Schoiber, Ernst

amtsführender Landesschulratspräsident Hofrat Ernst Schoiber

* 28.2.1908, St. Pölten
† 13.12.1990, Scheibbs

Ernst Schoiber erblickte als Sohn eines katholischen Vaters, Emmerich Schoiber – Werkmann bei den k.k. Staatsbahnen, und einer evangelischen Mutter, Antonie, geb. Litawsky, 1908 in St. Pölten das Licht der Welt. Er wurde gemäß dem Wunsch seiner Familie mütterlicherseits evangelisch getauft, trat jedoch bereits in jungen Jahren zum katholischen Glauben über. Durch einen Unfall verlor die Familie 1914 den Vater und Ernährer und um für sich und ihren Sohn den Unterhalt bestreiten zu können, arbeitete seine Mutter bei der im St. Pöltner Preßhaus befindlichen Filiale des Kolonialwaren- und Lebensmitteleinzelhandelsunternehmens Brüder Kunz, viele Jahre davon als Leiterin dieser Filiale.1

Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule in St. Pölten absolvierte Schoiber die Ausbildung an der hiesigen Lehrerbildungsanstalt, die er 1927 mit der Reifeprüfung abschloss. Während seiner Zeit an der Lehrerbildungsanstalt wurde er Mitglied der katholischen Mittelschulverbindung Carolina St. Pölten, der er zeitlebens stets eng verbunden blieb. Aufgrund der damaligen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse war es für Junglehrer äußerst schwierig im Schuldienst Aufnahme zu finden und so konnte er erst drei Jahre nach Abschluss seiner Ausbildung den Lehrberuf tatsächlich ausüben. Zwischenzeitlich war er beim damaligen Nationalratsabgeordneten und späteren Bundeskanzler Dipl.-Ing. Julius Raab angestellt und für die christlich-soziale Partei tätig.

Ab 1930 wirkte Schoiber als Lehrer unter anderem an der Volksschule in St. Georgen am Steinfelde (heute Stadtteil St. Pölten), und nachdem er bereits vorher aushilfsweise an Hauptschulen unterrichtet und 1934 die Lehrbefugnis für diesen Schultyp erworben hatte, fortan an der Hauptschule für Knaben in St. Pölten. Im November 1935 schloss er die Ehe mit der Gastwirtstochter Maria Rauscheder2, und aus dieser Verbindung entstammten drei Kinder, wobei der älteste Sohn während des Krieges aufgrund Medikamentenmangels verstarb. Nach dem „Anschluss“ wurde Schoiber aufgrund seiner politischen Weltanschauung nach Scheibbs strafversetzt und 1942 nach sechswöchiger Ausbildung als Wehrmachtsoldat an die Ostfront entsandt. Nach seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft war er zunächst wieder als Hauptschullehrer in Scheibbs tätig, bevor er 1948 zum Leiter der Volks- und Hauptschule Steinakirchen ernannt wurde.

Unmittelbar nach seiner Heimkehr begann auch sein politisches Engagement bei der Österreichischen Volkspartei und neben seiner Tätigkeit als langjähriger Obmann der ÖVP-Bezirkspartei Scheibbs, gehörte Ernst Schoiber auch der Gemeindevertretung der Stadt Scheibbs an und zwar von 1955 bis 1960 als Stadtrat und von 1960 bis 1965 als Gemeinderat. Beruflich war seine nächste Station 1951 die Ernennung zum Bezirksschulinspektor des Bezirks Scheibbs und schließlich 1959 die Berufung zum amtsführenden Präsidenten des niederösterreichischen Landesschulrates. Als amtsführender Landesschulratspräsident – per Gesetz ist der Landesschulratspräsident der Landeshauptmann – diente er unter vier Landeshauptmännern und bekleidete dieses Amt bis zu seinem Übertritt in den Ruhestand im Jahre 1975. Während seiner Amtszeit machte er sich besonders verdient um die Institutionalisierung der Lehrerfortbildung, die Reorganisation des Pflichtschulwesens in Niederösterreich, Umsetzung und Vollzug des Schulorganisationsgesetzes 1962, den Ausbau des mittleren und höheren Schulwesens und gilt als Vorkämpfer für die Schülerfreifahrt.

Weiters war Hofrat Schoiber von 1964 bis 1974 Abgeordneter zum niederösterreichischen Landtag für den politischen Bezirk Scheibbs und in Würdigung seiner vielfältigen Verdienste wurde er 1968 zum Ehrenbürger der Stadt Scheibbs ernannt.3 Bereits fünf Jahre vorher, nämlich 1963 wurde Schoiber für seinen besonderen Einsatz in Zusammenhang mit der Errichtung des musisch-pädagogischen Gymnasiums in Mistelbach zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.


1990 verstarb Hofrat Schoiber im 83. Lebensjahr in Scheibbs. Im Jahr 2009 beschloss der Mistelbacher Gemeinderat die in einer neuen Siedlung zu errichtenden Straßen nach Ehrenbürgern aus der jüngeren Geschichte der Stadt Mistelbach zu benennen und seither existiert die Ernst Schoiber-Straße.

Wo befindet sich die Ernst Schoiber-Straße?

 

Bildnachweis:
Portraitfoto s/w: Hakala, Hans: 100 Jahre Hauptschule Zwettl-NÖ (1972), S. 75
Ehrenbürgerernennung: Erlaftal-Bote, 10/1968, S. 1
Portraitfoto Farbe: zVfg: wHR Dr. Walter Schoiber (Sohn)

Quellen:
-) Erlaftal-Bote, 10/1968, S. 1
-) Erlaftal-Bote, 10/1978, S. 9
-) Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, 1/1991, S. 4
-) Auskunft bzw. Lebenslauf zVfg: wHR Dr. Walter Schoiber (Sohn)
-) Niederösterreichisches Lehrerbuch 1932, S. 179
-) Niederösterreichisches Lehrerbuch 1935, S. 151
-) Niederösterreichisches Lehrerbuch 1954, S. 230
-) Eintrag zu Ernst Schoiber im Biographischen Handbuch des NÖ Landtages 1861–1921

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Lackner, Lucius

Geistl. Rat P. Lucius Lackner SDS

* 3.1.1884, Wang (Oberbayern)
† 26.4.1958, Mistelbach

Pater Lucius wurde als Sebastian Lackner gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester Maria am 3. Jänner 1884 in die kinderreiche Familie des Landwirtsehepaares Josef und Maria Lackner im oberbayrischen Wang, Landkreis Freising, geboren.4 Am 3. März 1903 trat er als Klerikerkandidat in die Gesellschaft des göttlichen Heilands – den Salvatorianerorden – ein und erhielt den Ordensnamen Lucius. Sein Eintritt erfolgte im Studienhaus des Ordens in Tivoli bei Rom in dem er bis zu Beginn seines Noviziats im Oktober 1906 blieb, bevor er in das Mutterhaus des Ordens nach Rom übersiedelte, wo er ein Jahr später in den Händen des Ordensgründers Pater Franziskus Maria vom Kreuze Jordan die erste Profess ablegte. Von 1907 bis 1909 absolvierte er philosophische und von 1909 bis 1913 theologische Studien an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Zwei Jahre nach dem Ablegen der ewigen Profess wurde er am 10. August 1912 in der „ewigen Stadt“ zum Priester geweiht und war anschließend von 1913 bis zum Frühjahr 1915 in Porto Recanati, einer an der Adria gelegenen italienischen Kleinstadt nahe Ancona, in der Seelsorge tätig.

Der junge P. Lucius (rechts) mit Priesterkollegen, etwa zur Zeit des 1. Weltkriegs

1915 wurde Lackner in die österreichische Ordensprovinz entsandt und dieser Wechsel steht wohl in Zusammenhang mit dem in diesem Jahr erfolgten Kriegseintritt Italiens. Seine Wirkungsstätte war zunächst das Kollegium seines Ordens am Salvatorianerplatz in Wien-Favoriten samt der zugehörigen Pfarre „Zu den Heiligen Aposteln“ und die Knabenvolksschule Puchsbaumgasse sowie die Mädchenvolksschule Herzgasse (87) an denen er als Religionslehrer unterrichtete.5 Bereits im Jahr darauf wechselte er in das Salvatorianerkollegium am Schüttauplatz in Wien-Kaisermühlen und war als Seelsorger in der dortigen Herzjesu-Kirche tätig. Bis zu seiner Ernennung zum Kooperator (Kaplan) im Jahre 1923 war P. Lucius als Religionslehrer an folgenden Schulen tätig: 1916 an der Mädchenvolksschule Wolfgang-Schmälzl-Gasse in Wien-Leopoldstadt, 1917 an der Knabenbürgerschule Leystraße in Wien-Brigittenau, und ab 1918 an der Knabenbürgerschule Schüttaustraße in Kaisermühlen.6 Während seiner Zeit in Wien zeichnete er sich durch unermüdliche Tätigkeit als Katechet (Religionslehrer), Prediger und Vereinsorganisator aus und so wurde von der Ordensleitung beschlossen ihn als Pfarrverweser nach Mistelbach zu berufen und am Heiligen Abend des Jahres 1929 trat er seine neue Stelle als Stadtpfarrer von Mistelbach an. Sein Charakter wird in manchen Belangen als für einen Pfarrer eher untypisch beschrieben, doch unter seiner rauen Schale trug er ein goldenes Herz und seine Bescheidenheit, seine tiefe Frömmigkeit und nicht zuletzt sein urwüchsiger bayrischer Humor brachten ihm bald die Sympathien der Mistelbacher Bevölkerung ein. Ein besonderes Anliegen war ihm die Ausgestaltung des Gotteshauses und er scheute keinen der vielen notwendigen Bettelwege für die von ihm initiierte umfangreiche Renovierung der Pfarrkirche im Jahre 1935.

Ein Foto der Feierlichkeiten anlässlich des 25-jährigen Priesterjubiläums von P. Lucius im Jahr 1937

Sein Wirken als Oberhaupt der Mistelbacher Pfarre fiel in die schwere Zeit der NS-Herrschaft, während der 1940 das Kolleg beschlagnahmt wurde und das religiöse Leben stark eingeschränkt war. Als Ersatzquartier wurde der Ordensgemeinschaft ein Haus am Südtirolerplatz zugewiesen und Pater Lucius fand Aufnahme im Haus der Familie Edhofer in unmittelbarer Nähe zum Kolleg. Der Stadtpfarrer war insbesondere den bereits in der Illegalität aktiv gewesenen Nazis verhasst und mehrfach wurde P. Lucius zur Kreisleitung der NSDAP bzw. zur GESTAPO zitiert, unter anderem wegen des Ansetzens einer Jugendveranstaltung zeitgleich mit einer HJ-Veranstaltung.7 Als in den Apriltagen des Jahres 1945 die Rote Armee Mistelbach einnahm, öffnete er allen Schutzsuchenden, insbesondere den Frauen, die Tore des nach dem Abzug der Nazis wieder in Besitz genommenen Kollegs, und infolgedessen musste er die Erschießung seines Mitbruders P. Titus Helde durch einen sowjetischen Soldaten hautnah miterleben.8 Auch die folgenden Jahre der Besatzungszeit waren keineswegs einfach und die Beseitigung der schweren Kriegsschäden an der Pfarrkirche nur unter großer Anstrengung möglich. Die schwere Zeit zehrte an seiner Gesundheit und so musste er bereits 1948, das erst zwei Jahre zuvor übernommene Amt des Dechants des Dekanats Wilfersdorf, zu dem Mistelbach gehört, wieder zurücklegen. Trotz seines sich verschlechternden Seh- und Hörvermögens und weiterer körperlicher Leiden blieb P. Lucius auch nach dem Ende seiner Funktion als Stadtpfarrer 1949 unermüdlich in der Seelsorge in Mistelbach tätig.

