Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Frühformen der Fotografie erfunden, und durch stete Weiterentwicklung trat diese Technik ab den 1850er bzw. 1860er Jahren, zunächst in der Form der Portraitfotografie, ihren bis heute währenden Siegeszug an. Die ältesten überlieferten fotografischen Aufnahmen zur Geschichte der Stadt Mistelbach stammen aus den 1870er Jahren, jedoch sind die Urheber dieser frühesten Bilddokumente leider nicht bekannt. Der vorliegende Beitrag versucht den Menschen hinter der Linse nachzuspüren, denen wir die historischen Aufnahmen Mistelbachs und seiner Bewohner verdanken.
Die Problematik bei alten Fotos liegt oftmals darin, dass die abgebildeten Personen nicht mehr bekannt sind und nicht selten auch Angaben zu Anlass und Zeitpunkt der Aufnahme fehlen. Auf alten Hartkartonfotos, insbesondere bei Portraitfotos im Format „Carte de Visite“ (CdV), ist aber meist der für die Aufnahme verantwortliche Fotograf vermerkt und daher ist es auch Intention dieses Beitrags mittels der folgenden (vermutlich unvollständigen) Auflistung der in Mistelbach bis zum Jahr 1945 tätigen Fotografen, Hilfestellung zur zeitlichen Einordnung zu bieten.
Erste Fotografen
Der früheste auffindbare Hinweis und die gleichzeitig einzige Erwähnung eines Fotografen namens E. Pohlmann aus Mistelbach findet sich in einer Ausgabe der Tageszeitung „Fremdenblatt“ aus dem Jahr 1868.1 Zu jener Zeit war es in (Wiener) Tageszeitungen üblich, dass in sogenannten „Fremdenlisten“, die in Hotels bzw. Gasthöfen der Stadt abgestiegenen Gäste nach Unterkünften aufgelistet wurden und in eben solch einer Liste wird ein gewisser „E. Pohlmann, Photograph, Mistelbach“ erwähnt, der am 18. Jänner 1868 im Hotel zur Grünen Traube in Wien-Wieden einkehrte. Bereits 1864 wird im Fremdenblatt dieselbe Person als Gast der Grünen Traube erwähnt, damals allerdings ohne Angabe des Herkunftsortes, sodass nicht eindeutig klar ist, ob er vielleicht schon damals in Mistelbach wirkte.2 Grundsätzlich kann der in diesen Listen angegebene Ort für den tatsächlichen Herkunftsort oder aber für jenen Ort stehen aus dem die Anreise erfolgte, also die letzte Reisestation vor der Ankunft in Wien. 1866 scheint in Wien auf der „Neuen Wieden“ ein Fotograf namens Eduard Bollmann und Ende der 1870er Jahre im damals noch eigenständigen Ort Währing bei Wien ein Fotograf namens Eduard Pollmann auf.3 Ob es sich beim eingangs erwähnten „E. Pohlmann“ und „Eduard Bollmann bzw. Pollmann“ um dieselbe Person gehandelt haben könnte, bleibt offen.
In der Zeitschrift „Photograpische Correspondenz“, dem Zentralorgan der photographischen Gesellschaft Wien, wird in einer Mitgliederauflistung nach Orten bereits 1876 auch ein Mitglied in Mistelbach ausgewiesen. Dabei handelte sich um den Amateurfotografen August Jira, der als Steuerbeamter in Mistelbach seinen Dienst versah.4 Sofern zum damaligen Zeitpunkt ein Berufsfotograf in Mistelbach ansässig war, handelte es sich jedenfalls nicht um ein Mitglied dieser großen, sowohl aus Amateuren und Professionalisten bestehenden Vereinigung. In einem Photographen Adressbuch aus dem Jahr 1879 findet sich zu Mistelbach, im Gegensatz bspw. zu Laa a.d. Thaya kein Eintrag.5
Wolfram (mind. 1881 – Ende 1890er)
Mindestens ab 1881 war Alfred Wolfram (*1853, †19176) in Mistelbach als Fotograf tätig, denn in diesem Jahr findet sich folgende Anzeige in der Zeitschrift „Photographische Notizen“7: „Alfred Wolfram, Photograph, übernimmt Negativ- und Positiv-Retouche sowie das Ausfertigen der Bilder zu billigen Preisen. Mistelbach an der Staatsbahn“. 1885 erweiterte er seinen Betrieb um eine Niederlassung im mährischen Auspitz.8
Der in Mistelbach in den 1880er Jahren tätige und erste tatsächlich belegte Fotograf Alfred Wolfram auf einer Aufnahme aus dem Atelier seiner Familie (Vater und/oder Bruder) in Wien-Ottakring
