Beinahe ein Jahrhundert waren Mitglieder der Familie Gspann in Mistelbach als Lehrer tätig und vermittelten Generationen von Mistelbacher Kindern Schulbildung. Allesamt waren sie auch sehr musikalisch, erteilten Musikunterricht und betätigten sich auch als Komponisten. Neben ihrer Tätigkeit als Schulleiter waren die Gspann-Lehrer auch als Regenschori beschäftigt, also mit der Leitung der Kirchenmusik betraut.
Anton Gspann
* 1769, ?
† 1.1.1823, Mistelbach1
Ab 1797 hatte Anton Gspann die Mistelbacher Lehrerstelle inne und schloss im selben Jahr die Ehe mit Barbara Brenner, einer Tochter des hiesigen Töpfermeisters Johannes Brenner. Dieser Verbindung entstammten sechs Kinder, darunter der in Wien wirkende Musiklehrer und Komponist Karl Paul Gspann.2 Nähere Details zu seiner Herkunft sind leider nicht bekannt. Eine Abstammung von der seit Ende des 17. Jahrhunderts in Lanzendorf aufscheinenden Bauernfamilie Gspann, wie Prof. Spreitzer sie vermutete, scheint grundsätzlich naheliegend zu sein, allerdings findet sich in den lokalen Pfarrmatriken kein passender Taufbucheintrag im fraglichen Zeitraum.3
Die Schule war seit dem Jahr 1620 an der Adresse Kirchengasse 11 untergebracht, und im Schulhaus befand sich auch die Wohnung des Lehrers. Am 9. Juli 1809 musste Gspann miterleben wie das Schulgebäude von durchziehende Soldaten Napoleons in Brand gesteckt wurde und völlig niederbrannte. Das an der selben Stelle wiederaufgebaute und um die danebengelegene Brandruine erweiterte, neue Schulhaus wurde 1811 eröffnet, doch auch dieser Neubau konnte die seit jeher herrschende Raumnot nicht lindern. In der Zeit vor der Fertigstellung des neuen Gebäudes (1809 – 1811) mussten Gspann und seine Schulgehilfen (=Hilfslehrer bzw. Lehrer in Ausbildung) den Unterricht zunächst im Wirtshaus zur goldenen Krone (Oberhoferstr. 15) und später im Barnabitenkolleg abhalten.4
Anton Gspann übte das Amt des Lehrers und Schulleiters bis zu seinem Tod im Jahre 1823 aus.
Joseph Gspann
* 18.2.1802, Mistelbach5
† 1.1.1882, Mistelbach6
Joseph Gspann folgte seinem Vater Anton im Beruf und absolvierte 1815 den pädagogischen Kurs in Wien. Drei Jahre später trat er in den Schuldienst ein und war in den folgenden Jahren als Lehrergehilfe tätig. 1822 legte er erfolgreich die Lehrerprüfung ab, und nach dem Ableben seines Vaters zu Beginn des folgenden Jahres, übernahm er dessen Lehrerstelle.7 Er war hintereinander mit den drei Töchtern des Hutmachermeisters Matthias Küttner verheiratet: Anna (∞1824, †1828)8, Antonia (∞1829, †1836)9, Franziska (∞1854)10 und aus den ersten beiden Ehen stammten zehn Kinder, von denen allerdings einige bereits in jungen Jahren verstarben. Sein Schwiegervater Matthias Küttner war der Besitzer des Barockschlössls und durch die Heirat mit der jüngsten Tochter Franziska, die das Anwesen von ihrem Vater geerbt hatte, kam das Barockschlössl in den Besitz der Familie Gspann.11 Aufgrund seiner herausragenden Dienstausübung wurde Joseph Gspann 1826 mit dem Berufstitel „Musterlehrer“ geehrt.12 Ab diesem Jahr hatte er neben dem Schuldienst auch die Meßnerdienststelle inne.13 Er war ein sehr begabter Musiker, und mehrfach ereilten ihn lukrative Angebote als Musiklehrer bzw. Musiker nach Wien zu wechseln, die er jedoch alle aus Verbundenheit gegenüber seiner Heimat und seiner Schule ausschlug.14
Davon, dass die von ihm komponierten Werke auch in Wien Anerkennung fanden, zeugt ein Bericht der Wiener Zeitung aus dem Juni 1840, der von der Aufführung einer selbstkomponierten Messe in der Kirche am Hof in Wien handelt. Darin heißt es unter anderem: “Es spricht sich in dem Werke nebst einer vollständigen Kenntniß des Generalbasses und der Compositionslehre eine besondere Befähigung zum sogenannten Kirchen-Style aus”.15 Es handelte sich bei dem Werk wohl um die „Brand-Messe“, die im November 1839 in Mistelbach uraufgeführt wurde und die Joseph Gspann zum Gedenken an die völlige Zerstörung der Pfarrkirche durch eine Feuersbrunst am 15. Juni 1835 verfasst hatte.
