Franz Josef-Straße

Während sie im oberen Teil, als Hintausstraße der Bauernhöfe in der Oberhoferstraße, schon von alters her auch auf der linken Straßenseite zahlreiche Stadel und Keller aufwies, war diese Seite im südlichen Bereich, auf Höhe des Hauptplatzes, gegen Mitte bzw. Ende des 19. Jahrhunderts noch weitgehend unverbaut. Es handelt sich also um eine vergleichsweise junge, zu anfangs eher unbedeutende Straße.1

Die ehemalige Schießstätte der Schützenvereinigung befand sich auf dem Gelände des heutigen Stadtparks und erstreckte sich einst über die Bahnlinie hinaus. Durch den 1869 erfolgten Bau der k. k. Staatseisenbahn wurde das weitläufige Areal durchtrennt und der unterhalb der Bahnstrecke gelegene Teil wurde später zum Stadtpark umgewandelt bzw. teilweise als Gastgarten durch das Hotel Rathaus (heute: Erste Bank) genutzt. Demgemäß wurde die zum Stadtpark führende Straße zunächst als „Parkstraße“ bezeichnet, ehe sie 1898, als in Mistelbach die Einführung der Straßennamen als Adressbezeichnung erfolgte, den Namen „Kaiser Franz Joseph-Straße“ erhielt. Die Benennung nach Kaiser Franz Joseph I., war eine besondere Huldigung aus Anlass seines im Jahr der Namensgebung gefeierten 50-jährigen Regierungsjubiläums.2

Die Franz Josef-Straße zu Beginn des 20. JahrhundertsDie Franz Josef-Straße zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Seit dem gescheiterten Putschversuch der Nationalsozialisten in München am 9. November 1923, gedachten die Nazis jedes Jahr ihrer sogenannten Blutzeugen, in einem propagandistisch groß inszenierten Totenkult. Ganz in diesem Sinne und angeregt durch das wenige Tage vorher erfolgte tödliche Attentat auf Ernst vom Rath wurden im Rahmen einer Großkundgebung im November 1938, gemäß Beschluss des vom NS-Regime eingesetzten Gemeindeverwalters Adolf Schödl, drei Mistelbacher Straßen nach zu Märtyrer hochstilisierten toten Nationalsozialisten benannt. Die Kaiser Franz Josef-Straße erhielt den Namen „Wilhelm Gustloff-Straße“, und zeitgleich kam es zu folgenden weiteren Umbenennungen: „Ernst vom Rath-Straße“ (Weimarergasse) und „Adalbert Schwarz-Gasse“ (Gspanngasse).3 Der aus Deutschland stammende Wilhelm Gustloff war der Leiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz, und wurde 1936 vom jüdischen Medizinstudenten David Frankfurter in Davos erschossen.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus folgte die Zeit der sowjetischen Besatzung und die während der NS-Herrschaft umbenannten Straßen erhielten 1945 wieder ihre einstigen Bezeichnungen. Bei der Rückbenennung der Franz Josef-Straße wurde allerdings der  Titel „Kaiser“ entfernt. Sie behielt jedoch nur kurz ihren ursprünglichen Namen, denn im Mai 1946 folgte eine erneute Umbenennung in „Straße des 12. Februar 1934“.4 An diesem 12. Februar kam es ausgehend von Linz zu einem mehrere Tage währenden, blutigen Bürgerkrieg zwischen den Sozialisten mit dem republikanischen Schutzbund und dem Dollfuß-Regime mit Heimwehr, Polizei und Bundesheer. Im März 1956 erhielt die Straße wieder Franz Josef-Straße.5

Heute ist die Franz Josef-Straße einer der längsten Straßenzüge Mistelbachs und gleichzeitig jene mit der höchsten Hausnummer: 170.

Bedeutende Gebäude bzw. Einrichtungen in der Franz Josef-Straße:

Franz Josef-Straße 10: das ehemalige Stadtcafe der Familie Lorenz Heindl, in unverkennbarem Stil der 1930er Jahre erbaut

Franz Josef-Straße 13: erbaut als Villa des „Fruchthändlers“ (=Landesproduktehändlers) Josef Schwarz sen.; neben an auf Haus Nr. 15 befand sich die der Familie Schwarz gehörende Frucht- und Mehlhandlung

Eine Aufnahme aus dem Jahr 1899: Die Villa von Josef Schwarz sen. (Franz Josef-Straße 13) und das daneben gelegene Frucht- und Mehlgeschäft der Familie Schwarz (Franz Josef-Straße 15)Eine Aufnahme aus dem Jahr 1899: Die Villa von Josef Schwarz sen. (Franz Josef-Straße 13) und das daneben gelegene Frucht- und Mehlgeschäft der Familie Schwarz (Franz Josef-Straße 15)

Franz Josef-Straße 17: bis zum Beginn der 1990er Jahre befand sich hier das Gasthaus „Zum Schwarzen Adler“, das von seinem ursprünglichen Standort am Hauptplatz Nr. 27 hierher verlegt worden war. Von 1905 bis 1909 (ev. sogar bis 1913) befand sich hier auch das Bierdepot der Brauerei St. Marx. Anfang der 2000er Jahre eröffnete hier eine Filiale der Hypo NOE Landesbank.