Im Dezember 1889 übernahm laut einer Anzeige in der Zeitung „Bote aus Mistelbach“ Paula Wolfram das Fotografie-Geschäft ihres nicht namentlich genannten Vaters9. Dabei konnte es sich jedoch unmöglich um eine Tochter von Alfred Wolfram gehandelt haben, denn in diesem Fall müsste er bereits mit 18 Jahren Vater geworden sein, und seine Tochter hätte wiederum im Alter von 18 Jahren das Geschäft übernehmen müssen und dies obwohl man zur damaligen Zeit erst im Alter von 24 Jahren als volljährig galt. Ein Enkel von Alfred Wolfram bestätigte, dass er keine Tochter namens Paula hatte und erst einige Jahre später in Bulgarien heiratete, wo er nach seiner Tätigkeit in Mistelbach für einige Zeit lebte. Der Nachfahre gab auch den Hinweis, dass Alfred Wolfram zwar keine Tochter, wohl aber eine Schwester namens Paula hatte und auch einen ebenfalls als Fotografen tätigen Bruder namens Eduard. Tatsächlich dürfte aber bereits Alfred Wolframs Vater, der in der Militärverwaltung tätige Rechnungsoffizial Eduard Wolfram sen., nebenbei in der Fotografie aktiv gewesen sein. Ab 1866 scheint das Fotoatelier Killmann & Wolfram auf, zunächst in Wien-Landstraße, später dann wohl bereits unter Beteiligung von Eduard jun. in Ottakring bzw. Hernals.10
Der genaue Sachverhalt der Geschäftsübernahme durch Paula Wolfram lässt sich nach knapp 130 Jahren nicht mehr feststellen, aber folgende Hypothese scheint möglich: Eduard Wolfram sen. der sich seit 1880 im Ruhestand befand, übernahm den Betrieb seines Sohnes Alfred, als dieser gegen Ende der 1880er Jahre nach Bulgarien ging, und anschließend ging das Geschäft mit den Niederlassungen in Mistelbach und Auspitz auf dessen Tochter, Alfred Wolframs Schwester, Paula über.
Die ursprüngliche Adresse des Betriebs ist leider nicht überliefert, Anfang Oktober 1893 informierte Paula Wolfram jedoch mittels Anzeige im „Bote aus Mistelbach“ darüber, dass Sie ihr photographisches Atelier nunmehr an der Adresse Hauptplatz Nr. 5 (Konskriptionsnr. 70) eingerichtet habe.11 Im Jahr 1900 wurden die Häuser Hauptplatz Nr. 4-6 abgetragen und an dieser Stelle das Rathaus errichtet. Unklar ist, ob der Abriss des Gebäudes gleichzeitig auch das Ende von Wolframs Tätigkeit in Mistelbach bedeutete, das zeitlich um die Wende zum 20. Jahrhundert zu verorten ist. Laut Fitzka gab es im Jahr 1901 zwei Fotografenbetriebe in Mistelbach (einer davon Forstner)12, im Österreichischen Zentralkataster sämtlicher Handels-, Industrie- und Gewerbebetriebe aus dem Jahr 1903 ist hingegen nur mehr ein Betrieb (Forstner) angeführt. Ob es sich bei dem zweiten im Jahr 1901 noch bestehenden Atelier also um jenes von Paula Wolfram oder aber um einen anderen Betrieb (Bieberle?) handelte ist ungeklärt. Eine im Internet gefundene, handschriftlich auf 1897 datierte Aufnahme aus ihrem Atelier, auf der noch beide Niederlassungen vermerkt sind, ist bislang der letzte gesicherte Beleg ihres Wirkens in Mistelbach. Letzte Spuren von Paula Wolframs Tätigkeit als Fotografin in Auspitz finden sich durch einen Eintrag in einem Photographen-Adressbuch aus dem Jahr 190113 bzw. durch Erwähnung im Österreichischen Zentralkataster sämtlicher Handels-, Industrie- und Gewerbebetriebe aus dem Jahr 190314. In der 1908 erschienenen Neuauflage dieses Verzeichnisses scheint Wolfram nicht mehr als Fotografin auf, jedoch wird eine Person selben Namens als Greißlerin angeführt.15
Alfred Wolfram kehrte mit seiner Familie wieder nach Österreich zurück und eröffnete um 1914 in Stammersdorf ein Fotoatelier, dass seine Gattin Johanna nach seinem Tod im Jahre 1917 weiterführte.16 Eine letzte Spur zu einer Frau namens Paula Wolfram findet sich als eine Person dieses namens im Jahr 1919 als erste Frau in den Stadtrat von Auspitz gewählt wurde, ihr Beruf zu diesem Zeitpunkt wird mit Verkäuferin angegeben.17
Eibl (mind. 1880er – 1894)
In einer im September 1891 erschienenen Anzeige in der Zeitung „Bote aus Mistelbach“ informierte der gebürtige Mistelbacher Josef Eibl (*1857, †1933)[16] darüber, dass er sein seit 1879 bestehendes Maler- & Vergolder-Geschäft, sowie seine photographische Anstalt, von der Adresse Hauptplatz Nr. 15 (Konskriptionsnr. 17) an die Adresse Hauptplatz Nr. 8 (Konskriptionsnr. 10) verlegte.18
Von 1891 bis 1894 betrieb Josef Eibl sein Geschäft als Maler, Vergolder & Fotograf im Haus Hauptplatz Nr. 8, das er kurz zuvor gemeinsam mit seiner Gattin erworben hatte.