Er und sein Sohn Ludwig waren auch die ersten Musiklehrer der in Mistelbach geborenen Klaviervirtuosin Laura Kahrer (verehel. Rappoldi), bei denen sie als Zehnjährige Klavier- und Generalbaß-Unterricht erhielt. Sofort erkannten sie das unglaubliche Talent und angeblich bereits nach einem Jahr, waren die erfahrenen Musiker nicht mehr in der Lage dem Kind Neues zu lehren, sodass Kahrer ihre musikalische Ausbildung in Wien fortsetzte. Ihre erste im Alter von elf Jahren verfasste Komposition, Elegie – Tongemälde für Piano, widmete sie ihrem Generalbaßlehrer Joseph Gspann und dieses Werk, das dem damaligen k. k. Hofkapellmeister Randhartinger vorgelegt wurde und dessen Anerkennung fand, ist in den Beständen des Stadt-Museumsarchivs erhalten geblieben.16
Laut den Veröffentlichungen von Prof. Spreitzer zur Schulgeschichte Mistelbachs erfolgte Joseph Gspanns Übertritt in den Ruhestand zeitgleich mit der Einrichtung der Pfarrhauptschule 1861, allerdings scheint er in einem Lehrer-Schematismus aus dem Jahr 1863 weiterhin als Schulleiter (Oberlehrer) auf.17 Neben seinem Sohn Ludwig, ergriff auch sein Sohn Joseph den Beruf des Lehrers und dieser wurde später Bürgerschuldirektor in Wien-Alsergrund.18 Noch am Tag seines Todes, dem Neujahrstag des Jahres 1882, spielte er als Organist die Messe in der Pfarrkirche, als ihm währenddessen plötzlich übel wurde – er starb noch am selben Tage in seinem Haus, dem Barockschlössl.
Ludwig Gspann
* 6.1.1831, Mistelbach19
† 8.1.1900, Mistelbach20
Auch Ludwig Gspann folgte beruflich dem Vorbild von Großvater und Vater, absolvierte 1849 den pädagogischen Kurs in Wien und legte im selben Jahr auch die Lehrerprüfung ab. Ab diesem Zeitpunkt war er, mit Ausnahme einer zwischenzeitlichen Tätigkeit an der Volksschule Neulerchenfeld (Wien)21, bis zur Pensionierung seines Vaters als Lehrgehilfe (bzw. Unterlehrer) an der Schule in Mistelbach beschäftigt. Wann genau er seinem Vater als Schulleiter nachfolgte, ist aufgrund widersprüchlicher Quellenangaben (siehe bei Joseph Gspann) leider nicht eindeutig klar. Jedenfalls ab Ende 186522 und bis ins Jahr 1873 hatte er diese Funktion inne. In diesem Jahr erfolgte der Umzug in die neuerbaute Volks- und Bürgerschule, am heutigen Standort der Hauptschule in der Bahnstraße, und auch die Organisation des Schulwesens änderte sich bedingt durch die Umsetzung einer Reform. Zwar zog sich Gspann von der Schulleitung zurück, war aber bis zu seiner Pensionierung Ende November 1884 weiter als Volksschullehrer tätig.23 1864 war er die treibende Kraft hinter der Gründung des Männergesangsvereins (Vorläufer des Musik- und Gesangsverseins Mistelbach) und auch dessen langjähriger Chorleiter.24 Ebenso gehörte Ludwig Gspann 1868 zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Turnvereins Mistelbach und war ab 1871 als Lehrervertreter Mitglied des Bezirksschulrats. 1863 ehelichte er die aus Orth a.d. Donau stammende Industriallehrerin (=Werk- bzw. Handarbeitslehrerin) Maria Theresia Kellersmann, die später auch an der Mistelbacher Schule unterrichtete.25 Dieser Ehe waren keine Kinder beschieden und als seine Gattin 1897 einer Krebserkrankung erlag, heiratete er im Jahr darauf die zwanzig Jahre jüngere Lehrerswitwe Mathilde Gschweidl aus Laa a.d. Thaya, und auch diese Ehe blieb kinderlos.26 Bis zum Tod seiner ersten Gattin wohnte Gspann in der Lehrerwohnung im alten Schulhaus in der Kirchengasse, und übersiedelte danach in das Barockschlössl, dass er bereits 1888 nach dem Ableben seiner Stiefmutter gemeinsam mit drei Geschwistern geerbt hatte. Schon 1893 musste er den Dienst als Regenschori wegen fortschreitender Schwerhörigkeit zurücklegen.
