Am 5. November 1978 fand in Österreich die „Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernenergie“ statt, bekanntermaßen jedoch erst nach der Fertigstellung des Kernkraftwerks Zwentendorf – dem ersten von mehreren geplanten Kraftwerken. Bei dieser Abstimmung ging es jedoch nicht nur um die Nutzung von Kernenergie, sondern die Abstimmung war zum (Partei-)Politikum geworden, als der damals mit absoluter Mehrheit regierende sozialistische Bundeskanzler Kreisky in Verkennung der Stimmung in der Bevölkerung sein politisches Schicksal mit dem positiven Ausgang dieser Abstimmung verknüpft hatte. Die ÖVP, die dieser Form der Energiegewinnung grundsätzlich sehr wohlwollend gegenüberstand, vollzog, nachdem während ihrer Alleinregierung in den 1960er Jahren das österreichische Atomprogramm und der Bau des Kraftwerks beschlossen worden waren, eine programmatische Kehrtwende mit dem Ziel die sich bietende Chance Kreisky loszuwerden zu nutzen. Eine im Gesamtergebnis knappe Mehrheit von 50,5% stimmte schließlich gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf, doch aufgrund des engen Ergebnisses wollte Kreisky von dem für den Fall einer Niederlage angekündigten Rücktritt nun nichts mehr wissen und blieb weitere Jahre im Amt. Das Kernkraftwerk wurde noch über viele Jahre in konservierendem Betrieb geführt, um im Falle einer Änderung der (politischen) Stimmungslage doch noch eine Inbetriebnahme zu ermöglichen, aber dazu kam es nicht und Zwentendorf gilt heute nicht nur in Österreich, sondern weltweit als Kuriosum der Nukleargeschichte und einziges Kernkraftwerk der Welt, dass nie auch nur ein Watt an Strom erzeugte.
Bei dieser ersten Volksabstimmung in der Geschichte der Zweiten Republik – übrigens dem einzigen in der österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen direktdemokratischen Instrument, dessen Ergebnis im Gegensatz zu Volksbefragung und -begehren bindende Wirkung entfaltet – waren in der Großgemeinde Mistelbach 7000 Personen stimmberechtigt und von diesen haben 4749 (Wahlbeteiligung: 67,8%) ihr Stimmrecht ausgeübt. Die 4532 gültig abgegebenen Stimmen verteilten sich wie folgt:
JA-Stimmen: 2263 (49,93%)
NEIN-Stimmen: 2269 (50,07%)
Das Ergebnis in Mistelbach war somit noch knapper als das bundesweite Votum und die Nein-Stimmen obsiegten hier mit einem hauchdünnen Vorsprung von lediglich sechs Stimmen. Interessant ist, dass Mistelbach, das ansonsten bei Landtags- bzw. Bundeswahlen verlässlich ein Spiegelbild des Ergebnisses des schwarzen Kernlands Niederösterreich abgibt, bei dieser Abstimmung vom Landestrend abwich. Niederösterreichweit stimmte eine Mehrheit von 50,8% für „JA“ und damit gegen die (geänderte) ÖVP-Parteilinie.
Quelle:
-) Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 208 (Dezember 1978), S. 7