Zuvor, von 1879 bis 1891, war Eibl mit seinem Betrieb an der Adresse Hauptplatz Nr. 15 eingemietet und auch hier wohnhaft. 15 Jahre später eröffnete hier Josef Plaschil sein Atelier, und auch die letzten Spuren der Fotografenwitwe Bieberle finden sich an dieser Adresse (siehe weiter unten).
Der Mistelbacher Fotograf Josef Eibl etwa im Jahre 1880
Später folgte eine Übersiedlung nach Wien, denn von 1893 bis 1896 scheint seine Gattin Theresia (auch Therese; geb. Misch; *1855, †1899) als Betreiberin eines Fotoateliers in der Ottakringer Thaliastraße Nr. 48 in „Lehmann’s Wohnungs-Anzeiger und Gewerbe-Adreßbuch“ auf. Ab diesem Zeitpunkt wohnte das Ehepaar Eibl in der Meidlinger Schönbrunnerstraße Nr. 62 (=Gaudenzdorfer Hauptstraße) und betrieb an dieser Adresse ein weiteres fotografisches Atelier. Zusätzlich findet sich Josef Eibl ab 1894 gemeinsam mit Heinrich Rechert als Betreiber des Fotoatelier „Mariette“ in der Hundsthurmerstraße 124 (diese wurde 1898 in Schönbrunner Straße umbenannt). Dieses Atelier wurde knapp 20 Jahre zuvor von Josef Plaschil sen. geführt, der weiter unten Erwähnung findet. Ab Ende der 1890er Jahre wohnte das Ehepaar Eibl schließlich in der Sechshauser Straße Nr. 5, wobei das Atelier in der Meidlinger Schönbrunnerstr. 62 weiterhin bestand und offenbar als Filiale des Atelier Mariette geführt wurde. Im Jahr 1898 wurde die Hundsthurmerstraße in die Schönbrunnerstraße eingegliedert, somit änderten sich die Adressen bzw. Hausnummern der beiden Ateliers und lauteten nun wie folgt: Schönbrunner Straße 118 (zuvor Hundsthurmer Str. 124) und Schönbrunner Str. 190 (zuvor Meidling-Schönbrunnerstr. 62). Etwa 1900 führte Eibl kurzzeitig auch eine Niederlassung in Baden bei Wien an der Adresse Wassergasse Nr. 11. 1910 übersiedelte er sein Atelier innerhalb der Schönbrunner Straße, nämlich an die Hausnummer 100, und nach Eibls Ableben im Jahre 1933, führte seine zweite Gattin Anna, den Betrieb noch zwei Jahre als Witwenfortbetrieb weiter.19
Bieberle (1893-ca.1900)
Franz Bieberle (*1862, †189720) stammte aus Johnsdorf in Mähren und war zumindest seit 189121 als Fotograf in Ernstbrunn tätig. 1893/94 übersiedelte er dann nach Mistelbach, wo er sich an der Adresse Barnabitenstraße 4 niederließ und dort auch sein Fotoatelier einrichtete22. Nach dem frühen Tod von Franz Bieberle, der 1897 an Tuberkulose starb, führte dessen Witwe Marie den Betrieb weiter und übersiedelte im September 1899 mit dem Atelier nur wenige Häuser weiter in die Oserstraße Nr. 5.23 In Fitzkas Geschichte der Stadt Mistelbach wird im Jahr 1901 neben Leopold Forstner ein weiterer Fotografenbetrieb angeführt, wobei unklar ist, ob es dabei um das Unternehmen der Witwe Bieberle oder einen anderen Betrieb (Zapletal?, Wolfram?) gehandelt hat. In einem bereits bei Wolfram erwähnten, nach Orten gegliederten Photographen-Adressbuch aus dem Jahr 1901 fehlt Mistelbach leider24. Zu Beginn des Jahres 1902 findet sich im Bote aus Mistelbach schließlich ein Feilbietungsedikt, betreffend Frau Maria Bieberle, Private, wohnhaft Hauptplatz Nr. 15, in dem die (freiwillige) Versteigerung ihrer Wohnungs- und Kücheneinrichtung angekündigt wird.25 Es ist anzunehmen, dass die Betriebstätigkeit also bereits vor diesem Zeitpunkt endete und auch in den 1903 und 1908 erschienenen Ausgaben des Österreichischen Zentralkataster sämtlicher Handels-, Industrie- und Gewerbebetriebe scheint Bieberle nicht mehr auf. Umso mehr verwundert es, dass laut Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft erst 1913, die in Form eines Witwenfortbetriebs noch immer auf Franz Bieberle lautende Gewerbeberechtigung zurückgelegt wurde.26