Der letzte Mistelbacher Gspann-Lehrer, Ludwig Gspann, starb wenige Tage nach der Wende zum 20. Jahrhundert. 1915 verstarb schließlich die letzte Mitbesitzerin des Barockschlössls aus der Familie Gspann27, Aloisia Gspann, und danach ging das Gebäude in den Besitz von Johann Burgmann über, bevor die Sparkasse der Stadt Mistelbach 1929 das Anwesen erwarb und es nach eingehender Renovierung dem Mistelbacher Heimatmuseum zur Verfügung stellte.28 Heute befindet sich das Barockschlössl im Besitz der Gemeinde und wird als Kultur- und Veranstaltungszentrum genutzt.
1958 beschloss der Mistelbacher Gemeinderat der in unmittelbarer Nähe zur Schule gelegenen Quergasse im Gedenken an das Wirken der Familie Gspann den Namen Gspanngasse zu geben.29
Wo befindet sich die Gspanngasse?
Quellen (und Anmerkungen):
-) Spreitzer, Prof. Hans: Mistelbacher Schulgeschichte in: Mistelbach Geschichte I (1974), S. 232 ff
-) Bote aus Mistelbach 2/1900, S. 5 (Nachruf Ludwig Gspann)
- Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1805-1832), Fol. 104
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Trauungsbuch (1784-1806), Fol. 46
Eintrag Trauungsbuch Pfarre Mistelbach - Spreitzer, Prof. Hans: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Mistelbach in: Heimat im Weinland, 1953, S. 55-56, 59-60, 63-64
- Prof. Spreitzer, Hans: Festschrift zur Weihe und Eröffnung der Volksschule (1971) in: Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Band 2, S. 90ff
- Pfarre Mistelbach: Taufbuch (1793-1809), Fol. 64
Eintrag Taufbuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1867-1889), Fol. 129
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Kaiser, Joseph: Lehrer-Schema (1843), S. LXXX (ONB)
- Pfarre Mistelbach: Trauungsbuch (1806-1836), Fol. 97
Eintrag Trauungsbuch Pfarre Mistelbach
Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1805-1832), Fol. 149
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Trauungsbuch (1806-1836), Fol. 140
Eintrag Trauungsbuch Pfarre Mistelbach
Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1832-1840), Fol. 83
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Trauungsbuch (1836-1858), Fol. 209
Eintrag Taufbuch Pfarre Mistelbach - Bollhammer, Fritz: Geschichte des städtischen Heimatmuseums in: Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Band 1, S. 364
(Anm.: entgegen der bei Bollhammer dargestellten Inbesitznahme im Jahr 1889, dürfte diese bereits 1888, zeitnah nach dem Tod von Franziska Gspann (geb. Küttner) im Erbwege erfolgt sein – siehe Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1867-1889), Fol. 201, Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach) - Kaiser, Joseph: Lehrer-Schema (1847), S. 202 (Google Books)
- Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach, Bd. I. (1901), S. 207
- Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach, Bd. I. (1901), S. 124
- Wiener Zeitung, 20. Juni 1840, S. 4 (ONB-ANNO)
- Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach, Bd. I. (1901), S. 217
- Huber, Franz: Lehrer-Schema (1863), S. 185 (Google Books)
- Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach, Bd. I. (1901), S. 125;
- Pfarre Mistelbach: Taufbuch (1809-1838), Fol. 320
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1899-1908), Fol. 25
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Mussil, Ludwig: Niederösterreichischer Lehrer-Schematismus (1880), S. 146f;
Kaiser, Joseph: Lehrer-Schema (1852), S. 251 (ONB) - Niederösterreichischer Amts-Kalender 1866, S. 177 (Anm.: da der Amtskalender stets bereits zu Ende des Vorjahres erschien, ist also eine Tätigkeit als Schulleiter ab mindestens 1865 belegt.
- Die Doppel-Volks-und Bürgerschule in Mistelbach. Zur Geschichte des 25-jährigen Bestandes (1898), S. 20;
Untermanhartsberger Kreis-Blatt, Nr. 1/1885 S. 5 - Deutscher Liederkranz – musikalisch-belletristische Zeitschrift, 20. Mai 1864, S. 4f (Google Books)
- Pfarre Mistelbach: Trauungsbuch (1858-1873), Fol. 35
Eintrag Trauungsbuch Pfarre Mistelbach
Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1890-1899), Fol. 101
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Trauungsbuch (1898-1911), Fol. 5
Eintrag Trauungsbuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1915-1920), Fol. 16
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Bollhammer, Fritz: Geschichte des städtischen Heimatmuseums in: Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Band 1, S. 364
- Spreitzer, Prof. Hans: „Mistelbachs Straßen- und Gassennamen“ in: Mistelbacher-Laaer Zeitung, 24. September 1955, S. 2f