Der letzte Teil dieser Reihe, die sich mit alten Zeitungsberichten befasst, die das Geschehen in Mistelbach auch mit Bildern dokumentieren, beinhaltet diesmal zu Beginn auch einen kleinen Exkurs ins Umland von Mistelbach, jedoch mit Konnex zur Katastralgemeinde Hüttendorf.
Die Geschwister Nissler – „der dicke Toni & die dicke Wetti“
1924 berichtet das Interessante Blatt erstmals von einem Riesenkind aus Ladendorf. Das damals drei Jahre und drei Monate alte, als blondlockig und blauäugig beschriebene, „Riesenbuberl“ wog bei einer Größe von 110 Zentimetern stolze 56 Kilogramm. Weitere Daten: Taillenumfang: 140 cm, Kopfweite: 64 cm und Schenkelumfang 70 cm. Zwar wird in diesem ersten Bericht nicht der Name des Kindes genannt, doch handelt es sich zweifellos um Anton Nissler jun. (auch Nißler), den 1921 in Ladendorf geborenen Sohn eines Hüttendorfer Gastwirts und einer Ladendorfer Landwirtstochter. Bei seiner Geburt wog er 4,8 kg, sechs Monate später bereits 12 kg und mit einem Jahr unglaubliche 24 kg – dieses Gewicht entspricht jenem eines 8-jährigen Buben. Die Eltern (ebenso wie vier später geborene Geschwister) waren körperlich unauffällig, doch auch eine damals erst etwas mehr als ein Jahr alte Tochter der Familie zeigte bereits deutliche Anlagen zum „Riesenwuchs“. Aufgrund seiner gewaltigen Ausmaße war auch Anton Nissler jun. in Feigls Weltschau, einem Kuriositätenkabinett im Wiener Prater, zu sehen.
Das interessante Blatt, 22. Mai 1924, S. 4 (ONB-ANNO)
Nachdem der Vater Mitte der Zwanzigerjahre das Gasthaus in Pellendorf übernommen hatte, lesen wir in den Jahren 1926 bzw. 1927 erneut von den „Riesenkindern aus Pellendorf“ und es bestätigte sich, dass auch die 1923 in Hüttendorf geborene Tochter Barbara („Wetti“) in Sachen Körperbau ganz nach der Art ihres Bruders geriet. In den entbehrungsreichen Zwanzigerjahren lockten die beiden unglaublich korpulenten Kinder zahlreiche Besucher in das Gasthaus der Familie.
Anton Nissler im Jahr 1926: 5 Jahre und 4 Monate alt, 120 cm, 73 kg
Barbara „Wetti“ Nissler im Jahr 1926: 2 Jahre und 6 Monate alt, 90 cm, 38 kg
Die Geschwister Nissler 1927: Toni (links) 6 Jahre und 7 Monate alt, 86 kg
und Wetti (rechts) 3 Jahre und 10 Monate alt, 48,5 kg
Dass die Leibesfülle der beiden im Laufe ihres Lebens nicht abnahm, überrascht wohl kaum, insbesondere da die sie wie sich später herausstellte an einer Drüsenstörung litten, die ihre Körper auf diese außergewöhnliche Größe anwachsen ließ. Anton und Wetti arbeiteten nach der Schule im Gasthaus bzw. Haushalt ihrer Eltern mit, wohnten später gemeinsam in Wien und verdingten sich unter anderem durch Teilnahme an Jahrmarkt-Tourneen im In- und Ausland. Sogar das deutsche Fernsehen interessierte sich für „den dicken Toni und die dicke Wetti“ als die die beiden auch im Weinviertel weithin bekannt waren. In einem Bericht der Weinviertler Nachrichten aus dem Jahr 1964 werden die beiden als das „Schwerstes Geschwisterpaar Europas“ bezeichnet – eine Beschreibung mit der sie wohl auf ihren Tourneen warben. Wetti damals 40 Jahre, alt wog zu diesem Zeitpunkt 145 kg und maß einen Brustumfang von 140 cm. Anton damals 43 Jahre alt, wog 210 kg und maß an der Brust 190 cm und an der Hüfte 210 cm im Umfang. Um die Probleme solcher Körperfülle zu veranschaulichen wird in dem Bericht der Weinviertler Nachrichten unter anderem erwähnt, dass für einen Anzug für Anton Nissler etwa 5 Meter Stoff benötigt werden und er Hemden mit Kragenweite 55 benötigt. Anton Nissler verstarb 1981, seine Schwester Wetti im Jahre 2006 und beide ruhen auf dem Pellendorfer Friedhof.