Zapletal (1899)
Zu dem 1861 in Pressburg geborenen Tapezierermeister und späteren Fotografen Adolf Zapletal findet sich erstmals 1888 eine Spur in Form einer Anzeige im Untermanhartsberger Kreis-Blatt, in der er darauf hinwies, dass er sein Tapezierer-Geschäft an die Adresse „Hauptplatz Nr. 33, Mistelbach“ verlegt habe.27 Bis 1898 basierten die Adressbezeichnung auf den sogenannten Konskriptionsnummern – ohne offizielle Straßen- bzw. Platzbezeichnung, und Nr. 33 entspräche der Adresse Hafnerstraße 7. Da also eine Durchnummerierung des Hauptplatzes im heutigen Sinne, früher nicht existierte, ist trotz des expliziten Zusatzes „Hauptplatz“ anzunehmen, dass sich das Geschäft in der damals noch namenlosen Hafnerstraße befand. Wenig später scheint Zapletal mit seinem Betrieb dann an wechselnden Adressen an der Ostseite des Mistelbacher Hauptplatzes (heutige Nr. 19, 20 21) auf und im Jahr 1899 wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft die Berechtigung zur Ausübung des Photographengewerbes erteilt.28 Mit Ausnahme einer undatierten Aufnahme fand sich zu seinem photographischen Wirken bisher keinerlei weitere Überlieferung. Auch die Tatsache, dass bei der einzig bekannten Aufnahme kein Karton mit eigenem Firmensujet verwendet wurde, sondern einer jener im Amateurbereich populären „Souvenir“-Kartons, deutet wohl eher auf Kurzlebigkeit des Betriebs hin. Als weiterer Beleg seines Wirkens ist eine im Jahr 1902 gelaufene Postkarte mit Motiven aus Ebendorf überliefert, die als Urheber „Zapletal & Comp., Mistelbach“ ausweist. Die letzte mysteriöse Spur von ihm findet sich allerdings bereits in einem Bericht der Floridsdorfer Zeitung aus dem Februar 1900, der die Schikanen beklagt denen die Gattin des abgängigen (!) Tapezierermeisters Zapletal beim Versuch der Weiterführung des Geschäfts ausgesetzt ist.29
1900 kam der gebürtige Wiener Leopold Forstner sen. (*1869, †192630), nach Mistelbach und eröffnete im Haus Wiedenstraße Nr. 6 (heute: Wohnhaus) sein Fotoatelier.31 Vor seiner Übersiedlung nach Mistelbach führte Forstner ab 1896 ein Atelier an der Adresse Währinger Gürtel Nr. 25.32 Robert Forstner, der spätere burgenländische Landesinnungsmeister der Fotografen erlernte das Fotografenhandwerk bei seinem Bruder Leopold in Mistelbach. Zunächst hatte Forstner das Haus Wiedenstraße Nr. 6 nur gemietet, bevor er es schließlich 1910 von der Familie Mörixbauer käuflich erwarb.33 Bei der Mistelbacher Handwerkerausstellung im Jahr 1912 wurde Forstner mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Von ihm stammen die meisten historischen Fotos, die die Entwicklung unserer Stadt dokumentieren und er verlegte auch Ansichtskarten mit Motiven aus Mistelbach bzw. den umliegenden Orten.
