auch eine Schlossbrauerei gehört haben soll, die allerdings lediglich lokale Bedeutung gehabt hätte. Diese soll vor 1645, als durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg auch Schloss Ebendorf und das zugehörige Gut schwer beschädigt und verwüstet wurde, bestanden haben.5 Wohl bezugnehmend auf diese Quelle findet sich der Hinweis auf die Schlossbrauerei Ebendorf auch im von Engelbert Exl herausgegebenen Buch „Mistelbach 125 Jahre Stadt – Ein Lesebuch“ aus dem Jahr 1999.6 Auf welche Quellen sich Bollhammer bei seinen Ausführungen stützte ist wie auch betreffend den oben bereits erwähnten Hopfengarten im 14. Jahrhundert leider unbekannt. Die Authentizität dieser Information darf allerdings insofern angezweifelt werden, als im 1971 erschienenen Werk von Univ.-Prof. Dr. Herbert Mitscha-Märheim zur Herrschafts- und Ortsgeschichte von Ebendorf („Eine kleine Geschichte von Ebendorf bei Mistelbach“) eine Brauerei mit keinem Wort erwähnt wird. Mitscha-Märheim, der selbst aus der Familie entstammt in deren Besitz sich das Schloss Ebendorf samt seiner Güter seit vielen Jahren befand, kannte wie kein anderer die Geschichte dieser Herrschaft und der einst hier existierenden Betriebe. Mit den Vorarbeiten für sein ursprünglich viel umfangreicher geplantes Buch zu Ebendorf hatte er bereits in der Zwischenkriegszeit begonnen, doch im Krieg gingen viele historische Unterlagen und ein großer Teil seiner Vorarbeiten unwiederbringlich verloren. Trotz dieser Widrigkeiten erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass der äußerst gewissenhafte Forscher Mitscha-Märheim ausgerechnet auf die Erwähnung der Brauerei vergessen hätte oder ihm diese bei seinen Recherchen entgangen wäre, zumal er auch detailliert die durch die Schweden angerichteten Zerstörungen beschreibt. Ohne Zweifel war ihm auch der 1959 erschienene zweite Band des Heimatbuchs und damit auch Bollhammers Beitrag bekannt, und die Tatsache, dass er die darin enthaltene, bisher nirgends sonst aufscheinende Erkenntnis betreffend eine Schlossbrauerei in Ebendorf nicht aufgriff, kann wohl dahingehend gedeutet werden, dass auch Mitscha-Märheim dieser Information keinen Glauben schenkte.

Auch in den sonstigen Katastralgemeinden der Großgemeinde Mistelbach dürften keine weiteren Brauhäuser existiert haben.

Quellen:
-) Thiel, Franz: „Unsere Brauhäuser“ In: „Heimat im Weinland – Heimatkundliches Beiblatt zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach“, Band X (1963), S. 169-172
-) Brautopo – Österreichische historische Brauereitopographie (besonderer Dank an Herrn Springer für die Auskunft bzgl. der Quelle betreffend die (vermeintliche) Schlossbrauerei Ebendorf)  

  1. Koch, Univ.-Prof. Dr. Bernhard: „Die wirtschaftliche Entwicklung Mistelbachs (bis ins 18. Jahrhundert)“ In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof.  Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 276
  2. Spreitzer, Prof. Hans: „Von den Häusern, Straßen, Gassen und Plätzen Mistelbachs“ In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof.  Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 228;
    Koch, Univ.-Prof. Dr. Bernhard: „Die wirtschaftliche Entwicklung Mistelbachs (bis ins 18. Jahrhundert)“ In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof.  Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 278;
  3. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (Hrsg.): Heimatbuch des Verwaltungsbezirks Mistelbach, Band II (1959), S. 141;
    Thiel, Franz: „Unsere Brauhäuser“ In: „Heimat im Weinland – Heimatkundliches Beiblatt zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach„, Band X (1963), S. 169
  4. Bote aus Mistelbach, Nr. 24/1897, S. 6
  5. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (Hrsg.): Heimatbuch des Verwaltungsbezirks Mistelbach, Band II (1959), S. 141
  6. Exl, Engelbert (Hrsg.): Mistelbach 125 Jahre Stadt – Ein Lesebuch (1999), S. 180
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