Nach langem schwerem Leiden verstarb P. Lucius 1958 und wurde im hinter dem Hochaltar gelegenen Priestergrab an der Außenmauer der Pfarrkirche beigesetzt. 2003 beschloss der Mistelbacher Gemeinderat einer im Gewerbegebiet hinter der M-City gelegenen Straße den Namen Luzius Lackner-Straße zu verleihen.


Wo befindet sich die Luzius Lackner-Straße?

 

Bildnachweis:
Bild 2 & 3 mit freundlicher Genehmigung von Fr. Christa Jakob

Quellen:
-) Mistelbacher Bote, Nr. 27/1952, S. 3
-) Mistelbacher Laaer Zeitung, Nr. 27/1952, S. 2 (in diesem aus Anlass seines 40-jährigen Priesterjubliäums erschienen Artikel ist fälschlicherweise der 3. Juli 1884 als Geburtsdatum angeführt)
-) Mistelbacher Bote, Nr. 19/1958, S. 3
-) Mistelbacher Laaer Zeitung, Nr. 19/1958, S. 2
-) Mitteilungen der Salvatorianer, Nr. 9, November 1957, S.25f
-) Mitteilungen der Salvatorianer, Nr. 11, November 1958, S.26f
-) Auskunft P. Peter van Meijl SDS, Ordenshistoriker und Provinzarchivar des Salvatorianerordens in Österreich
-) Jakob, Christa: Bewegte Geschichte – 90 Jahre Salvatorianer in Mistelbach (2014), Band XIII der Reihe Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart

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Mistelbach in der Zeitung – Teil 4 (1924-1939)

Der letzte Teil dieser Reihe, die sich mit alten Zeitungsberichten befasst, die das Geschehen in Mistelbach auch mit Bildern dokumentieren, beinhaltet diesmal zu Beginn auch einen kleinen Exkurs ins Umland von Mistelbach, jedoch mit Konnex zur Katastralgemeinde Hüttendorf.

Die Geschwister Nissler – „der dicke Toni & die dicke Wetti“

1924 berichtet das Interessante Blatt erstmals von einem Riesenkind aus Ladendorf. Das damals drei Jahre und drei Monate alte, als blondlockig und blauäugig beschriebene, „Riesenbuberl“ wog bei einer Größe von 110 Zentimetern stolze 56 Kilogramm. Weitere Daten: Taillenumfang: 140 cm, Kopfweite: 64 cm und Schenkelumfang 70 cm. Zwar wird in diesem ersten Bericht nicht der Name des Kindes genannt, doch handelt es sich zweifellos um Anton Nissler jun. (auch Nißler), den 1921 in Ladendorf geborenen Sohn eines Hüttendorfer Gastwirts und einer Ladendorfer Landwirtstochter.9 Bei seiner Geburt wog er 4,8 kg, sechs Monate später bereits 12 kg und mit einem Jahr unglaubliche 24 kg – dieses Gewicht entspricht jenem eines 8-jährigen Buben. Die Eltern (ebenso wie vier später geborene Geschwister) waren körperlich unauffällig, doch auch eine damals erst etwas mehr als ein Jahr alte Tochter der Familie zeigte bereits deutliche Anlagen zum „Riesenwuchs“. Aufgrund seiner gewaltigen Ausmaße war auch Anton Nissler jun. in Feigls Weltschau, einem Kuriositätenkabinett im Wiener Prater, zu sehen.

Anton Nissler jun. im Jahre 1924

Das interessante Blatt, 22. Mai 1924, S. 4 (ONB-ANNO)

Nachdem der Vater Mitte der Zwanzigerjahre das Gasthaus in Pellendorf übernommen hatte, lesen wir in den Jahren 1926 bzw. 1927 erneut von den „Riesenkindern aus Pellendorf“ und es bestätigte sich, dass auch die 1923 in Hüttendorf geborene Tochter Barbara („Wetti“) in Sachen Körperbau ganz nach der Art ihres Bruders geriet. In den entbehrungsreichen Zwanzigerjahren lockten die beiden unglaublich korpulenten Kinder zahlreiche Besucher in das Gasthaus der Familie.

Anton Nissler (1921-1981) im Jahr 1926: 5 Jahre und 4 Monate alt, 120 cm, 73 kg

Anton Nissler  im Jahr 1926: 5 Jahre und 4 Monate alt, 120 cm, 73 kg

Barbara "Wetti" Nissler im Jahr 1926: 2 Jahre und 6 Monate alt, 90 cm, 38 kg

Barbara „Wetti“ Nissler im Jahr 1926: 2 Jahre und 6 Monate alt, 90 cm, 38 kg

 

Die Geschwister Nissler 1927: Toni (links) 6 Jahre und 7 Monate alt, 86 kg und Wetti (rechts) 3 Jahre und 10 Monate alt, 48,5 kg

Die Geschwister Nissler 1927: Toni (links) 6 Jahre und 7 Monate alt, 86 kg
und Wetti (rechts) 3 Jahre und 10 Monate alt, 48,5 kg

Dass die Leibesfülle der beiden im Laufe ihres Lebens nicht abnahm, überrascht wohl kaum, insbesondere da die sie wie sich später herausstellte an einer Drüsenstörung litten, die ihre Körper auf diese außergewöhnliche Größe anwachsen ließ. Anton und Wetti arbeiteten nach der Schule im Gasthaus bzw. Haushalt ihrer Eltern mit, wohnten später gemeinsam in Wien und verdingten sich unter anderem durch Teilnahme an Jahrmarkt-Tourneen im In- und Ausland. Sogar das deutsche Fernsehen interessierte sich für „den dicken Toni und die dicke Wetti“ als die die beiden auch im Weinviertel weithin bekannt waren. In einem Bericht der Weinviertler Nachrichten aus dem Jahr 1964 werden die beiden als das „Schwerstes Geschwisterpaar Europas“ bezeichnet – eine Beschreibung mit der sie wohl auf ihren Tourneen warben. Wetti damals 40 Jahre, alt wog zu diesem Zeitpunkt 145 kg und maß einen Brustumfang von 140 cm. Anton damals 43 Jahre alt, wog 210 kg und maß an der Brust 190 cm und an der Hüfte 210 cm im Umfang. Um die Probleme solcher Körperfülle zu veranschaulichen wird in dem Bericht der Weinviertler Nachrichten unter anderem erwähnt, dass für einen Anzug für Anton Nissler etwa 5 Meter Stoff benötigt werden und er Hemden mit Kragenweite 55 benötigt. Anton Nissler verstarb 1981, seine Schwester Wetti im Jahre 2006 und beide ruhen auf dem Pellendorfer Friedhof.

Fotos: Josef Plaschil, Mistelbach; Foto Wetti Nissler 1933 aus dem Göstl-Archiv
Das interessante Blatt, 22. Mai 1924, S. 4 (ONB-ANNO)
Das interessante Blatt, 16. September 1926, S. 6 (ONB-ANNO)
Das interessante Blatt, 29. September 1927, S. 8 (ONB-ANNO)
Weinviertler Nachrichten, Nr. 36/1964, S. 1
(Lebensdaten & korrekte Namensschreibweise: Grabstein Familie Nissler – Friedhof Pellendorf)


Goldene Hochzeit Altbürgermeister Freund – 1927

Am 13. Februar 1927 feierte der ehemalige Landtagsabgeordnete und langjährige Bürgermeister von Mistelbach, Thomas Freund gemeinsam mit seiner Gattin Anna, das Jubiläum der goldenen Hochzeit. Zum diesem Anlass übermittelten sogar Bundespräsident Dr. Hainisch, Bundeskanzler Dr. Seipel und Landeshauptmann Buresch ihre herzlichen Glückwünsche und in Mistelbach wurde zu Ehren des Ehepaares Freund ein großer Fackelzug abgehalten.

Die Eheleute Anna und Thomas Freund 1927Die Eheleute Anna und Thomas Freund 1927

Das interessante Blatt, 24. Februar 1927, S. 8 (ONB-ANNO)


Große Weinkost bei Weinhändler Roller – 1928

Am 21. Februar 1928 fand eine große Weinkost im Kellereibetrieb des Mistelbacher Weingroßhändlers Felix Roller statt, an der laut einem Zeitungsbericht rund 600 geladene Gäste teilnahmen. Die gereichten Weine fanden großen Anklang und unter den Teilnehmern waren auch Landeshauptmann Dr. Karl Buresch und der christlich-soziale Nationalratsabgeordnete Richard Wollek. Die Aufnahme zeigt einen Teil der Gäste vor dem von den Barnabiten im 17. Jahrhundert angelegten großen Klosterkeller – dem einstmals größten Keller des Landes – den Roller bis in die 1950er Jahre gepachtet hatte.


Foto: Leopold Forstner
Das interessante Blatt, 1. März 1928, S. 6 (ONB-ANNO)


Landesverbandsschießen in Mistelbach – 1929

Von 29. Juni bis 7. Juli 1929 fand das 14. niederösterreichische Landesverbandsschießen in Mistelbach statt. Einer der Höhepunkte des umfangreichen Festprogramms war sicherlich die Weihe der neuen Fahne der Mistelbacher Schützen, die im Rahmen eines Festaktes auf dem Hauptplatz und in Anwesenheit von Landeshauptmann Buresch und zahlreicher weiterer Ehrengäste erfolgte. Wohl aufgrund eines Missverständnisses wird in den beiden Zeitungsberichten, aus denen die nachfolgenden Bilder stammen, behauptet die Mistelbacher Schützengilde habe mit der Ausrichtung dieses Fests auch ihr 200-Jahr-Jubiläum begangen. Der Zeitpunkt des Beginns des Schützenwesens in Mistelbach ist nicht überliefert, seine Anfänge reichen aber wohl jedenfalls bis in die Zeit zu Ende des 16. Jahrhunderts zurück. Tatsächlich wurde – wie im Mistelbacher Bote zu lesen ist – damals ein 200-jähriges Scheiben-Jubiläum zelebriert. Eine alte Festscheibe im Heimatmuseum Mistelbach aus dem Jahr 1829 bezieht sich auf ein hundert Jahre zuvor abgehaltenes gemeinsames Festschießen und dieses Jubiläums wurde gedacht. Durch ihren Verweis auf den Beginn des 18. Jahrhunderts stellt die Festscheibe aus dem Jahre 1829 den ältesten, überlieferten Beleg für die Existenz einer Schützenvereinigung in Mistelbach dar und möglicherweise ist selbige auch ein Hinweis für das Entstehen der einstigen Schießstätte im späteren Stadtpark. Näheres zum Schützenwesen in Mistelbach bzw. den verschiedenen Schießstätten findet sich unter dem Beitrag Schützenweg.