Fotos: Josef Plaschil, Mistelbach; Foto Wetti Nissler 1933 aus dem Göstl-Archiv
Das interessante Blatt, 22. Mai 1924, S. 4 (ONB-ANNO)
Das interessante Blatt, 16. September 1926, S. 6 (ONB-ANNO)
Das interessante Blatt, 29. September 1927, S. 8 (ONB-ANNO)
Weinviertler Nachrichten, Nr. 36/1964, S. 1
(Lebensdaten & korrekte Namensschreibweise: Grabstein Familie Nissler – Friedhof Pellendorf)
Goldene Hochzeit Altbürgermeister Freund – 1927
Am 13. Februar 1927 feierte der ehemalige Landtagsabgeordnete und langjährige Bürgermeister von Mistelbach, Thomas Freund gemeinsam mit seiner Gattin Anna, das Jubiläum der goldenen Hochzeit. Zum diesem Anlass übermittelten sogar Bundespräsident Dr. Hainisch, Bundeskanzler Dr. Seipel und Landeshauptmann Buresch ihre herzlichen Glückwünsche und in Mistelbach wurde zu Ehren des Ehepaares Freund ein großer Fackelzug abgehalten.
Die Eheleute Anna und Thomas Freund 1927
Das interessante Blatt, 24. Februar 1927, S. 8 (ONB-ANNO)
Große Weinkost bei Weinhändler Roller – 1928
Am 21. Februar 1928 fand eine große Weinkost im Kellereibetrieb des Mistelbacher Weingroßhändlers Felix Roller statt, an der laut einem Zeitungsbericht rund 600 geladene Gäste teilnahmen. Die gereichten Weine fanden großen Anklang und unter den Teilnehmern waren auch Landeshauptmann Dr. Karl Buresch und der christlich-soziale Nationalratsabgeordnete Richard Wollek. Die Aufnahme zeigt einen Teil der Gäste vor dem von den Barnabiten im 17. Jahrhundert angelegten großen Klosterkeller – dem einstmals größten Keller des Landes – den Roller bis in die 1950er Jahre gepachtet hatte.
Foto: Leopold Forstner
Das interessante Blatt, 1. März 1928, S. 6 (ONB-ANNO)
Landesverbandsschießen in Mistelbach – 1929
Von 29. Juni bis 7. Juli 1929 fand das 14. niederösterreichische Landesverbandsschießen in Mistelbach statt. Einer der Höhepunkte des umfangreichen Festprogramms war sicherlich die Weihe der neuen Fahne der Mistelbacher Schützen, die im Rahmen eines Festaktes auf dem Hauptplatz und in Anwesenheit von Landeshauptmann Buresch und zahlreicher weiterer Ehrengäste erfolgte. Wohl aufgrund eines Missverständnisses wird in den beiden Zeitungsberichten, aus denen die nachfolgenden Bilder stammen, behauptet die Mistelbacher Schützengilde habe mit der Ausrichtung dieses Fests auch ihr 200-Jahr-Jubiläum begangen. Der Zeitpunkt des Beginns des Schützenwesens in Mistelbach ist nicht überliefert, seine Anfänge reichen aber wohl jedenfalls bis in die Zeit zu Ende des 16. Jahrhunderts zurück. Tatsächlich wurde – wie im Mistelbacher Bote zu lesen ist – damals ein 200-jähriges Scheiben-Jubiläum zelebriert. Eine alte Festscheibe im Heimatmuseum Mistelbach aus dem Jahr 1829 bezieht sich auf ein hundert Jahre zuvor abgehaltenes gemeinsames Festschießen und dieses Jubiläums wurde gedacht. Durch ihren Verweis auf den Beginn des 18. Jahrhunderts stellt die Festscheibe aus dem Jahre 1829 den ältesten, überlieferten Beleg für die Existenz einer Schützenvereinigung in Mistelbach dar und möglicherweise ist selbige auch ein Hinweis für das Entstehen der einstigen Schießstätte im späteren Stadtpark. Näheres zum Schützenwesen in Mistelbach bzw. den verschiedenen Schießstätten findet sich unter dem Beitrag Schützenweg.