Das Haus Wiedenstraße Nr. 6 (erstes vollständig abgebildetes Haus von rechts) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Möglicherweise handelt es sich bei dem Kind um Leopold Forstner jun., der vor seinem Elternhaus posiert. Hinweis auf das hier ansässige Fotoatelier sind die Fotokästen, die auch an der Ecke zum Nachbarhaus angebracht sind.
Das umgebaute Atelier Leopold Forstner in der Wiedenstraße 6 im Jahr 1938
Nach dem Tod von Leopold Forstner sen., 1926, führte dessen Witwe Adelheid (Adele) (*1872, †1964) den Betrieb gemeinsam mit Leopold Forstner jun. (*1903, †194534), der in den Jahren 1918-1920 die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien absolviert hatte35, den Betrieb. Nachdem ihr Sohn 1938 offenbar sein eigenes Atelier in Mistelbach eröffnete, führte Frau Adele Forstner den Betrieb zunächst alleine weiter, bevor später ihre Tochter Maria, verehelichte Bott, in das Geschäft eintrat und dieses zusammen unter der Bezeichnung „Photoatelier Leopold Forstner’s Nachfolger M. Bott“ bzw. „Forstner-Bott“ bis etwa Mitte der 1960er Jahre weiterführten.
Adele Forstner 1915 als freiwillige Helferin im Mistelbacher Vereins-Reservespital des Roten Kreuzes
Forstner jun. (1938-1947)
1938 erhielt Leopold Forstner jun. (*1903, †194534) die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Photographengewerbes an der Adresse Franz Josef-Straße Nr. 4.36 Ob bzw. wie lange er das Gewerbe an diesem Standort ausübte ist unklar. Nach seinem Tod im Jahr 1945 eröffnete seine hinterbliebene Frau, Viktoria Forstner, im November 1946 ein Fotoatelier an der Adresse Hauptplatz Nr. 1737, das im Jahr darauf von Wilhelm Puchner übernommen wurde.38 Eine geschäftliche Verbindung zwischen den beiden Forstner Ateliers gab es während der Zeit ihrer parallelen Existenz offenbar nicht – im Gegenteil, Adele Forstner distanzierte sich 1946 anlässlich der Eröffnung des Ateliers durch ihre Schwiegertochter mittels eines Inserats von der innerfamiliären Konkurrenz.39
1906 eröffnete der aus Wien stammende Josef Plaschil jun. (*1874, †196040) sein Fotoatelier im Haus Hauptplatz Nr. 15.41
Josef Plaschil jun. im Jahre 1908
Bereits sein Vater Josef Plaschil sen. war ab den 1870er Jahren als Fotograf an wechselnden Standorten in Wien-Margareten (u.a. Hundsthurmerstraße 124), zwischenzeitlich in der Zeit vor bzw. während des Ersten Weltkrieges in Niederabsdorf bei Zistersdorf und anschließend wieder im 5. Wiener Gemeindebezirk tätig.42 Es ist also davon auszugehen, dass Josef Plaschil jun. das Fotografenhandwerk im väterlichen Betrieb erlernte und 1888/89 besuchte er die Graphische Versuchs- und Lehranstalt in Wien.43 Nachdem er im Mai 1915 einrücken musste, war Plaschil gezwungen sein Atelier (vorübergehend) zu schließen. Im Rahmen der russischen Brussilow-Offensive geriet er im Sommer des Jahres 1916 in russische Kriegsgefangenschaft und kam in ein Lager nach Sibirien. Die Oktoberrevolution des Jahres 1917 brachte den meisten Kriegsgefangenen in Russland die Freiheit, aber im Chaos des Zusammenbruchs der Zarenherrschaft und des bald darauf einsetzenden Bürgerkriegs war an eine rasche Heimkehr nicht zu denken. Plaschil, der während der Gefangenschaft Russisch gelernt hatte, fand Arbeit als Zeitungsfotograf und bereiste im Zuge dieser Tätigkeit in den folgenden Jahren weite Teile Russlands.44 Erst 1920 kehrte er nach Mistelbach zurück und nahm die Betriebstätigkeit in seinem alten Atelier wieder auf.45 Auch in verschiedenen Standesvertretungsgremien war Plaschil aktiv: 1921 wurde er zum Vorsitzenden der behördlichen Gesellenprüfungskommission für den Bezirk Mistelbach bestellt und 1923 zum Vertrauensmann der nö. Photographengenossenschaft für den Kreis Mistelbach gewählt.46
Diese Ansicht des Hauptplatzes aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zeigt ganz rechts die linke Hälfte des Hauses Hauptplatz Nr. 15. Auf der Vergrößerung kann mit etwas Mühe das Geschäftsschild „(Jo)sef Plaschil“ erkannt werden und auch der damals an Fotoateliers obligate Fotokasten.