Fahnenweihe auf dem Hauptplatz (Foto: J. Perscheid)Fahnenweihe auf dem Hauptplatz (Foto: J. Perscheid)

Frl. Sklenar marschierte als "Schützenliesl" an der Spitze der Fahnenkompagnie (Foto: J. Perscheid)Frl. Sklenar marschierte als „Schützenliesl“ an der Spitze der Fahnenkompagnie (Foto: J. Perscheid)

Das Festabzeichen anlässlich des 14. niederösterreichischen Landesverbandsschießens, das im Sommer 1929 in Mistelbach abgehalten wurdeDas Festabzeichen anlässlich des 14. niederösterreichischen Landesverbandsschießens, das im Sommer 1929 in Mistelbach abgehalten wurde

Das interessante Blatt, 11. Juli 1929, S. 7 (ONB-ANNO)
Österreichische Illustrierte Zeitung, 11. August 1929, S. 5 (ONB-ANNO)
Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 222


Blutat in Lanzendorf – 1930

Am 29. Oktober 1930 erschlug der Knecht Karl Maier (in der Berichterstattung auch „Meier“ od. „Mayer“ geschrieben) seine Dienstgeber, den Lanzendorfer Landwirt Karl Reuter und dessen Gattin Barbara, mit einer Reithaue. Er war erst wenige Wochen in Lanzendorf und der Tat war ein heftiger Streit zwischen Maier und dem Ehepaar Reuter vorausgegangen, der seine Entlassung zur Folge gehabt hatte. Nach der Tat nahm er die im Haus befindlichen Wertsachen sowie einen Revolver an sich und flüchtete. Wenige Tage später wurde Maier in Gaaden bei Mödling aufgrund von Zechprellerei verhaftet und ein Gendarm hatte den Verdacht, dass es sich um den zur Fahndung ausgeschriebenen Täter von Lanzendorf handeln könnte. Nach einem intensiven Verhör zeigte er sich geständig und wurde schließlich im März 1931 von einem Geschworenengericht in Korneuburg zu lebenslangem Kerker wegen heimtückischen Mordes verurteilt.

Nach der Festnahme: Karl Maier bei seinem Transport nach KorneuburgNach der Festnahme: Karl Maier bei seinem Transport nach Korneuburg

Foto: Hilscher
Das interessante Blatt, 13. November 1930, S. 9 (ONB-ANNO)
Die Grenzwacht, Nr. 45/1930, S. 5
Arbeiter Zeitung, 3. März 1931, S. 8 (ONB-ANNO)
Ehepaar Reuter: Eintrag Sterbebuch – Pfarre Mistelbach, Sterbebuch 1921-1934, Fol. 356


Eröffnung Gewerbeschule – 1931

Das neue Gebäude der gewerblichen Fortbildungsschule wurde am 15. November 1931 im Beisein von Landeshauptmann Reither feierlich eröffnet.

Wiener Bilder, 29. November 1931, S. 17 (ONB-ANNO)


Edamer aus Mistelbach & die Mistelbacher Zentralmolkerei bei der Landesausstellung 1935

Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1934 berichtet über die Mistelbacher Zentralmolkerei und dass es dieser nun nach einigen Versuchen und der Anschaffung einer holländischen Käsewanne mit automatischem Rührwerk, gelungen ist, hochwertigen Edamer-Käse in gewohnter Qualität auch in Österreich herzustellen.

Die holländische Käsewanne mit automatischem Rührwerk;
im Hintergrund die Kugelpressen

Der Edamer-Reifungskeller in der Zentralmolkerei Mistelbach

Im Rahmen der niederösterreichischen Landesausstellung 1935 in Hollabrunn präsentierten die Mistelbacher Zentralmolkerei und die Hollabrunner Milchgenossenschaft ihre Produkte in einem mit Unterstützung des Milchwirtschaftsverbandes eigens errichteten Pavillon.

Die „Molkereihalle“ bei der Landesaustellung 1935

Staatsrat Josef Kraus (2. v.r.), Gründer und Obmann
der Mistelbacher Genossenschafts-Zentralmolkerei

Auch Bundespräsident Dr. Miklas und der Landtagspräsident Fischer
verkosten den Käse der Mistelbacher Zentralmolkerei

Werbung für den Mistelbacher Edamer im Mistelbacher Bote

Das interessante Blatt, 3. Mai 1934, S. 24 (ONB-ANNO)
Wiener Bilder, 13. Oktober 1935, S. 18 (ONB-ANNO)


Kreisparteitag der NSDAP – 1939

Von 15.-16. April 1939 fand in Mistelbach der erste NSDAP-Kreistag der Ostmark statt. Angeblich wurde Mistelbach diese „Ehre“ zuteil, da der Bezirk als einer der ersten, bereits wenige Monate nach dem Anschluss, als „judenfrei“ galt. Zeitungsberichte zu dieser Veranstaltung legen jedoch nahe, dass Mistelbach bewusst deshalb gewählt wurde, weil es sich bei diesem Bezirk um eine frühere „schwarze“ Hochburg handelte. Derartige Kreistage waren nämlich nicht bloß ein Treffen sämtlicher NSDAP-Ortsgruppen und sonstiger Parteiorganisationen eines Bezirkes, sondern vor allem groß inszenierte Propagandaveranstaltungen mit einem vielfältigen Rahmenprogramm bestehend aus Tagungen, Aufmärschen und sportlichen Wettkämpfen. Beim Großappell auf dem Adolf Hitler-Platz, wie der Hauptplatz damals offiziell hieß, sprach Gauleiter Dr. Hugo Jury vor etwa  20.000 Teilnehmern.

Großappell auf dem Mistelbacher Hauptplatz

Ansprache Dr. Jury, Gauleiter Niederdonau

Fotos: Sedlar – Agentur Schostal
Das interessante Blatt, 20. April 1939, S. 27 (ONB-ANNO)
Das kleine Volksblatt, 19. April 1939, S.3 (ONB-ANNO)

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Freund, Thomas

Landtagsabgeordneter Bürgermeister Kommerzialrat Thomas Freund

* 26.7.1850, Laa a.d. Thaya
† 20.1.1937, Mistelbach

Der 1850 als Sohn des Laaer Bürgers Joseph Freund und dessen Gattin Barbara, geb. Hackel, in Laa a.d. Thaya geborene Thomas Freund10 kam 1876 nach Mistelbach und erwarb das Haus Hafnerstraße 11 (heute: Möbel Rieder). Hier eröffnete er nach großzügigem Um- und Ausbau seine Warenhandlung und bei Freund konnte man neben Waren des täglichen Bedarfs, von Süßigkeiten über Schießpulver, Chemikalien, Textilien, Spielkarten und Petroleum, beinahe alles Erdenkliche bekommen. In den Jahren 1900/1901 und nach einer Unterbrechung erneut im Zeitraum von 1909 bis 1916 führte sein Unternehmen auch eine Filiale in Zistersdorf.11 1877 ehelichte er Anna Selbach, die Tochter des Mistelbacher Riemermeisters Michael Selbach, und aus dieser Ehe sollten vier Kinder hervorgehen.12

Das Warenhaus Freund (heute: Möbel Rieder) an der "Frohner"-KreuzungDas Warenhaus Freund etwa 1900

Nach der Gemeinderatswahl im Juni 1885 zog Freund als Vertreter der deutschnationalen Bewegung erstmalig in den Mistelbacher Gemeinderat ein.13 Die darauffolgende Gemeinderatswahl im Jahr 1888 brachte einen großen Wahltriumph für die Deutschnationalen, infolgedessen sie auch den Bürgermeistersessel beanspruchten. Nachdem der klare Favorit für das Amt des Bürgermeisters bekannt gab für diese Aufgabe nicht zur Verfügung zu stehen, wurde im Zuge der konstituierenden Gemeinderatssitzung der Tischlermeister Bernhard Steiner zum Bürgermeister gewählt. Doch nach nur zwei Monaten legte Steiner das Amt aufgrund parteiinterner Streitigkeiten zurück. Nach diesen beiden Personalien wurde schließlich Freund im Oktober 1888 zum neuen Bürgermeister gewählt, doch die Wahl eines „Zuagroasten“ zum Stadtoberhaupt war umstritten und viele zweifelten an seiner Fähigkeit die Stadt bzw. den zerstrittenen Gemeindeausschuss führen zu können.14 Bürgermeister Freund konnte sich jedoch erfolgreich behaupten und mit ihm begann eine Reihe von nicht in Mistelbach geborenen Bürgermeistern, die mit geringfügigen Unterbrechungen knapp 120 Jahre währte. Während seiner Amtszeit wurde die Infrastruktur der Stadt (Wasser- und Gasleitungsnetz, Straßenpflasterungen) stark ausgebaut und unter anderem wurden folgende bedeutende Einrichtungen geschaffen: Neuanlage des Friedhofs (1891), Neuanlage des Stadtparks (1895), Notspital (1896), Winzerschule (1898), Knaben Volks- und Bürgerschule (1898), städtische Badeanstalt (1899), neues Rathaus (1901), Gaswerk (1902), Neubau Elisabethkirche (1905), Landesbahnen (1906), Bezirkskrankenhaus (1909) und Waisenhaus (1910). Wie damals üblich, stand er während seiner Zeit als Bürgermeister stand auch der städtischen Sparkasse als Direktor vor, die die Finanzierung der oben genannten Projekte ermöglichte. Mehrere Angehörige des Kaiserhauses übernachteten anlässlich von Besuchen in Mistelbach in der über dem Geschäft gelegenen Wohnung des Bürgermeisters und folgende Personen zählten zu den Gästen der Familie Freund: Erzherzog Rainer im Juli 189615, Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand im September 1902 und Erzherzog Leopold Salvator (190616 & 191217). Franz Ferdinand soll als er gemeinsam mit seinem Quartiergeber dessen Wohnung betrat, bemerkt haben: „Schöner habe ich es ja zuhause nicht“.18 Im Jahre 1905 wurde Freund die hohe Ehre einer persönlichen Audienz bei Kaiser Franz Joseph I. zuteil, bei der dieser seine großen Verdienste um die Entwicklung der Stadt Mistelbach lobte.

1908 stiftete Freund anlässlich seines zwanzigjährigen Jubiläums als Bürgermeister von Mistelbach eine Bürgermeisterkette aus vergoldetem Silber, deren Anhänger die anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers gestiftete niederösterreichische Bürgermeistermedaille bildete.