Franz Josef-Straße 25, 27, 29, 31 und 33: wurden Anfang der 1890er Jahre vom Mistelbacher Geschäftsmann Franz Czinglar sen. als Zinshäuser erbaut. Nachdem er das Haus Nr. 33 erworben hatte eröffnete hier der k.k. Notar Dr. Othmar Schürer Ritter von Waldheim im Mai 1912 seine Notariatskanzlei.6 Zuvor hatte sich das Notariat rund vierzig Jahre an der Adresse Bahnstraße Nr. 13 befunden. 1935 übernahm Schürers Schwiegersohn Dr. Hans Gärtner das Notariat7, der dieses Haus testamentarisch der Stadtgemeinde Mistelbach vermachte mit der Auflage, dass dieses auch künftig als Notariatsgebäude dienen sollte.

Diese Aufnahme aus dem Jahr 1901/02 zeigt die Rückansicht der von Czinglar sen. errichteten Zinshäuser in der Franz Josef-Straße, aus erhöhter Perspektive vermutlich im Bereich Brennerweg/Am PulverturmDiese Aufnahme aus dem Jahr 1901/02 zeigt die Rückansicht der von Czinglar sen. errichteten Zinshäuser in der Franz Josef-Straße, aus erhöhter Perspektive vermutlich im Bereich Brennerweg/Am Pulverturm

Hinter den im Familienbesitz befindlichen Zinshäusern hatte sich Franz Czinglar jun. 1906 eine prachtvolle Villa erbaut, doch nachdem er bereits zehn Jahre später verstarb, wurde selbige nach ihren späteren Besitzer „Kraus- bzw. Nawrata-Villa“ benannt. Diese Villa mit der Adresse Franz Josef-Straße 29a wurde etwa im Jahr 2000 abgebrochen und in der Folge auf dem weitläufigen Areal eine Genossenschaftswohnhausanlage errichtet.

Die von Franz Czinglar jun. errichtete Villa mit ihrem markanten spitzen Turm (siehe rote Einkreisung), die knapp ein Jahrhundert bestand und später als "Kraus- bzw. Nawrata-Villa" bekannt war. Die Aufnahme, die etwa um 1910 entstanden sein dürfte, zeigt den Blick auf die Stadt von einem Standort hinter bzw. oberhalb des Ziegelwerk - also etwa im Bereich des heutigen Brennerwegs oder Am Pulverturm.Die von Franz Czinglar jun. errichtete Villa mit ihrem markanten spitzen Turm (siehe rote Einkreisung), die knapp ein Jahrhundert bestand und später als „Kraus- bzw. Nawrata-Villa“ bekannt war. Die Aufnahme, die etwa um 1910 entstanden sein dürfte, zeigt den Blick auf die Stadt von einem Standort hinter bzw. oberhalb des Ziegelwerk – also etwa im Bereich des heutigen Brennerwegs oder Am Pulverturm.

 Franz Josef-Straße 43: der 1988 eröffnete Mistelbacher Stadtsaal, zuvor befand sich hier die 1955 eröffnete Markthalle („Sauhalle“), die später zu einer Multifuktionshalle („Stadthalle“) ausgebaut wurde. Hinter der Markthalle befand sich das alte Städtische Bad, dessen Gebäude in den Stadtsaal baulich integriert wurde.

Franz Josef-Straße 47: das 1960 neu errichtete Haus der Frewilligen Feuerwehr Mistelbach – nähere Details siehe den Beitrag zum Florianiplatz

Franz Josef-Straße Nr. 51: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts Presshaus und großer Keller des Weingroßhändler Felix Roller; 1903 wurde im Garten dieses Hauses ein bedeutender archäologischer Fund aus der Bronzezeit entdeckt der unter dem Namen „Rollerfund“ bekannt ist

Franz Josef-Straße 54: 1908 erbaut als Geschäftslokal des „Spar- und Konsumverein Mistelbach“ und diesem Zweck diente es bis zum Jahr 1968 als der „Konsum“ an die Adresse Bahnstraße Nr. 5 übersiedelte; später Nutzung als Bar bzw. Abendlokal (Tritsch-Tratsch, Mango Music Pub, Shakesbeer’s, zuletzt „Niki’s Tanzcafe“); Mitte der 2010er Jahre wurde das Haus abgebrochen und an seiner Stelle ein neues mehrstöckiges Wohngebäude errichtet.

Wo befindet sich die Franz Josef-Straße?

 

Bildnachweis:
-) Ansicht Franz Josef-Straße: StadtMuseumsarchiv Mistelbach
-) Villa & Fruchthandlung Schwarz: Göstl-Archiv
-) „Czinglar-Villa“: Ansichtskarte aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer

Quellen:

  1. Steiner, Oskar: Mistelbach in alten Ansichten (1983)
  2. Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach, Bd. I. (1901), S. 238
  3. Grenzwacht, Nr. 11/1938, S. 9;
    Das kleine Volksblatt, 22. November 1938, S. 8 (ONB-ANNO)
  4. Entgegen der Darstellung bei Spreitzer, Prof. Hans: „Mistelbachs Straßen- und Gassennamen“ in: Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 38/1955, S. 2f fand die Umbenennung in „Straße des 12. Februar 1934“ nicht bereits 1945 statt, sondern ebenso wie auch die Umbenennung der Mitschastraße in „Straße der Roten Armee“ erst im Jahr 1946. Der Namenswechsel zu „Straße des 12. Februar 1934“ dürfte im Mai 1946 stattgefunden haben, denn zu dieser Zeit taucht der neue Name erstmals im Mistelbacher Bote auf.
  5. Leithner, Johann: „Über unsere Straßennamen und deren Bedeutung“ In: Exl, Mag. Engelbert: 125 Jahre Stadt Mistelbach – Ein Lesebuch (1999), S. 239
  6. Mistelbacher Bote, Nr. 18/1912, S. 15 (ONB: ANNO)
  7. Mistelbacher Bote, Nr. 17/1912, S. 4 (ONB: ANNO)
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