Jedenfalls Beginn des Jahres 1924 fand sich sein Atelier dann bereits in der Mitschastraße, leider fehlt bei den Adressangaben in den 1920er Jahren stets die Hausnummer47. Laut dem Bericht eines Zeitzeugen befand sich Plaschils Atelier für einige Zeit in einem Holz-Gartenhaus nahe dem damaligen Schulgarten in der Mitschastraße.48 Die Tatsache, dass sich um kein wirkliches Gebäude handelte würde das Fehlen einer Hausnummer erklären und darüber hinaus das Auftauchen von Plaschil in diversen Gemeinderatsprotokollen in Zusammenhang mit der Pacht von Gemeindegrund, denn Schulgebäude und Schulgarten bzw. der angrenzende Grund waren natürlich im Besitz der Stadt. Der Großteil des ehemaligen Schulgartens ist heute mit dem in den 1960er Jahren errichteten Postgebäude verbaut und selbiges trägt die Adresse Mitschastraße Nr. 8. 1934 hatte Plaschil den Gemeinderat um kaufweise Überlassung des bisher gepachteten Gemeindegrundes (ohne nähere Beschreibung) ersucht, dieses Ansinnen wurde jedoch seitens der Gemeinderates abgelehnt und stattdessen wurde die Verlängerung des bisherigen Pachtverhältnisses angeboten.49 Doch dürfte Plaschil von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht haben, denn ab 1934 befand sich sein Atelier nur wenige Meter weiter an der Adresse Mitschastraße 12 (heute: Wohnhausanlage) bis er dieses schließlich im Dezember 1942 in sein Wohnhaus in der Roseggerstraße 1 verlegte.50
Dieses Foto zeigt die „Frohnerkreuzung“ während des in Mistelbach abgehaltenen Bezirks-Katholikentages des Jahres 1929. Am Haus Mitschastraße 1 (Eckhaus, daher auch Wiedenstraße 2) findet sich bei genauerer Betrachtung (siehe Vergrößerung) ein Hinweisschild „Fotograf“ inkl. Richtungspfeil in Form einer Hand, dass auf das zu jener Zeit in einem Holzhaus in der Mitschastraße befindliche Atelier von Josef Plaschil hinwies
Nach dem Krieg scheint Plaschil dann erstmals auf, als er mittels Anzeige im Mistelbacher Bote über eine zeitweilige Atelierschließung ab 1. Mai 1946 informierte51, bevor er auf selbem Wege im Dezember diesen Jahres die Wiederaufnahme seiner Geschäftstätigkeit verkündete.52. Die während seiner Kriegsgefangenschaft bzw. der darauffolgenden Tätigkeit in Russland erworbenen Sprachkenntnisse waren im Umgang mit der Besatzungsmacht sehr nützlich und so konnte er Übergriffe auf die Menschen in seiner Umgebung verhindern. Eine Würdigung seiner beruflichen Tätigkeit findet sich im Dezember des Jahres 1950 als Wilhelm Puchner, stellvertretend für alle Fotografen des Bezirks, „Altmeister“ Plaschil mit einem Bericht im Mistelbacher Bote anlässlich dessen 60-jährigen Berufsjubiläums gratulierte.53 Im 1959 von der Fotografeninnung veröffentlichten Handbuch der Berufsphotographen Österreichs bzw. den Folgeausgaben scheint Plaschil nicht mehr auf.54
Bildnachweis:
-) Portrait Alfred Wolfram – zVg von Herrn Köpler
-) Foto Atelier Forstner – Göstl Archiv
-) Rückseiten der Hartkartonfotos – Sammlung des Autors, Stadt-Museumsarchiv, zVg Frau Achleitner
-) Foto Josef Eibl und die Stätten seiner Geschäftstätigkeit in Mistelbach: dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Frau Achleitner