Die von Bürgermeister Freund gestiftete Bürgermeisterkette im Jahr 2019Bürgermeister Freund mit der von ihm gestifteten Bürgermeisterkette im Jahre 1908

Links: die von Bürgermeister Freund gestiftete Bürgermeisterkette in ihrer heutigen Form (ursprünglich waren alle Teile der Kette vergoldet), rechts: Freund mit Bürgermeisterkette im Jahr 1908

Freund gehörte zu den gemäßigten Deutschnationalen und nach eigenen Angaben 1895 zu den Mitbegründern der Deutschen Volkspartei (DVP), die sich von der radikalen Schönerer-Bewegung abgespalten hatte.19 Mit dem Aufstieg der Christlichsozialen Partei im niederösterreichischen Landtag zu Beginn des 20. Jahrhunderts versank die DVP jedoch bald in der Bedeutungslosigkeit. Dies hatte zur Folge, dass sich einige Mitglieder des Mistelbacher Gemeindeausschusses (=Gemeinderat), der zuvor klar von deutschnationaler Gesinnung geprägt war, unter Führung von Bürgermeister Freund mehr und mehr den Christlichsozialen zuwandten. So traten etwa Deutschnationale und Christlichsoziale gemeinsam als „Vereinigte Bürgerpartei“ bei der Gemeinderatswahl 1905 an, unter anderem auch um mit vereinten Kräften dem befürchteten Aufstieg der Sozialdemokraten Vorschub zu leisten. Dieser Prozess gipfelte schließlich darin, dass sich Freund für die Landtagswahlen im Herbst 1908 von der christlichsozialen Partei als Kandidat aufstellen ließ. Die Christlichsoziale Wahlpropaganda proklamierte ihn schließlich zum Kompromisskandidaten der Christlichsozialen und Deutschnationalen, um die Stimmen der beiden Lager zu bündeln.20 Hierzu muss festgehalten werden, dass das deutschnationale Lager bereits damals in mehrere Strömungen und Parteien zersplittert war. Einige zeitgenössische Zeitungsberichte überregionaler Blätter, darunter auch einige mit (radikal) deutsch-nationaler Ausrichtung, behaupten hingegen: die Wahlmännerversammlung die Freund zum vermeintlichen „Kompromiss“-Kandidaten wählte, habe lediglich aus Angehörigen der Christlichsozialen Partei bestanden und somit sei die Verkündung einer Kompromisskandidatur eine Erfindung bzw. eine wahltaktische Finte der Christlichsozialen.21 Derartigen Vorhaltungen entgegnete Freund, dass es sich hierbei um „Hetzereien“ einiger liberaler, sozialdemokratischer und einzelner radikalnationaler Zeitungen handle und sich die Christlichsoziale Partei als Vertreterin nationaler Interessen bewährt habe.22 Schließlich konnte er sich bei der Landtagswahl im Städtewahlkreis Mistelbach (Mistelbach-Feldsberg-Laa/Thaya-Zistersdorf) erfolgreich durchsetzen23 und gehörte ab der Konstituierung zu Beginn des Jahres 1909 dem Landtag als Vertreter der Christlichsozialen Partei an. Grundsätzlich hätte die Legislaturperiode regulär bis Jänner 1915 gedauert, allerdings wurde der Landtag nach dem Attentat von Sarajevo und dem bald darauffolgenden Ausbruch des 1. Weltkriegs nicht mehr einberufen. Da während des Krieges auch keine Wahlen ausgeschrieben wurden, endete die Amtsdauer der Mandatare mit Ablauf der Legislaturperiode ersatzlos. Von November 1918 bis Mai 1919 war Freund Mitglied der provisorischen Landesversammlung für Niederösterreich, der alle Abgeordneten des letzten gewählten Landtags und die Reichsratsabgeordneten aus Niederösterreich angehörten. Bei der historisch bedeutsamen konstituierenden Sitzung dieses Gremiums am 5. November 1918, bei der die grundlegenden Weichen für den Übergang vom Kronland zum Bundesland der kurz darauf ausgerufenen Republik gestellt wurden, war Freund (so wie zahlreiche andere Abgeordnete auch) jedoch nicht anwesend.24

Freunds Parteiwechsel vor der Landtagswahl 1908 bzw. die offenbar einseitige Ausrufung zum Kompromisskandidaten sorgte für gehörige Verstimmung in den deutschnationalen Kreisen in Mistelbachs und ihren Vertretern im Gemeindeausschuss (=Gemeinderat), und er galt einigen nun als Überläufer und Opportunist. Einer von Freunds christlichsozialen Parteikollegen bestreitet in seinen Memoiren, dass Freund aus persönlichen, opportunistischen Motiven zu den Christlichsozialen gewechselt sei, sondern lediglich auf wirksamste Weise die Interessen der Stadt vertreten wollte.25 Besonders nach der für die Christlichsozialen unerwarteten, empfindlichen Niederlage im Mistelbacher Städtewahlkreis bei den Reichsratswahlen im Juni 1911, wendete sich das Blatt gegen Freund und um der sich abzeichnenden schweren Niederlage bei den bevorstehenden Gemeinderatswahlen zu entgehen, legte Freund das Amt des Bürgermeisters mit 2. August 1911 zurück.26 Tatsächlich wurde die Gemeinderatswahl im September desselben Jahres für die Christlichsozialen zu einer vernichtenden Niederlage, während die Deutsch-Freiheitlichen, die auch bei der Reichratswahl obsiegten, erneut triumphierten und deren Kandidat Josef Dunkl jun. wurde zum neuen Bürgermeister gewählt. Es war dies das wenig ruhmreiche Ende seiner 23 Jahre währenden Tätigkeit als Bürgermeister und Direktor der städtischen Sparkasse, ohne die anlässlich des Ausscheidens sonst üblichen Ehrungen und Würdigungen seiner Verdienste. Doch wirkte Freund weiterhin als Landtagsabgeordneter für die Stadt Mistelbach und auch nach dem Ende seiner politischen Mandate war er unter anderem im Bezirksschulrat, als Obmann des Landeskindergartens und als Funktionär in Gewerbeverbänden für das Gemeinwohl aktiv. Etwa im Jahr 1912 ließ Freund sich seinen Alterssitz in Form eines Prachtbaus auf dem Grundstück Mitschastraße 11 errichten, die sogenannte „Freundvilla“ (heute: Dr. Schwelle/Dr. Götzendorfer).27

Das Ehepaar Freund feierte 1927 Goldene HochzeitDas Ehepaar Freund feierte 1927 Goldene Hochzeit

1927 wurde er zum Ehrenbürger Mistelbachs ernannt und feierte in diesem Jahr auch die goldene Hochzeit mit seiner Gattin Anna. Drei Jahre später wurde ihm vom Bundespräsidenten der Titel eines Kommerzialrates verliehen.28 Am 20. Jänner 1937 verstarb Altbürgermeister Thomas Freund im Alter von 86 Jahren in seiner Villa und wurde drei Tage später auf dem Mistelbacher Friedhof beerdigt.29 1954 wurde seine letzte Ruhestätte durch Gemeinderatsbeschluss zum Ehrengrab erklärt.

Das Warenhaus „Thomas Freund“ wurde von 1914 bis 1942 von seinem Sohn Rudolf geführt und danach von dessen Witwe Elsa.30 1955 übernahm schließlich Freunds Enkeltochter Hilda (verehelichte Kautz) den Betrieb von ihrer Mutter und wandelte diesen 1957 in die Möbelhandlung „Freund & Kautz“ um, die bis etwa 1986 bestand.31

Ob die frühere Schulgasse noch in seinen letzten Lebensjahren oder erst unmittelbar nach seinem Ableben in Thomas Freund-Gasse benannt wurde, ließ sich bisher leider nicht eruieren. Eine Umbenennung kann erst nach 1934 erfolgt sein, aber bereits in einem Nachruf im Mistelbacher Bote wird der neue Name der Gasse erwähnt.32

Wo befindet sich die Thomas Freund-Gasse?

Quellen:

-) Eintrag zu Thomas Freund im Biographischen Handbuch des NÖ Landtages 1861–1921
(Die Information, dass Freund als Abgeordneter zunächst der Deutschen Volkspartei angehörte und erst später zur christlichsozialen Partei wechselte ist unter Anbetracht der Umstände seiner Kandidatur, die durch zahlreiche obig zitierte Zeitungsberichte dokumentiert ist, als falsch anzusehen. Er stellte sich zur Wahl als Kandidat der christlichsozialen Partei, und trat dieser unmittelbar nach seiner erfolgreichen Wahl auch bei.)
-) Spreitzer, Prof. Hans: „Mistelbachs Straßen- und Gassennamen“ in: Mistelbacher-Laaer Zeitung, 24. September 1955, S. 2 (Die Angabe, dass die gegenwärtige Bezeichnung erst seit 1945 eingeführt wurde, ist falsch.)
-) Prof. Spreitzer, Hans: Der Bezirk Mistelbach und seine Abgeordneten im nö. Landtag in Heimat im Weinland – Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (1961), S. 108 (Anm.: Die Angabe Freund sei erst 1888 in den Mistelbacher Gemeinderat eingezogen ist nicht korrekt, tatsächlich zog er bereits 1885 in dieses Gremium ein – wie im Text oben zitierte Quellen belegen)

Bildnachweis:
-) Portrait: Museumsarchiv der Stadt Mistelbach
-) Warenhaus Freund: Ausschnitt einer Ansichtskarte von L. Forstner, aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer
-) Bürgermeisterkette: zVg Stadtgemeinde Mistelbach
-) Freund im Jahr 1908: Tenger, Ignaz: Österreichischer Bürgermeister-Almanach – 1848 – 1908; Jubiläums-Widmung zur Feier des 60jährigen Regierungs-Jubiläums Sr. k.u.k. a. M. Franz Josef I. (1908) (Digitalisat NÖ Landesarchiv)
-) Freund mit Gattin: Das interessante Blatt, 24. Februar 1927, S. 8 (ONB-ANNO)

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Bayer, Franz

Bürgermeister Regierungsrat Franz Bayer

* 5.6.1909, Hagenberg
† 24.9.1992, Mistelbach

Franz Bayer wurde 1909 als Sohn des Hagenberger Landwirts Franz Bayer und dessen Gattin Elisabeth, geb. Höbert, geboren.33 Er besuchte die einklassige Volksschule in seinem Heimatort Hagenberg, und aufgrund seiner guten schulischen Leistungen wurde ihm der Besuch des Gymnasiums nahegelegt. Für Bauernkinder bot oftmals die Kirche die einzige Möglichkeit zu damals kostspieliger höherer Bildung zu gelangen und so wurde Bayer Zögling im erzbischöflichen Knabenseminar Hollabrunn und besuchte dort das hiesige humanistische Gymnasium. Während seiner Zeit im Knabenseminar reifte in ihm der Entschluss Priester zu werden, und so trat er nach dem Ablegen der Reifeprüfung 1929 in das Priesterseminar der Erzdiözese Wien ein. Gleichzeitig inskribierte er sich im Wintersemester 1929/30 an der Universität Wien für das Studium der katholischen Theologie, und zu seinen Professoren an der theologischen Fakultät zählte der spätere Kardinal Theodor Innitzer.34 Im Sommer 1932 erkrankte er jedoch an einer schweren Lungentuberkulose, die lange Krankenhaus- und Kuraufenthalte zur Folge hatte, und während seiner langwierigen Genesung hatte er viel Zeit über seine weitere Lebensplanung nachzudenken und entschied sich schlussendlich, trotz bereits recht weit fortgeschrittenem Studium, gegen eine geistliche Laufbahn und für einen profanen Lebensweg.

