Bürgermeister Direktor Alfred Schöller
* 26.9.1921, Lanzendorf
† 19.4.2000, Lanzendorf
Alfred Schöller wurde 1921 als siebentes von zehn Kindern in die Familie von Johann Schöller, Werkmann bzw. später Werkmeister bei der Landesbahn, und dessen Ehefrau Emilie, geb. Šobra, in Lanzendorf geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule in Mistelbach, trat er im September 1935 als Lehrling in die Zentralmolkerei Mistelbach ein. Dem Lehrabschluss folgte 1938/39 eine Ausbildung an der Molkereischule Wolfpassing (Bezirk Scheibbs), die Schöller mit ausgezeichnetem Erfolg absolvierte. 1940 wurde er zunächst zum Reichsarbeitsdienst und anschließend in die Deutsche Wehrmacht eingezogen. Unteroffizier Schöller, der mit mehreren Tapferkeitsauszeichnungen dekoriert wurde, war von 1941 bis 1942 als Militärbote in Südfrankreich und danach an der Ostfront eingesetzt. Im August 1943 wurde er in Russland durch eine Granatenexplosion schwer verwundet und nach längeren Lazarettaufenthalten in Warschau bzw. in Stein a.d. Oder, kehrte er 1944 als Betriebsleiter-Stellvertreter in die Molkerei Mistelbach zurück.
Alfred Schöller im Jahre 1945
In der Zeit unmittelbar nach Kriegsende war Schöller neben seiner Tätigkeit in der Molkerei auch Polizist bei der Mistelbacher Stadtpolizei, wie dies ein Ausweis datiert auf Juni 1945 belegt und diesem ist auch das obige Bild entnommen. Im Oktober desselben Jahres heiratete er Jola Marie Liebhart und dieser Ehe entstammten vier Kinder. Bald nach dessen Gründung engagierte er sich im Österreichischen Gewerkschaftsbund, war ab 1946 Betriebsrat in der Molkerei Mistelbach und 1948 auch Gründungsmitglied und später Obmann der Mistelbacher Ortsgruppe der Gewerkschaft der Privatangestellten. Im Zuge der ersten Gemeindevertretungswahl nach dem Krieg im Jahr 1950, zog er der ÖAAB-Mann Schöller für die ÖVP in den Lanzendorfer Gemeinderat ein. Die Wahlergebnisse nach dem Krieg waren in Lanzendorf stets knapp und nachdem die SPÖ 1950 bei den Gemeinderatswahlen noch die Stimmenmehrheit erreicht hatte, konnte sich bei der Wahl 1955 dann die ÖVP knapp als Sieger durchsetzen. Dieser Erfolg ist zweifellos ein Verdienst Schöllers als Spitzenkandidat und im Zuge der konstituierenden Gemeinderatssitzung wurde er zum Bürgermeister von Lanzendorf gewählt. Die folgende Gemeinderatswahl im Jahr 1960 brachte neuerlich ein knappes Ergebnis – beide Parteien erhielten die gleiche Stimmenanzahl – und somit wurde mittels Los entschieden, welcher Partei das über die Mehrheit entscheidende achte Mandat zufallen sollte. Das Los fiel zugunsten der SPÖ aus, doch im Nachgang beeinspruchte Schöller einen als ungültig gewerteten Stimmzettel bei der Landeswahlbehörde und somit wurde das entscheidende Mandat der SPÖ wieder entzogen und der ÖVP zugesprochen. In der Folge kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen SPÖ und ÖVP, und die SPÖ-Mandatare verweigerten die Angelobung. Aufgrund dieser Tatsache war die Landesregierung gezwungen den Gemeinderat aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen. In der Zeit von Sommer 1960 bis Jänner 1961 wurden die Gemeindegeschäfte durch einen als Verwalter eingesetzten Beamten der Bezirkshauptmannschaft geführt. Im Zuge des Wahlkampfs für diese Neuwahl kam es zwar zu einer Abspaltung der ÖVP und schließlich gar zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Schöller und der SPÖ, in der ersterer im Wesentlichen obsiegte. Die Strategie der SPÖ ging nicht auf und es gelang der ÖVP bei der im Jänner 1961 erfolgten Wahl eine klare Mehrheit zu erringen. Abgesehen von dieser Unterbrechung war Schöller von 1955 bis Ende des Jahres 1966, dem Zeitpunkt der Eingemeindung Lanzendorfs zu Mistelbach, Bürgermeister der Gemeinde Lanzendorf. Aber damit endete sein kommunalpolitisches Engagement keineswegs, denn von 1967 bis 1975 wirkte er als Stadtrat für Straßenbau und Verkehrswesen der Stadt Mistelbach und Ortsvorsteher der Katastralgemeinde Lanzendorf. Beruflich war Schöller bereits ab 1972 Betriebsleiter und von 1975 bis zu seinem Übertritt in den Ruhestand, 1981, schließlich Direktor der Zentralmolkerei Mistelbach.