-) Foto Frohnerkreuzung (Hinweis Atelier Plaschil): zVg von Reg.Rat Alfred Englisch
Quellen & Anmerkungen:
- Fremden-Blatt, 19. Jänner 1868, S. 11 (ONB-ANNO)
- Fremden-Blatt, 15. Dezember 1864, S. 9 (ONB-ANNO)
- Allgemeines Adress – Handbuch ausübender Photographen von Deutschland, den österr. Kaiserstaaten, der Schweiz und den Hauptstädten der angrenzenden Länder (1866), S. 69 (Online in den Beständen der Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB));
Fromme, Carl: Adressbuch für Photographie und verwandte Fächer (1879), S. 158 - Photographische Correspondenz, Nr. 129, 1875, S. 19f (ONB: ANNO);
Photographische Correspondenz, Nr. 144, 1876, S. 65 (ONB: ANNO) - Fromme, Carl: Adressbuch für Photographie und verwandte Fächer (1879), S. 158
- Pfarre Stammersdorf: Sterbebuch (1911-1932), Fol. 113
Eintrag Sterbebuch Pfarre Stammersdorf - Photographische Notizen (1881), S. 47
- Auspitzer Wochenblatt, Nr. 37/1885, S. 5
- Bote aus Mistelbach, Nr. 23/1889, S. 5
- Biobibliografie zur Fotografie in Österreich – Albertina Sammlungen Online: Eintrag Killmann & Wolfram
- Bote aus Mistelbach, Nr. 19/1893, S. 12
- Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 354
- Zankl, A.: Adress-Buch der Photographen Österreichs (1901) (Anm.: Mistelbach fehlt in diesem Verzeichnis leider, obwohl es erwiesenermaßen mindestens einen Fotografen gegeben hat)
- Österreichischer Zentralkataster sämtlicher Handels-, Industrie- und Gewerbebetriebe (1903), IX. Band – Mähren und Schlesien, S. 9 (Digitalisat in den Beständen der ONB)
- Österreichischer Zentralkataster sämtlicher Handels-, Industrie- und Gewerbebetriebe (1908), XVI. Band – Handelskammerbezirk Brünn, S. 8 (Digitalisat in den Beständen der ONB)
- Starl, Timm: Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945 (2005), S. 520
- Novotna, Barbora: „Samospráva města Hustopeče 1918-1938“ (Stadtverwaltung von Auspitz 1918-1938)
- Bote aus Mistelbach, Nr. 18/1891, S. 9
- Biobibliografie zur Fotografie in Österreich – Albertina Sammlungen Online: Eintrag Eibl
Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adressbuch für die Bundeshauptstadt Wien, 1894, 36. Jg., Bd. 2, Namensverzeichnis, S. 189 Onlinebestand Wienbibliothek
Neues Wiener Journal, 17. Oktober 1894, S. 12 (ONB: ANNO)
Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adressbuch für die Bundeshauptstadt Wien, 1896, 38. Jg., Bd. 2, Namensverzeichnis, S. 201 Onlinebestand Wienbibliothek
(Da die jeweiligen Ausgaben des Lehmann bereits am Ende des vorhergehenden Jahres gedruckt wurden, ist es natürlich korrekt, dass die genannten Personen auch schon in diesem Jahr in Wien wohnhaft bzw. geschäftlich tätig waren. Als Quelle für die Verlegungen des Ateliers dienten auch die folgenden Jahrgänge des Lehmann.)
Österreichische Photographen-Zeitung, Heft 5, 1906, S. 79 (ONB: ANNO) (offenbar erfolgte die Rücklegung der Gewerbeberechtigung für die Filiale an seiner Wohnadresse erst 1906, allerdings finden sich tatsächlich nur in den Jahren 1898-1901 Spuren geschäftlicher Aktivität an dieser Adresse.)