Er fand daraufhin 1934 Anstellung als Buchhalter bei der Mistelbacher Genossenschaftsmolkerei und bezog ein Zimmer in der Wohnung der Eltern von Dr. Leopold Kautz, mit dessen Familie ihn zeitlebens eine enge Freundschaft verbinden sollte. Zu dieser Zeit begann auch sein Engagement bei den Mistelbacher Vereinen und er war damals unter anderem beim christlich-deutschen Turnverein aktiv. 1938 ehelichte er Theresia Misch und dieser Verbindung sollten vier Kinder, eine Tochter und drei Söhne, entstammen.35 Von 1943 bis 1945 musste er seinen Dienst als Soldat der Deutschen Wehrmacht leisten und er geriet bei Rückzugsgefechten im Baltikum zu Ende des Krieges in russische Kriegsgefangenschaft. Die Gefangennahme verhinderte das Erreichen des Schiffes mit dem seine Einheit in Richtung Westen evakuiert werden sollte, doch dieses Schiff wurde auf seiner Fahrt versenkt und dies hätte ihn vermutlich sein Leben gekostet. Bis zu seiner Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft im November 1947 musste er in einem Ölschieferbergwerk im Ural Zwangsarbeit verrichten.36

Als er nach Mistelbach zurückkehrte war seine dringendste Aufgabe der Wiederaufbau seines im Krieg zerstörten Hauses, um seiner Familie wieder ein Heim zu geben. Er kehrte in seinen Beruf in der Mistelbacher Molkerei zurück und nahm wieder regen Anteil am Mistelbacher Vereinsleben. Er war unter anderem Mitglied im Verschönerungsverein, gehörte dem Pfarrkirchenrat an, engagierte sich bei der Österreichischen Jugendbewegung (Vorläufer der JVP) und im ÖAAB, und war einer der Gründer und erster Obmann der 1948 gegründeten Turn- und Sportunion Mistelbach.

Bgm. Bayer als Gründungsmitglied der katholischen Studentenverbindung „Falkenstein“ Mistelbach 1965

1950 wurde der Gemeinderat erstmals nach dem Krieg wieder durch das Volk gewählt und in der Folge wurde der ÖAABler Bayer, als Kompromisskandidat der ÖVP-Bünde, im Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt. Zwei der wichtigsten Aufgaben zu Beginn seiner Amtszeit waren der Siedlungsbau (Am Schloßberg, Bahnzeile, Totenhauer), um die Wohnungsnot zu lindern und die Zuteilung, der für die (Wiederauf-)Bautätigkeit notwendigen und damit sehr begehrten Ziegel aus der gemeindeeigenen Ziegelfabrik. Auch die Zusammenarbeit bzw. der Umgang mit der sowjetischen Besatzungsmacht war eine schwierige Herausforderung, bei der ihm seine in der Kriegsgefangenschaft erworbenen Russischkenntnisse nutzten. Auch sein ältester Bruder, Mathias Bayer, bekleidete das Amt des Bürgermeister von Hagenberg von 1942 bis 1960.37

Nachfolgend ein paar Aufnahmen, die Bayer während seiner Amtszeit als Bürgermeister zeigen:

Bürgermeister Bayer - Wahlkampf-Werbefoto 1960er JahreBürgermeister Bayer – Wahlkampf-Werbefoto 1960er Jahre

Anfang der 50er Jahre: P. Otto Bader, Kardinal Innitzer, Bgm. Bayer

Bundespräsident Schärf und Landeshauptmann Figl in Mistelbach anlässlich deren Ernennung zu Ehrenbürgern Mistelbachs 1964, rechts Bgm. Bayer

Bgm. Bayer mit Dr. Kreisky bei einem Besuch im Mistelbacher Krankenhaus 1966

Bgm. Bayer hält die Eröffnungsrede anlässlich der 24. niederösterreichischen Feuerwehrleistungsbewerbe, die von 5.-7. Juli 1974 in Mistelbach stattfanden

Das Amt des Bürgermeisters bekleidete er bis 1975, und allein dies ist schon Zeugnis seiner großen Popularität in der Bevölkerung, für deren Sorgen und Nöte er immer ein offenes Ohr hatte. In dem Vierteljahrhundert in dem er die Geschicke der Stadt lenkte, wurde der Grundstein für den Aufstieg Mistelbachs zum Zentrum des Weinviertels gelegt und der Wiederaufbau bzw. Ausbau der Infrastruktur, die Errichtung von Schulen, Weinlandbad und Markthalle, sowie die Gemeindefusion zur heutigen Großgemeinde Mistelbach sind nur ein kleiner Auszug seiner bedeutenden Leistungen für die Stadt. Beruflich wechselte er 1957 von der Molkerei in das Mistelbacher Krankenhaus, wo er bis zu seiner Pensionierung 1976 als Verwaltungsdirektor wirkte und dessen enormen Ausbau er maßgeblich mitprägte.

Anlässlich seines Ausscheidens als Bürgermeister wurde ihm 1975 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Mistelbach mittels einstimmigem Gemeinderatsbeschluss verliehen und auch zahlreiche andere hohe Auszeichnungen wurden ihm, der sich stets in den Dienst des Gemeinwohls stellte und sich vielseitig engagierte, zuteil.38 Auch im Ruhestand war er weiter im Gemeinschaftsleben der Stadt aktiv, beispielsweise als langjähriger Obmann des von ihm gegründeten Sozialhilfevereins und des Stadtchores. Darüber hinaus verfasste er gemeinsam mit Prof. Hans Spreitzer die 1968 in der heimatkundlichen Beilage zum Amtsblatt der BH Mistelbach veröffentlichte Ortsgeschichte seines Geburtsortes Hagenberg und auch für die von ihm mitinitiierte, seit 1962 erscheinende Schriftenreihe „Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart“ verfasste er einige Beiträge. 1992 verstarb Altbürgermeister Franz Bayer und wurde in einem Ehrengrab auf dem Mistelbacher Friedhof beerdigt. Vier Jahre nach seinem Tod beschloss der Mistelbacher Gemeinderat in Würdigung seiner großen Verdienste einer Straße den Namen Franz Bayer-Straße zu verleihen.

Altbürgermeister Franz Bayer in seinen letzten LebensjahrenAltbürgermeister Franz Bayer in seinen letzten Lebensjahren

Wo befindet sich die Franz Bayer-Straße?

 

Quellen (& Anmerkungen):

-) Gemeindezeitung – Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 4 (fälschlicherweise als Nr. 2 bezeichnet), 1989, S. 5
-) Gemeindezeitung – Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 10, 1992, S. 1f
-) Gespräch mit Fr. Elisabeth Holzer, Tochter von Franz Bayer, im Februar 2017
-) Weinviertler Nachrichten, 24/1959, S. 3 (Portrait der Woche)

Bildnachweis:
zVg von RegR Alfred Englisch u. Stadtgemeinde Mistelbach
Brand Aus – Mitteilungen des niederösterreichischen Landesfeuerwehrverbandes, Heft 8, 1974, S. 280
Krankenhaus Mistelbach (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Krankenhaus Mistelbach (1960)

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— Blogpause —

In den kommenden Wochen pausiert mi-history.at.
Neue Beiträge werden wieder ab Mitte März veröffentlicht.

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Koch, Dr. Bernhard

Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bernhard Koch

* 18.7.1920, MistelbachEntwurf für ein Gemälde in der Direktion des Münzkabinetts im Kunsthistorischen Museum Wien
† 26.5.1994, Wien

Dr. Bernhard Koch wurde als Sohn des Fleischhauer und Selchermeisters Bernhard Koch und dessen Gattin Rosa, geb. Eybel, in Mistelbach geboren.39 Er entstammt der Mistelbacher Fleischhauer-Dynastie Koch, die dieses Handwerk nachweislich bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in Mistelbach ausübte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dann neuerlich etwa ab Beginn der 1950er Jahre war der Betrieb jedoch verpachtet. Ab 1875 waren die Koch Fleischhauer im Haus Marktgasse Nr. 4 ansässig und so bürgerte sich für die Marktgasse die umgangssprachliche Bezeichnung „Kochgassl“ ein, die auch heute noch älteren Mistelbachern ein Begriff ist. Die Fleischerei befand sich am Ende der Gasse bei deren Einmündung in die Franz Josef-Straße (heute: Würstelstand), und 1966 wurde das Gebäude abgetragen, um die ursprünglich schmale Marktgasse auf ihre heutige Größe zu verbreitern. Kochs Vater gehörte von 1928 bis 1938 als Vertreter der Christlich-Sozialen dem Mistelbacher Gemeinderat an und Bernhard Koch zählte zu den ersten Pfadfindern der 1930 vom Salvatorianerpater Otto Bader gegründeten Mistelbacher Pfadfindergruppe.40

Bernhard Koch (roter Pfeil) als Mitglied der Mistelbacher Pfadfinder im Gründungsjahr 1930Bernhard Koch (roter Pfeil) als Mitglied der Mistelbacher Pfadfinder im Gründungsjahr 1930

Nach dem Besuch der Volksschule und der ersten Klasse der Hauptschule in Mistelbach, wechselte Bernhard Koch 1931 an das Bundesrealgymnasium in Mödling, wo er im Mai 1938 die Reifeprüfung ablegte. Im Herbst desselben Jahres begann er ein Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Wien in den Fächern Geografie, Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Anfang Dezember 1940 wurde Koch zur deutschen Wehrmacht einberufen, wo er bei verschiedenen Truppenteilen der 262. Infanterie-Division seine Ausbildung absolvierte bzw. als einfacher Schütze an der Ostfront eingesetzt wurde. Nachdem er als Soldat der 12. Kompanie des Infanterie-Regiments 486 um die Jahreswende 1941/42 – vermutlich bei Kämpfen vor Moskau – Erfrierungen an den Füßen erlitten hatte, die auch von Entzündungen an den Waden und einer Furunkulose begleitet waren, folgten Lazarettaufenthalte in Krakau und Wien. Danach war Koch zunächst Teil der in Wels stationierten Genesungs-Kompanie des Grenadier-Ersatz-Bataillon I/486, ehe er wieder zu seiner Stammkompanie und damit an den östlichen Kriegsschauplatz zurückkehrte.41 Im weiteren Verlauf des Krieges geriet er in russische Gefangenschaft, aus der er jedoch bereits im August 1945 wieder freikam. So konnte er im Wintersemester 1945 sein Studium fortsetzen und gleichzeitig mit der Wiederaufnahme des Studiums besuchte er auch den Kurs des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, den er 1948 mit der Staatsprüfung abschloss. Bereits im Juli 1946 wurde er an der Universität Wien zum Dr.phil. promoviert und seine Dissertation trug den Titel „Wirtschaftsgeschichte Mistelbachs im 17. und 18. Jahrhundert“.

Ab 1946 war er als wissenschaftliche Hilfskraft bzw. im wissenschaftlichen Dienst an der Bundessammlung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen des Kunsthistorischen Museums Wien, dem sogenannten Wiener Münzkabinett, tätig. Im Jahr 1954 wurde er zum Kustos ernannt und ab 1968 als Direktor mit der Leitung dieser Sammlung betraut. Ab 1973 war er Vertreter des Direktors des Kunsthistorischen Museums und in den Jahren 1976/77 auch interimistischer Leiter der ägyptisch-orientalischen Sammlung dieser Institution. Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit war das österreichische Münzwesen des Mittelalters, und zu diesem Thema veröffentlichte er zahlreiche Publikationen, wobei sich insbesondere seine Monographie zum Wiener Pfennig als Standardwerk etablierte.