Stadtrat Schöller an seinem Schreibtisch im Jahre 1970
Bereits seit den 1980er Jahren befasste er sich mit lokalgeschichtlichen Recherchen, veröffentlichte kleine Schriften (60 Jahre FF Lanzendorf, Festschrift Zentralmolkerei, etc.), und gemeinsam mit seiner Gattin Jolanda, und Johann Schön verfasste er die 1996 vom Dorferneuerungsverein herausgegebene Publikation „Lanzendorf: Einst und heute – eine kleine Ortschronik“. Neben seinem politischen Engagement war Schöller natürlich auch bei zahlreichen Lanzendorfer und Mistelbacher Vereinen aktiv und engagierte sich für die Gemeinschaft. Ein bleibendes Denkmal seines Wirkens ist die in den Jahren 1969-70 errichtete und dem hl. Florian geweihte Kirche in Lanzendorf. Die Vorarbeiten zu deren Planung begannen bereits mehr als zehn Jahre zuvor und als Obmann des Kapellenbauvereins war Schöller unermüdlicher Motor des Projekts, eifriger Spendensammler und Organisator der Einsätze der vielen freiwilligen Helfer. Gemeinsam mit Stadtpfarrer P. Volkmar Kraus, dem Architekten Albert Bürger und dem für die künstlerische Gestaltung verantwortlichen P. Ivo Schaible gilt er als einer der vier „Kirchenväter“ dieses neuerbauten Gotteshauses. Für seine großartige Leistung wurde er von Kardinal König mit dem Stephanus Orden in Silber, einer hohen Auszeichnung der Erzdiözese, geehrt.
1996 wurde ihm und weiteren Altbürgermeistern der Katastralgemeinden der Wappenring der Stadtgemeinde Mistelbach verliehen. Alfred Schöller erlag im Jahr 2000 einer Krebserkrankung und wurde auf dem Mistelbacher Friedhof beerdigt. In Würdigung Schöllers großer Verdienste um das Gemeinwohl wurde mit Beschluss des Gemeinderates vom 7. März 2001 der Platz gegenüber seinem Wohnhaus in Lanzendorf „Alfred Schöller-Platz“ benannt.
Wo befindet sich der Alfred Schöller-Platz?
Bildnachweis:
Schöller im Jahr 1970: Wilhelm Mliko – Stadtmuseumsarchiv Mistelbach
Quellen (und Anmerkungen):
-) Lebenslauf und Portraitfotos zur Verfügung gestellt von Dr. Alfred Schöller (Sohn)
-) Schöller, Alfred & Jolanda/ Schön, Johann: Lanzendorf – einst und heute, eine kleine Ortschronik (1996)
(in „Lanzendorf – einst und heute“ ist das Jahr der ersten Gemeinderatswahl irrtümlich mit 1949 angegeben, ein Fehler der dann auch im Buch „125 Jahre Stadt Mistelbach – ein Lesebuch“ übernommen wurde. Tatsächlich fanden die ersten freien Gemeinderatswahlen niederösterreichweit am 7. Mai 1950 statt, zuvor wurden die Gemeinderäte auf Basis der Nationalrats- bzw. Landtagswahlergebnisse laut Vorschlag der Parteien durch die Landesregierung ernannt; im Lebenslauf ist der Einzug in den Gemeinderat mit 1949 angegeben, wobei es sich hierbei um einen durch eingangs erwähnten Fehler hervorgerufenen Irrtum handeln dürfte, denn Anhaltspunkte für eine Nachnominierung durch die LReg wurden nicht gefunden)
-) Mistelbacher Gemeindezeitung, 3/2000, S. 20 (Nachruf)