Der Vorläufer dieser Straße als einfacher Verbindungsweg von der Mitschastraße zur Liechtensteinstraße dürfte wohl erst Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sein, wahrscheinlich zur Zeit der Mistelregulierung. Schließlich setzte die Entstehung dieses Weges das Vorhandensein einer Brücke über die Mistel voraus, und erst im Zuge der in den Jahren 1912-1915 erfolgten Mistelregulierung dürfte eine solche errichtet worden sein. Dafür, dass es bereits zuvor, also im 19. Jahrhundert hier eine Brücke bzw. überhaupt einen hier verlaufenden Weg gegeben hätte, konnten keinerlei Indizien gefunden werden.
Mit Beschluss des Mistelbacher Gemeinderates vom 30. April 1932 wurde diese Verbindungsstraße nach dem österreichischen Komponisten Joseph Haydn (1732-1809) benannt, dessen Geburtstag sich wenige Wochen zuvor zum zweihundertsten Mal jährte.1 Interessanterweise lautete der Beschluss im Wortlaut: „Den Straßenzug von der Mitschastraße bis zur Mistelbrücke und von dort zur Liechtensteinstraße Haydngasse zu benennen.“ Das ist insofern verwunderlich, als der Abschnitt zwischen (überdeckter) Mistel und Liechtensteinstraße eigentlich seit jeher als Teil der Zayagasse gilt. Der Beschluss für die Namensgebung der Zayagasse, die im Zuge der Aufschließung von Baugründen neben der ehemaligen Flüchtlingsstation im Jahre 1925 entstand, bezeichnete als Zayagasse lediglich den entlang der Mistel verlaufenden Straßenzug.2 Einen offiziellen Beschluss zu einer Namensänderung betreffend des gegenständlichen Abschnitts der Haydngasse dürfte es nicht gegeben haben, sondern in Unkenntnis der tatsächlichen Beschlüsse dürfte der Name Zayagasse schlicht auf diesen Straßenabschnitt erstreckt worden sein.3
Der Zeitpunkt der Benennung steht zweifellos mit dem Bau der Doppelhäuser Haydngasse Nr. 4/6 und 8/10 in Zusammenhang schließlich brauchten diese Häuser in der zuvor unverbauten und namenlosen Straße eine Adresse. Auf der linken Seite (theoretisch ungerade Hausnummern) verlief die Straße zum Zeitpunkt der Entstehung auf ihrer gesamten Länge entlang dem Gärtnereibetrieb Nowak und daran hat sich bis heute auch nichts geändert, abgesehen von der Tatsache, dass die Gärtnerei nunmehr seit vielen Jahrzehnten von der Familie Öhler geführt wird. Die rechte Seite der Haydngasse ist wiederum maßgeblich durch die seit 1937 hier bestehende und an die erwähnten Wohnhäuser anschließende Kaserne des österreichischen Bundesheeres geprägt.
Auf dieser Luftbildaufnahme aus der Zeit Mitte der 1930er Jahre (ca. 1932-1936) ist die Haydngasse gemäß dem Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 1932 farblich eingezeichnet: Gelb der heute noch als Haydngasse bezeichnete Teil – von der Mitschastraße bis zur Einmündung in die Zayagasse und grün der gemäß diesem Beschluss auch zur Haydngasse gehörige Teil, der allerdings seit jeher als Verlängerung der Zayagasse angesehen wurde. Der links von der Mitschastraße gelegene Teil der Haydngasse entstand erst Jahrzehnte später.
Die Erzherzog Carl-Kaserne (seit 1967: Bolfras-Kaserne) in der Haydngasse. Das Kürzel N.D. für Niederdonau weist zwar auf die NS-Zeit hin, das für die Ansichtskarte verwendete Foto dürfte jedoch noch aus der Zeit vor dem sogenannten „Anschluss“ stammen, da auf dem Kasernengebäude der „Doppeladler mit Heiligenschein“ – das Wappen Österreichs von 1934-1938 – erkennbar ist.
Viele Jahre später, vermutlich in den 1970er Jahren wurde die Bezeichnung „Haydngasse“ auch auf den jenseits der Mitschastraße entstandenen Straßenzug erstreckt, der zum Teil dem Verlauf der Lokalbahnstrecke folgend bis zur Kreuzung mit der Gartengasse reicht.
Wo befindet sich die Haydngasse?
Bildnachweis:
-) Ansicht 1930er Jahre: Ausschnitt aus einer Ansichtskarte aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer
-) Ansichtskarte Kaserne: Göstl-Archiv
Quellen:
- Auszug aus der Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeinderatssitzung vom 4. April 1925 In: Mistelbacher Bote, Nr. 22/1932, S. 4 (ONB: ANNO)
- Auszug aus der Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeinderatssitzung vom 4. April 1925 In: Mistelbacher Bote, Nr. 16/1925, S. 2 (ONB: ANNO)
- Schon vor der Straßenbenennung wurde die Kanalisierung der noch namenlosen künftigen Haydngasse im Jahre 1931 im Gemeinderat thematisiert, allerdings ist hier lediglich von der „… Kanalisierung der neuen Straße zwischen Mitschastraße und Zayagasse…“ zu lesen (Auszug aus der Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeinderatssitzung vom 10. Oktober 1931 In: Mistelbacher Bote, Nr. 44/1931, S. 3 (ONB: ANNO)). Man könnte hier durchaus einen Widerspruch zu der im Jahr darauf folgenden Straßenbenennung herauslesen, allerdings ist natürlich der spätere und spezifischere Benennungsbeschluss maßgeblich.