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Koch in den 1980er Jahren

Ab 1973 war er auch als Universitätsdozent an der Universität Wien tätig und überdies Lehrbeauftragter für Münz- und Medaillenkunde an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Mit Ende des Jahres 1985 trat er als Direktor des Münzkabinetts in den Ruhestand, aber natürlich endete damit nicht seine wissenschaftliche Tätigkeit und im darauffolgenden Jahr wurde ihm der Berufstitel „ordentlicher Universitätsprofessor“ verliehen. Seine hervorragenden Leistungen im Bereich der Numismatik wurden durch zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen gewürdigt, so war er etwa Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften und unter anderem Träger des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse. Über Jahrzehnte engagierte er sich in verschiedenen Funktionen im Vorstand der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft, der er von 1985 bis zum seinem Tode als Präsident vorstand. Auch der Jury des Finanzministeriums, die mit der Auswahl der Entwürfe für in Österreich herausgegebene Gedenkmünzen betraut war, gehörte er an.

Gedenkmedaille, die Dr. Koch anlässlich seines Übertritts in den Ruhestand gewidmet wurdeGedenkmedaille, die Dr. Koch anlässlich seines Übertritts in den Ruhestand gewidmet wurde

Zu besonderen Anlässen, wie beispielsweise den Feierlichkeiten zu 100 Jahre Stadterhebung (1974) oder dem 100 Jahr-Jubliäum der Sparkasse Mistelbach verfasste er wirtschafts- bzw. geldgeschichtliche Beiträge über seine Geburtsstadt, die in Festpublikationen bzw. der heimatkundlichen Schriftenreihe „Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart“ veröffentlicht wurden. Weiters stammt der im Jahr 1976 zu Mistelbach veröffentlichte Beitrag in der von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Buchreihe „Österreichisches Städtebuch“ von Dr. Koch.

Aus der 1963 mit der AHS-Professorin Dr. Edith Schlemmer geschlossenen Ehe entstammt ein Sohn und gemeinsam mit seiner Familie wohnte Dr. Koch in einer Wohnung im 4. Wiener Gemeindebezirk. Nach seinem unerwarteten Ableben im Mai 1994 wurde er im Familiengrab auf dem Mistelbacher Friedhof beerdigt. 2001 beschloss der Gemeinderat der Stadt Mistelbach eine Straße nach Dr. Koch zu benennen, und somit wurde just zu jener Zeit als die informelle Bezeichnung „Kochgassl“ immer mehr in Vergessenheit geriet, zufällig eine „offizielle“ Koch-Gasse, die Dr. Bernhard Koch-Gasse, geschaffen.

Wo befindet sich die Dr. Bernhard Koch-Gasse?

 

Bildnachweise:
-) gezeichnetes Portrait: Numismatische Zeitung, Jg. 103, 1995, S. 7-8
-) Foto Pfadfinder Mistelbach: Göstl-Archiv

Quellen:
-) Prof. Hans Spreitzer: Das Kochgassl in Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Heimatkundliche Beilage der Stadtgemeinde Mistelbach, Band I (1962-1969), S. 281f
-) Mitteilungsblatt der Museen Österreichs. Ergänzungsheft 8, 1965, S. 106 ff.
-) Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft, Bd. XXX – Nr. 3, 1990, S. 41
-) Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft, Bd. XXXIV – Nr. 3, 1994, S. 45f
-) Jungwirth, Helmut: Nachruf Hofrat i.R. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Koch in: Unsere Heimat – Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich, Jahrgang 65/1994, S. 287ff (Online in den Beständen der Landesbibliothek)
-) Numismatische Zeitung, Jg. 103, 1995, S. 7-8
-) Wien Geschichte Wiki: Dr. Bernhard Koch
-) Bibliographie von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Koch auf der Webseite des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien

 

 

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Mistelbach in der Zeitung – Teil 3 (1908-1918)

Der dritte Teil dieser Beitragsreihe, diesmal rund um Geschehnisse in Mistelbach aus den Jahren 1908 bis 1918, die damals nicht nur in einem Zeitungsbericht erwähnt, sondern auch mit einer Fotografie bzw. einer Illustration dargestellt wurden.


Grundsteinlegung Bezirkskrankenhaus 1908

Am 18. Juni 1908 fand die feierliche Grundsteinlegung für den Bau des Bezirkskrankenhauses im Beisein des niederösterreichischen Statthalters Graf Kielmansegg, des Liechtensteinischen Hofsekretärs Kron, der Bürgermeister der Umgebung und zahlreicher weiterer Festgäste statt. Die Segnung des Grundsteins zelebrierte Weihbischof Dr. Godfried Marschall. Traditionsgemäß wird bei solchem Anlass auch eine Urkunde und ein Satz Münzen im Grundstein versenkt, und diese Gelegenheit nutzten Diebe, die noch in derselben Nacht die Urkunde samt den Münzen entwendeten.


Illustrierte Kronenzeitung, 21. Juni 1908, S. 6 (ANNO-ONB)


Theateraufführung „Die gepfändete Mumie“ 1908

Im April 1908 veranstaltete der Mistelbacher Männergesangsverein einen Theaterabend, der mit dem Einakter „Du bist blaß, Louise“, unter der Mitwirkung von Frl. Mizzi Rabenseifner, Hermine Tischler und der Herren Schindler u. F.F. Peikert, eröffnet wurde. Das Hauptprogramm bildete jedoch die Uraufführung der zweiaktigen grotesken Operette „Die gepfändete Mumie“, aus der Feder des Mistelbachers Rudolf Katschthaler (Sohn des Karl Katschthaler). Folgende Personen wurden durch großen Beifall für ihre Mitwirkung in diesem Stück belohnt: Alfred Merz, August Schramm, Franz Schindler, Louis Knorr, Karl Schnaß, Peter Kraus, Franz Hiertl, Leopold Schebesta, Ferdinand Bednarik, Franz Klammer, Eduard Vetter, Josef Scholz, Emanuel Haas und Franz Schamann. Die untenstehende Zeichung wurde nach einer Aufnahme des Fotografen Leopold Forstner angefertigt.

Illustrierte Kronenzeitung, 26. April 1908, S. 3 (ANNO-ONB)


Maifahrt des Wiener Männergesangsvereins nach Mistelbach 1909

Und wieder Männergesangsverein, diesmal allerdings der berühmte Wiener Männergesangsverein, dessen alljährliche Maifahrt seine Mitglieder 1909 nach Mistelbach führte. Bereits am Bahnhof wurde der Sonderzug mit dem die knapp zweihundert Sänger anreisten, von Abordnungen der Gemeindevertreter und Vereine, und zahlreichen Schaulustigen herzlich begrüßt und in einem Festzug zur Pfarrkirche geleitet, wo die Deutsche Messe gesungen wurde. Das am Hauptplatz abgehaltene Wohltätigkeitskonzert zugunsten des Mistelbacher Spitalfonds sorgte für Begeisterung und angeblich sollen Mistelbacher Gemütlichkeit und Mistelbacher Wein Schuld daran gewesen sein, dass so mancher Wiener Sänger die Retourfahrt verpasste. Auf dem untenstehenden Gruppenbild, ist Bürgermeister Thomas Freund mit der von ihm gestifteten Bürgermeisterkette leicht zu erkennen.

Österreichische Illustrierte Zeitung, 30. Mai 1909, S. 7 (ANNO-ONB)

Von der Ankunft des Wiener Männergesangsvereines auf dem Mistelbacher Bahnhof findet sich die folgende Fotoaufnahme im Museumsarchiv der Stadt Mistelbach:

Auch ein paar Aufnahmen vom Wohltätigkeitskonzert auf dem Hauptplatz finden sich im Göstl-Archiv:

Die vor dem Haus Hauptplatz Nr. 36 (damals wie heute Apotheke) errichtete Bühne und Bankreihen für die Zuhörer
Die vor dem Haus Hauptplatz Nr. 36 (damals wie heute Apotheke) errichtete Bühne und Bankreihen für die Zuhörer

 Die Sänger und zahlreiche Zuhörer trotzen dem Regenfall während des Konzerts
Die Sänger und zahlreiche Zuhörer trotzten dem Regenfall während des Konzerts


Eröffnung Bezirkskrankenhaus 1909

Die feierliche Einweihung des „Kaiser Franz Joseph-Bezirkskrankenhauses“ Ende November 1909 wurde durch den aus Neudorf bei Staatz stammenden Weihbischof der Erzdiözese Wien, Dr. Godfried Marschall, vorgenommen. Zuvor hatte sich ein viele hunderte Personen umfassender Festzug, darunter zahlreiche hohe Ehrengäste, von der Kirche durch die festlich geschmückte Stadt zum Krankenhaus bewegt. Der langersehnte Krankenhausbau konnte dank großer finanzieller Unterstützung seitens der Stadtsparkasse Mistelbach, des Fürsten Johann II. von und zu Liechtenstein und zahlloser Sammlungen bewerkstelligt werden. Zum Leiter des neuen Krankenhauses wurde Primarius Dr. Fritz Höllrigl berufen, und bereits am Tag nach der Eröffnung fanden die ersten Patienten Aufnahme.

Das interessante Blatt, 2. Dezember 1909, S. 2f (ANNO-ONB)


Erste deutsche Handwerker-Ausstellung in Mistelbach 1912

Am 14. August 1912 wurde zur feierlichen Eröffnung einer viertägigen Ausstellung in den Räumen der Knaben- bzw. Mädchenschule (den heutigen Mittelschulen) geladen, bei der die Mistelbacher Tischler, Sattler, Schuhmacher, Anstreicher, Drechsler und andere Handwerker ihre Arbeiten präsentierten. Am Tag nach der Eröffnung fand im Hotel Rathaus ein Handwerkertag statt bei dem neben Fachreferenten unter anderem auch der Reichsratsabgeordnete Rudolf Wedra (Bildmitte) eine Rede hielt. Die Initiative zur Abhaltung des Handwerkertages und dieser Leistungsschau ging von der erst im Vorjahr gegründeten Mistelbacher Ortsgruppe des deutschen Handwerkersbundes aus und die Organisation besorgte ein Ausstellungskomitee, bestehend aus Mistelbacher Gewerbetreibenden, das unter der Leitung von Ingenieur Karl Rößler (vermutlich rechts neben Wedra), stand.

Illustrierte Kronenzeitung, 17. August 1912, S. 4 (ANNO-ONB)
Mistelbacher Bote, Nr. 13/1911, S. 4

Das Eingangstor zur Ausstellung („Triumphbogen“), dass oben in dem kreisrunden Ausschnitt abgebildet ist befand sich am Eingang der damaligen Schulgasse (heute: Thomas Freund-Gasse bzw. „Neumarkter Platzl“ vor dem damaligen Cafe Kiesling (heute Cafe Harlekin)). Der genaue Aufstellungsort konnte erst durch nachfolgende, im Illustrirten Wiener Extrablatt veröffentlichte, Aufnahme des Mistelbacher Fotografen Leopold Forstner sen. eruiert werden.

Der Eingangsbogen zur

Illustriertes Wiener Extra-Blatt, 17. August 1912 (41. Jg. – Nr. 224), S. 9 (ONB: ANNO) (Fotografie: Leopold Forstner sen.)