Österreichische Photographen-Zeitung, Heft 5, 1910, S. 76 (ONB: ANNO)
Allgemeine photographische Zeitung, Heft 1, 1935, S. 8 (ONB: ANNO) - Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1890-1899), Fol. 122
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Pfarre Wien-Maria Treu: Trauungsbuch (1888-1894), Fol. 198
Eintrag Trauungsbuch Pfarre Maria Treu - Pfarre Ernstbrunn: Taufbuch (1882-1898), Fol. 143
Eintrag Taufbuch Pfarre Ernstbrunn
Pfarre Mistelbach: Taufbuch (1883-1894), Fol. 382
Eintrag Taufbuch Pfarre Mistelbach - Bote aus Mistelbach, Nr. 17/1899, S. 11
- Zankl, A.: Adress-Buch der Photographen Österreichs (1901)
- Bote aus Mistelbach, Nr. 4/1902, S. 19
- Amts-Blatt der k.k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Nr. 47/1913, S. 202
- Untermanhartsberger Kreis-Blatt, Nr. 9/1888, S. 8
- Amts-Blatt der k.k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Nr. 33/1899, S. 140
- Floridsdorfer Zeitung, 10. Februar 1900 (7. Jg. – Nr. 6), S. 3 (ONB: ANNO)
- Pfarre Wien-St. Johann Nepomuk: Taufbuch (1868-1871), Fol. 91
Eintrag Taufbuch Pfarre St. Johann Nepomuk
Pfarre Mistelbach: Sterbebuch (1921-1934), Fol. 201
Eintrag Sterbebuch Pfarre Mistelbach - Amts-Blatt der k.k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Nr. 44/1900, S. 183
- Biobibliografie zur Fotografie in Österreich – Albertina Sammlungen Online: Eintrag Leopold Forstner;
Mistelbacher Bote, Nr. 24/1949, S. 3 – Anm: hier wird in einem Bericht über die ältesten Gewerbetreibenden erwähnt, dass Forstners Unternehmen seit 1896 besteht. Erstaunlich ist jedoch, dass Forstners zwischen 1896 und 1900 nicht als Fotograf in Lehmann’s Handel- und Gewerbe-Adreßbuch aufscheint. - historische Grundbuchsblätter im Niederösterreichischen Landesarchiv (Außenstelle Bad Pirawarth)
- Pfarre Mistelbach: Taufbuch (1899-1906), Fol. 250
Eintrag Taufbuch Pfarre Mistelbach - Starl, Timm: Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945 (2005), S. 128f (in dem Eintrag werden die Biografien von Vater und Sohn vermischt)
- Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Jg. 56 (1938), Nr. 48, S. 110
- Mistelbacher Bote, Nr. 46/1946, S. 4
- Festbeilage „80 Jahre Stadt Mistelbach“ zur Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 24/1954; Verschönerungsverein der Stadt Mistelbach (Hrsg.): „Mistelbach gestern, heute, morgen“ – Festschrift zur Ausstellung des Verschönerungsvereins der Stadt Mistelbach vom 17. bis 24. August 1947 (Anzeigenteil)
- Mistelbacher Bote, Nr. 49/1946, S. 4
- Pfarre Wien-St. Josef zu Margareten: Taufbuch (1874), Fol. 217
Eintrag Taufbuch Pfarre St. Josef zu Margareten - Bote aus Mistelbach, Nr. 39/1906, S. 9;
Amts-Blatt der k.k. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Nr. 47/1906, S. 186; - Starl, Timm: Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945 (2005), S. 375
- Weinviertler Nachrichten, Nr. 9/1960, S. 2
- Mistelbacher Bote, Nr. 19/1915, S. 9 (ONB: ANNO);
Englisch, Alfred: Bewegung verändert (2013), S. 23 - Sitzungs- und Geschäftsberichte der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien, 1921, S. 123 (Google Books);
Allgemeine photographische Zeitung, Heft 16, 1923, S. 14 (ONB: ANNO) - Mistelbacher Bote, Nr. 1/1924, S. 2 (ONB: ANNO);
Mistelbacher Bote, Nr. 29/1925, S. 2 (ONB: ANNO) - Mitteilung durch Herrn Alfred Englisch laut Erzählung von Herrn Ing. Hans Kummer
- Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeinderatssitzung vom 30.05.1934 In: Mistelbacher Bote, Nr. 23/1934, S. 4 (ONB: ANNO)
- Detoni, Josef (Hrsg.): Österreichisches Photo-Adreßbuch (1934), S. 7
Detoni, Josef (Hrsg.): Österreichisches Photo-Adreßbuch (1937), S. 9;
Donauwacht Nr. 51/1942, Beilage Kreis Mistelbach - Mistelbacher Bote, Nr. 17/1946, S. 4
- Mistelbacher Bote, Nr. 51/1946, S. 4
- Mistelbacher Bote, Nr. 51/1950, S. 3
- Handbuch der Berufsphotographen Österreichs (1959)