Ab der Einführung der Straßenbezeichnungen in Mistelbach im Jahr 1898 hieß die heutige Gspanngasse für die folgenden vierzig Jahre zunächst schlicht Quergasse.1 Im November 1938 wurde die Gasse dann durch Beschluss des vom NS-Regime eingesetzten Gemeindeverwalters Adolf Schödl in „Adalbert Schwarz-Gasse“ umbenannt, nach dem im August 1930 getöteten Nationalsozialisten Adalbert Schwarz (1906-1930)2. Die Namensgebung erfolgte im Rahmen einer großen Kundgebung in Anwesenheit des Gauleiters Dr. Jury, bei der dem NS-Totenkult auch durch die Umbenennung folgender weiterer Straßen gehuldigt wurde: „Ernst vom Rath-Straße“ (Weimarergasse) und „Wilhelm Gustloff-Straße“ (Franz Josef-Straße).3 Schwarz war der erste Tote der NSDAP in Wien und die NS-Propaganda versuchte seinen gewaltsamen Tod als politischen Mord zu inszenieren. Politische Motive konnten im Rahmen der Ermittlungen bzw. des medial begleiteten Gerichtsprozesses jedoch nicht festgestellt werden. Bei dem tödlichen Messerangriff handelte es sich vielmehr um die Eskalation eines durch Stänkereien ausgelösten Streits vor dem Währinger Brauhaus, in dem eine Konzertveranstaltung der NS-Organisation „Vaterländischer Schutzbund“ stattfand. Bereits seine Bestattung wurde zu einer großen propagandistischen Kundgebung und Schwarz in der Folge als Märtyrer der Bewegung von den österreichischen Nazis glorifiziert. Zweifellos wollte man mit dieser Umbenennung auch der Kreisleitung der NSDAP, die ab August 1938 in dem durch die Sparkasse Mistelbach „arisierten“ Haus Nr. 5 (davor Zahnarzt Dr. Rudolf Thein) untergebracht war, eine besondere, nationalsozialistisch geprägte Adresse geben.
Der Schlossergehilfe Adalbert Schwarz wurde in Gmünd geboren und war nach dem damals gültigen Heimatrecht auch bis zu seinem Tode dorthin zuständig, obgleich er ab mind. 1929 in Wien-Hernals wohnhaft war.4 Vereinzelt findet sich in der Berichterstattung der großen Tageszeitungen über die Bluttat, die Information, dass Schwarz Eltern und seine Ehefrau außerhalb Wiens lebten, jedoch wurde kein konkreter Ort genannt.5 Sein Tod wird im Mistelbacher Bote bzw. in dem den Nazis nahestehenden Regionalblatt „Neue Grenzwacht“ nicht erwähnt, allerdings wird 1933 anlässlich der Benennung des Mistelbacher NSDAP-Parteiheims in der Liechtensteinstraße 6 in „Adalbert Schwarz-Haus“ berichtet6, dass Mistelbach die Wahlheimat von Schwarz gewesen sei und auch anlässlich einer im selben Jahr von der hiesigen NSDAP-Ortsgruppe veranstalteten Hitler-Geburtstagsfeier7 bzw. der oben erwähnten Gassenumbenennung 1938 wird dies erwähnt, ohne dass nähere Details angeführt werden. Weitere Belege die bestätigten, dass Schwarz tatsächlich zumindest einige Zeit in Mistelbach lebte, konnten bisher nicht gefunden werden. Da sein Vater Lokomotivführer war, ist es durchaus denkbar, dass dieser berufsbedingt (öfters) den Dienstort wechseln musste und deshalb mit seiner Familie möglicherweise einige Zeit in Mistelbach lebte.
Nach dem Krieg erhielt die Gasse wieder ihren ursprünglichen Namen bis die Bezeichnung Quergasse 1958 auf die Verbindungsstraße zwischen Bahnstraße und Gewerbeschulgasse übertragen wurde. Seither trägt die in unmittelbarer Nähe der Schule gelegene Gasse den Namen der Lehrerfamilie Gspann, die beinahe das gesamte 19. Jahrhundert hindurch in Mistelbach wirkte.8
Wo befindet sich die Gspanngasse?
Quellen (und Anmerkungen):
- Spreitzer, Prof. Hans: „Mistelbachs Straßen- und Gassennamen“ in: Mistelbacher-Laaer Zeitung, 24. September 1955, S. 2;
- Pfarre Gmünd: Taufbuch (1906-1908), Fol. 181 – Eintrag Taufbuch Pfarre Gmünd;
Pfarre Alservorstadtkrankenhaus: Sterbebuch (1930), Fol. 200 – Eintrag Sterbebuch Pfarre Alservorstadtkrankenhaus - Grenzwacht, Nr. 11/1938, S. 9; Das kleine Volksblatt, 22. November 1938, S. 8 (ONB-ANNO)
- Pfarre Grinzing: Trauungsbuch (1926-1934), Fol. 28 – Eintrag Trauungsbuch Pfarre Grinzing
- Kleine Volks-Zeitung, 4.8.1930, S. 4 (ONB-ANNO)
- Neue Grenzwacht, Nr. 21/1933, S. 3
- Neue Grenzwacht, Nr. 16/1933, S. 3f
- Leithner, Johann: „Über unsere Straßennamen und deren Bedeutung“ In: Exl, Mag. Engelbert: 125 Jahre Stadt Mistelbach – Ein Lesebuch (1999), S. 241