Die nachstehende Fotografie aus dem Museumsarchiv der Stadt Mistelbach zeigt eine Szene der Ausstellung, aufgenommen im Hof der Bürgerschule. Links im Hintergrund ist die Elisabethkirche zu erkennen und sehr prominent ist auch das einstige Gebäude des Kindergartens zu erkennen, das heute unter anderem das Standesamt beherbergt.

Die Preisverleihung im Schulgarten unter den Anwesenden Bürgermeister Josef Dunkl jun. (1.) und Reichsratsabgeordneter Rudolf Wedra (2.)Die Preisverleihung im Schulgarten unter den Anwesenden Bürgermeister Josef Dunkl jun. (1.) und Reichsratsabgeordneter Rudolf Wedra (2.)


Dekorierung des Gendarmerie-Bezirkswachtmeisters Kerda 1914

Am 2. Mai 1914 wurde dem hiesigen Gendarmerie-Bezirkswachtmeister Gustav Kerda das silberne Verdienstkreuz mit der Krone verliehen. Nach einer kirchlichen Feier, fand im festlich dekorierten Rathaussaal unter Anwesenheit zahlreicher Behördenvertreter, die feierliche Verleihung durch den Abteilungskommandanten Oberleutnant Wundsam statt. In der Bildmitte Bezirkswachtmeister Kerda (sitzend, 6. v. r.) samt Familie und ebenfalls auf dem Bild Bgm. Josef Dunkl (sitzend, 3. v. l.).

Foto: Josef Plaschil, Mistelbach
Wiener Bilder, 17. Mai 1914, S. 7 & S. 21 (ANNO-ONB)


Feierliche Enthüllung „Wehrschild in Eisen“ 1915

Am Sonntag, den 10. Oktober 1915 wurde der vom akad. Maler Josef Reich (Wien) entworfene und vom Mistelbacher Bildhauer Dominik Fill, geschaffene Wehrschild in Eisen enthüllt. In einem Pavillon auf dem Hauptplatz wurde das aus Holz geschaffene Wappen ausgestellt und gegen eine Spende konnten von jedermann Nägel eingeschlagen werden. Der Reinerlös kam den Hinterbliebenen gefallener Krieger aus Mistelbach und Umgebung zugute. Derartige Kriegsbenagelungen waren damals weit verbreitet, berühmtestes Beispiel ist der Wehrmann in Eisen in Wien, und die Ehre den ersten Nagel einzuschlagen wurde Bezirkshauptmann Dokaupil zuteil. Die Veranstaltung wurde vonseiten des Gesangs- und Musikvereins mit patriotischen Chören, unter der Leitung von Oberlehrer Gottfried Ribing umrahmt, und desweitern wurde im Rahmen dieses Festakts ein Mistelbacher Soldat mit der silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet.

Wiener Bilder, 26.12.1915, S. 11 (ANNO-ONB)
Illustrierte Kronenzeitung, 14.10.1915, S. 2 (ANNO-ONB)

Auch die folgende Aufnahme hat den Laufe der Jahre im Museumsarchiv überstanden und zeigt das Eiserne Wehrschild samt Pavillon auf dem Mistelbacher Hauptplatz:

Besuch Erzherzogin Blanka 1918

Am 15. August 1918 nahm ihre k. u. k. Hoheit Erzherzogin Blanka von Österreich-Toskana mit ihren Kindern, Erzherzogin Maria Immakulata, Erzherzog Anton und Erzherzogin Assunta, an der feierlichen Einweihung eines Pflegerinnenwohnheimes in Wilfersdorf teil. Im Anschluss besuchten die hohen Gäste das neben anderen Standorten (ehem. Notspital in der Hochgasse, Kindergarten, Turnsaal der Knabenschule) auch im Bezirkskrankenhaus untergebrachte Vereins-Reservespital des Roten Kreuzes, wo sie an die verwundeten Soldaten Rauchwaren verteilten und aufmunternde Worte an diese richteten. Vor der Rückfahrt mit der Bahn waren die Herrschaften noch bei Bezirkshauptmann Franz Dokaupil zu Gast, der ebenfalls auf dem Foto zu sehen ist. Das untenstehende Bild zeigt die kaiserlichen Hoheiten im Kreise der Rekonvaleszenten in der Grünanlage des Mistelbacher Krankenhauses.

Foto: Leopold Forstner, Mistelbach
Wiener Bilder, 25.8.1918, S. 6f (ANNO-ONB)
Österreichs Illustrierte Zeitung, 25.8.1918, S. 9 (ANNO-ONB)

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Trestler, Johann

Meisterringer Hans Trestler

* 27.10.1887, Martinsdorf (bei Gaweinstal)
† 30.8.1926, Wien

Johann Trestler wurde als Sohn des aus Mistelbach stammenden Kleinhäuslers Anton Trestler, und dessen Gattin Johanna, geb. Mittermaier, in Martinsdorf geboren.42 Dort, im Heimatort seiner Mutter, verbrachte er gemeinsam mit seiner Familie die ersten Lebensjahre, bis diese spätestens 189743, also in seinem zehnten Lebensjahr, nach Mistelbach übersiedelte. Dies wird auch durch einen Nachruf im Mistelbacher Bote bestätigt, im dem erwähnt wird, dass er den Großteil seiner Jugend hier verbrachte und laut überlieferten Erzählungen seines Freundes und Ringerkollegen, Franz Doberl, soll Trestler bereits in jungen Jahren über eine unbändige Kraft verfügt haben.44 Somit dürfte er auch seine Installateur-Lehre hier absolviert haben und gemäß des damals gültigen Heimatrechts besaß er jedenfalls auch noch 1915 das Heimatrecht der Stadt und war „nach Mistelbach zuständig“.45 Nach dem Lehrabschluss führte ihn sein Weg zunächst nach Deutschland, wo er erstmals mit dem Ringsport in Berührung kam.

Danach zog er in die Reichshauptstadt Wien, wo er seinen erlernten Beruf ausübte, und ab 1910 im Amateurringsport (griechisch-römischer Stil) zunächst beim Wiener Ringsportklub aktiv war. Nach der Auflösung dieses Vereins gehörte er dem A. S. C. Cyganiewicz bzw. später dem Wiener Sportklub an und war zu dieser Zeit auch bereits als Amateurtrainer tätig. In den folgenden Jahren gewann er unter anderem die Mittelgewichts-Meisterschaften von Wien, Niederösterreich, der Steiermark46, jene der österreichischen Athletik-Union und auch die österreichische Staatsmeisterschaft. 1912 vertrat er Österreich (=die österreichische Reichshälfte der Monarchie) im Ringwettkampf (Halbschwergewicht) bei den Olympischen Spielen in Stockholm, wo er allerdings aufgrund einer Handverletzung bereits in der 2. Runde ausschied. Weiters belegte er 1912 den 1. Platz bei der „inoffiziellen“ Europameisterschaft in Wien (es gab in diesem Jahr insgesamt vier Bewerbe allein im deutschsprachigen Raum, die den Titel Ringer-Europameisterschaft für sich beanspruchten) und den 2. Platz bei der Weltmeisterschaft 1913 in Breslau. Bereits 1912 nahm er auch erfolgreich an sogenannten Körper- und Muskelschönheitskonkurrenzen, dem Vorläufer des heutigen Bodybuildings, teil. Zu jener Zeit wohnte er im 20. Wiener Gemeindebezirk, wo er 1912 in der Pfarre Zwischenbrücken mit der Hilfsarbeiterin Josefine Schneider den Bund der Ehe schloss.47

Trestler im Jahre 1912 als Teilnehmer bei einer "Körper- und Muskelschönheitskonkurrenz" in WienTrestler im Jahre 1912 als Teilnehmer bei einer „Körper- und Muskelschönheitskonkurrenz“ in Wien

Wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 feierte er als Sieger beim Länder-Ringkampfmatch Bayern gegen Österreich seinen letzten großen Erfolg als Amateursportler48, bevor er bald nach Kriegsbeginn zu einer Maschinengewehrabteilung des k.u.k. Infanterieregiments „Hoch- und Deutschmeister“ Nr. 4  einberufen wurde. Bereits wenige Wochen später im September kursierten Zeitungsmeldungen, die von einer zweifachen Schussverletzung Trestlers und einem Lazarettaufenthalt in Agram (heute: Zagreb) berichteten.49Tatsächlich war er jedoch durch einen Schrapnellsplitter gestreift und lediglich leicht verletzt worden und konnte deshalb schon nach kurzer Zeit an die serbische Front zurückkehren.50 Im November 1914 wurde er schließlich einen Schuss in den linken Unterarm verwundet und es folgte ein Genesungsaufenthalt im in der Wiener Stiftskaserne eingerichteten Reservespital.51 Erst im Mai 1916 kehrte er wieder zu seiner Einheit zurück, die sich mittlerweile an der russischen Front befand.52 Zu Unterhaltungszwecken und zur Ablenkung vom Frontalltag organisierte er während dieser Zeit auch gelegentlich Ringkämpfe zwischen Ringern aus den Infanterieregimentern Nr. 4 und Nr. 84.

Aufgrund der tristen und nahezu aussichtslosen wirtschaftlichen Situation nach dem verlorenen Weltkrieg, entschied er sich vorerst weiter in der Armee zu bleiben und diente in der „Volkswehr“ genannten Armee der jungen Republik. Für viele und wohl auch für ihn handelte es sich dabei um eine Übergangslösung, die ein sicheres Einkommen bescherte. Mindestens bis zum Sommer 1919 dürfte Trestler dem Wiener Volkswehrbatallion XX angehört haben, dies ist durch seine Teilnahme an einem Volkswehr-internen Leichtathletikwettbewerb belegt. Doch bereits während dieser Zeit hatte er die Entscheidung getroffen seine sportliche Leidenschaft nunmehr als Professionalist auszuüben und künftig seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten.53 Er debütierte als Profi im Februar 1919 bei einem Turnier in Wien-Favoriten, und schloss sich zunächst der Ringertruppe um Josef Steinbach an, die zahlreiche Turniere in Wien veranstaltete und mit der er in den folgenden Jahren ausgedehnte Tourneen durch Österreich, Tschechien, die Slowakei und Italien absolvierte. Neben vielen anderen nationalen und internationalen Erfolgen gewann er 1920 auch den großen Preis von Palermo und im Jahr darauf führte ihn eine erfolgreiche Tournee nach Nordafrika.54

Hans Trestler posiert für ein Foto, das 1919 in der illustrierten Zeitschrift "Das interessante Blatt" veröffentlicht wurdeHans Trestler posiert für ein Foto, das 1919 in der illustrierten Zeitschrift „Das interessante Blatt“ veröffentlicht wurde

Weitere Tourneen durch Deutschland und nach Kleinasien folgten und gemeinsam mit dem österreichischen Weltmeister Hans Kawan, nahm er 1924 auch an Bewerben in den südamerikanischen Metropolen Rio de Janeiro und Montevideo teil.55 1924 fanden in Mistelbach Ringkämpfe zwischen dem Lokalmatador Trestler und teils hochkarätigen Gegnern im Saal des Hotel Rathaus bzw. im dazugehörigen „Rathausgarten“ (heutiger Stadtpark) statt, die Massen an begeisterten Zuschauern anlockten.56

Während eines Turniers im August 1926 in Frankfurt am Main zog sich Trestler eine zunächst unscheinbare, kleine Verletzung am Knie zu, die sich jedoch zu einer Infektion auswuchs und die Ärzte in Deutschland sahen sich gezwungen das Bein zu amputieren. Er lehnte diese Maßnahme, die das Ende seiner Sportlaufbahn bedeutet hätte, jedoch ab und trat die Rückreise nach Wien an, um sich dort weiterbehandeln zu lassen. Als er in Wien ankam, war es dafür leider bereits zu spät und so verstarb Johann Trestler wenige Tage später im 39. Lebensjahr im Spital der Barmherzigen Brüder in Wien an den Folgen einer aus der Infektion resultierenden Blutvergiftung. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof zur letzten Ruhe gebettet und in Nachrufen wurde Trestler als wahrer Sportsmann und einer der technisch versiertesten Ringer Österreichs gerühmt, dem trotz seines Könnens leider keine finanziellen Erfolge beschieden waren. Der plötzliche Tod des Familienvaters und Ernährers bedeutete für seine Witwe und den gemeinsamen Sohn Johann Ferdinand (1915-1945 (vermisst)) eine finanzielle Katastrophe, und knapp zweieinhalb Jahre später wurde Johann jun. im Alter von 13 Jahren durch den Tod seiner Mutter zum Vollwaisen57. In weiterer Folge kümmerten sich Johanna (eine Tante väterlicherseits) und Franz Ganselmayer, die in Mistelbach das Gasthaus „Zum schwarzen Adler“ (heute: Hypobank) als Pächter führten, um ihren verwaisten Neffen. In diesem Gasthaus hatte der 1931 gegründete58, und im Andenken an den Meisterringer Hans Trestler benannte Athletenklub „Trestler“, bis zu seiner Auflösung im Jahre 193359 seinen Vereinssitz.

Neben dem Ringsport, erstreckte sich die kurzlebige Vereinstätigkeit außerdem auf das Gewichtheben und die Kampfsportart Jiu-Jitsu60, und der A.C. Trestler trat mehrfach als Veranstalter von „Propagandaringkämpfen“ – also Schaukämpfe zwecks Werbung für den Ringsport – in Mistelbach und Umgebung in Erscheinung61. Auch der zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Hans Trestler jun. war in der Ringersektion des Vereins aktiv und zeigte vielversprechendes Talent.62

Doch das Andenken an Trestler wurde in Mistelbach bereits vor Gründung des „Athletenklub Trestler“ hochgehalten, und zwar als am 7. Dezember 1928 im Saal des Gasthofes Frohner ein „Weltmeister Hans Trestler-Gedenkringen“ abgehalten wurde, dessen Sieger mit der „goldenen Trestler-Medaille“ ausgezeichnet wurde. Auch bei diesem Wettbewerb handelte es sich um eine Benefizveranstaltung zugunsten Trestlers Familie.63

Bildnachweis:
-) Doberl, Franz: Ein Leben auf der Ringermatte (1948), S. 45
-) Illustriertes (Österreichisches) Sportblatt, 6. April 1912, S. 15 (ONB-ANNO)
-) Das interessante Blatt, 10. April 1919, S. 3 (ONB-ANNO)

Quellen:

-) (Wiener) Sporttagblatt, 1. September 1926, S. 4 (ONB-ANNO)
-) Mistelbacher Bote, Nr. 37/1926, S. 2

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Riedel, Ing. Hugo

Landesbaudirektor Hofrat Ing. Hugo Riedel

* 12.2.1842, Römerstadt (Mähren)
† 24.11.1930, Wien

Hugo Riedel wurde als Sohn des Florian Riedel, Steuereinnehmer in Mährisch Schönberg, und dessen Gattin Karoline, geb. Rösner in Römerstadt in Mähren geboren. Sein Familienname findet sich sowohl in der Schreibweise Riedl, als auch Riedel, mehrheitlich jedoch in der zweiten Variante, die die richtige zu sein scheint. Er absolvierte die Oberrealschule in Olmütz und studierte anschließend von 1859 bis 1864 an der technischen Abteilung des k. k. polytechnischen Institutes in Wien, dem Vorläufer der heutigen Technischen Universität Wien.64 Gemeinsam mit anderen ehemaligen Olmützer Realschülern gründete er 1860, die heute noch bestehende Wiener akademische Burschenschaft „Libertas“. 65

Der junge Student Hugo Riedel (rotes X) im Kreise der Mitglieder seiner Burschenschaft im Sommersemester 1861

Seine erste Anstellung nach Abschluss des Studiums dürfte er beim technischen Dienst des Landes Österreichisch-Schlesien gefunden haben, zumindest ist diese ab dem Jahr 1866 belegt.66 Ab 1. August 1868 war Riedel dann als städtischer Ingenieur in Salzburg tätig, wo er bis zum Leiter des „Bau- und Zimentirungsamtes“ (sic!) aufstieg.67 Im März 1869 heiratete er die Baumeisterstochter Ernestine Zastera in Mährisch Troppau, und dieser Ehe entstammten zumindest zwei, während seiner Mistelbacher Zeit geborene, Kinder.68 Mit 1. Dezember des Jahres 1870 wechselte Ing. Riedel zum mährischen Landesbauamt nach Brünn, wo er fortan für bauliche Angelegenheit im Bezirk Znaim zuständig war. Im August 1872 trat er schließlich in den Dienst des niederösterreichischen „Landesausschusses“ (Vorläufer der heutigen Landesregierung) über und Riedel war als Landesingenieur mit Dienstort in Mistelbach für die Bereiche Straßenbau, Wasserbau sowie öffentliche Gebäude für das gesamte Weinviertel zuständig. Sein tatsächlicher Dienstbeginn in Mistelbach verzögerte sich augenscheinlich jedoch bis in den Herbst des Jahres 1872, da er seine Tätigkeit als  Leiter der 2. Sektion der mährischen Thaya-Regulierungskommission vorerst fortsetzten durfte, um einen geordneten Übergang zu ermöglichen.69 Das Straßennetz war insbesondere im Bezirk Mistelbach damals völlig unterentwickelt und demgemäß fand Riedel in diesem Bereich ein reiches Betätigungsfeld vor. Unter seiner Federführung kam es zum Ausbau des Straßennetzes und in vorbildlicher Weise sorgte in der Folge für den Erhalt der neugeschaffenen Straßen. Auch frühe Regulierungen von Thaya und Zaya sowie Taschelbach, Mistel und Poybach wurde während seiner Wirkenszeit durchgeführt bzw. vorbereitet. Ab Mitte der 1870er Jahre wurden in fast allen Gemeinden des Bezirks neue, zweckmäßige Schulgebäude errichtet und zu den bleibenden Leistungen seiner 18 Jahre währenden Zuständigkeit für die Region zählt zweifellos, dass fast alle dieser Bauten von Riedel entworfen wurden. Daneben beaufsichtigte er auch die Ausführung dieser Bauten und stand als Urheber der Pläne und ausgewiesener Experte den Baufirmen mit Rat und Hilfe zur Seite. 70

Als zu Beginn des Jahres 1886 das niederösterreichische Landes-Bauamt per Landtagsbeschluss geschaffen wurde, bedeutete dies natürlich eine Änderung der Aufgabenbereiche und bisherigen Strukturen. Die baulichen Angelegenheiten betreffend das Weinviertel waren nunmehr in der „Landes-Bauamts-Abtheilung Wien III“ organisiert und zu deren Leiter ernannte man den Ingenieur dritter Classe Hugo Riedel. Sein fachlicher bzw. örtlicher Zuständigkeitsbereich änderte sich also nicht, wohl aber sein Dienstort und daher verlegte die Familie Riedel Anfang 1886 ihren Wohnsitz von Mistelbach nach Wien.71 Ab 1887 scheint Riedel in Lehmanns Wohnungs-Anzeiger mit einer Adresse in Wien-Währing auf.72 Während seiner achtzehnjährigen Tätigkeit im Weinviertel – 14 Jahre davon arbeitete und lebte er in Mistelbach – erwarb er sich als technischer Fachberater der Stadt große Verdienste, engagierte sich unter anderem als Obmannstellvertreter im Stadt-Verschönerungsverein73 und gehörte nach der Gemeindevertretungswahl im Juli 1885 bis zu seinem bereits ein halbes Jahr später folgenden Abschied dem Gemeindeausschuss (=Gemeinderat) als Mitglied an74. Während seiner Mistelbacher Zeit lebte Riedel zusammen mit seiner Familie im Haus Bahnstraße Nr. 31.

Ende des Jahres 1889 wurde Riedel zum Vorstand der Fachabteilung für Straßenbauangelegenheiten im niederösterreichischen Landesbauamt berufen75 und von Februar 190776 bis zu seinem Übertritt in den Ruhestand im November 190877, folgte schließlich der Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn – die Tätigkeit als Landes-Baudirektor. In einem Nachruf, der wortgleich in verschiedenen Zeitungen erschien, wird erwähnt, dass er sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit besonders durch große Straßenbauten in Niederösterreich und Salzburg „einen Namen gemacht hatte“.78

Bereits am 26. April 1885 war Ing. Riedel zum Ehrenbürger Mistelbachs ernannt worden79, und trotz des Abschieds von Mistelbach im darauffolgenden Jahr, blieb er der Stadt stets verbunden und darüber hinaus noch viele Jahre als kompetenter Berater und einflussreicher Unterstützer in (bau-)technischen Angelegenheiten erhalten. Am 24. August 1902 beschloss der Mistelbacher Gemeinderat auch eine neu angelegte Straße nach ihrem Ehrenbürger Ing. Riedel zu benennen.80 Obwohl die richtige Schreibweise seines Namens Riedel lautete (so ist er auch auf seinem Grabstein zu lesen) heißt die nach ihm benannte Straße heute „Hugo Riedl-Straße“. Die beiden Bilder unterhalb zeigen, dass dies nicht immer so war, denn auf dem älteren, weißen Straßenschild heißt diese noch „Hugo Riedel-Straße“. Wann und wieso Herr Riedel in diesem Zusammenhang seines „e“ verlustigt ging, ist unklar.

Älteste Form der Straßenschilder, wie sie 1898 nach Wiener Vorbild in Mistelbach eingeführt wurden (Schrift und Umrandung waren ursprünglich jedoch rot)Älteste Form der Straßenschilder, wie sie 1898 nach Wiener Vorbild in Mistelbach eingeführt wurden (Schrift und Umrandung waren ursprünglich jedoch rot)

Die blauen Email-Straßen- und Hausschilder dürften vermutlich in der Zwischenkriegszeit eingeführt worden sein.Die blauen Email-Straßen- und Hausschilder dürften vermutlich in der Zwischenkriegszeit eingeführt worden sein.

Ing. Riedel, der auch Ehrenbürger der Gemeinde Traismauer war, verstarb im hohen Alter von 88 Jahren, 1930 in seiner Villa im Währinger Teil des Cottageviertels und wurde auf dem Döblinger Friedhof beerdigt.

Wo befindet sich die Hugo Riedl-Straße?

 

Quellen:

-) Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Heimatkundliche Beilage der Stadtgemeinde Mistelbach, Band I, S. 81f

Bilder:
-) Museumsarchiv Stadt Mistelbach
-) Peters, Dr. Hermann: Libertas – Die Geschichte einer Wiener Burschenschaft (1937)

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