Fahnenweihe auf dem Hauptplatz (Foto: J. Perscheid)
Frl. Sklenar marschierte als „Schützenliesl“ an der Spitze der Fahnenkompagnie (Foto: J. Perscheid)
Das Festabzeichen anlässlich des 14. niederösterreichischen Landesverbandsschießens, das im Sommer 1929 in Mistelbach abgehalten wurde
Das interessante Blatt, 11. Juli 1929, S. 7 (ONB-ANNO)
Österreichische Illustrierte Zeitung, 11. August 1929, S. 5 (ONB-ANNO)
Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 222
Blutat in Lanzendorf – 1930
Am 29. Oktober 1930 erschlug der Knecht Karl Maier (in der Berichterstattung auch „Meier“ od. „Mayer“ geschrieben) seine Dienstgeber, den Lanzendorfer Landwirt Karl Reuter und dessen Gattin Barbara, mit einer Reithaue. Er war erst wenige Wochen in Lanzendorf und der Tat war ein heftiger Streit zwischen Maier und dem Ehepaar Reuter vorausgegangen, der seine Entlassung zur Folge gehabt hatte. Nach der Tat nahm er die im Haus befindlichen Wertsachen sowie einen Revolver an sich und flüchtete. Wenige Tage später wurde Maier in Gaaden bei Mödling aufgrund von Zechprellerei verhaftet und ein Gendarm hatte den Verdacht, dass es sich um den zur Fahndung ausgeschriebenen Täter von Lanzendorf handeln könnte. Nach einem intensiven Verhör zeigte er sich geständig und wurde schließlich im März 1931 von einem Geschworenengericht in Korneuburg zu lebenslangem Kerker wegen heimtückischen Mordes verurteilt.
Nach der Festnahme: Karl Maier bei seinem Transport nach Korneuburg
Foto: Hilscher
Das interessante Blatt, 13. November 1930, S. 9 (ONB-ANNO)
Die Grenzwacht, Nr. 45/1930, S. 5
Arbeiter Zeitung, 3. März 1931, S. 8 (ONB-ANNO)
Ehepaar Reuter: Eintrag Sterbebuch – Pfarre Mistelbach, Sterbebuch 1921-1934, Fol. 356
Eröffnung Gewerbeschule – 1931
Das neue Gebäude der gewerblichen Fortbildungsschule wurde am 15. November 1931 im Beisein von Landeshauptmann Reither feierlich eröffnet.
Wiener Bilder, 29. November 1931, S. 17 (ONB-ANNO)
Edamer aus Mistelbach & die Mistelbacher Zentralmolkerei bei der Landesausstellung 1935
Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1934 berichtet über die Mistelbacher Zentralmolkerei und dass es dieser nun nach einigen Versuchen und der Anschaffung einer holländischen Käsewanne mit automatischem Rührwerk, gelungen ist, hochwertigen Edamer-Käse in gewohnter Qualität auch in Österreich herzustellen.
Die holländische Käsewanne mit automatischem Rührwerk;
im Hintergrund die Kugelpressen
Der Edamer-Reifungskeller in der Zentralmolkerei Mistelbach
Im Rahmen der niederösterreichischen Landesausstellung 1935 in Hollabrunn präsentierten die Mistelbacher Zentralmolkerei und die Hollabrunner Milchgenossenschaft ihre Produkte in einem mit Unterstützung des Milchwirtschaftsverbandes eigens errichteten Pavillon.
Die „Molkereihalle“ bei der Landesaustellung 1935
Staatsrat Josef Kraus (2. v.r.), Gründer und Obmann
der Mistelbacher Genossenschafts-Zentralmolkerei
Auch Bundespräsident Dr. Miklas und der Landtagspräsident Fischer
verkosten den Käse der Mistelbacher Zentralmolkerei
Werbung für den Mistelbacher Edamer im Mistelbacher Bote
Das interessante Blatt, 3. Mai 1934, S. 24 (ONB-ANNO)
Wiener Bilder, 13. Oktober 1935, S. 18 (ONB-ANNO)
Kreisparteitag der NSDAP – 1939
Von 15.-16. April 1939 fand in Mistelbach der erste NSDAP-Kreistag der Ostmark statt. Angeblich wurde Mistelbach diese „Ehre“ zuteil, da der Bezirk als einer der ersten, bereits wenige Monate nach dem Anschluss, als „judenfrei“ galt. Zeitungsberichte zu dieser Veranstaltung legen jedoch nahe, dass Mistelbach bewusst deshalb gewählt wurde, weil es sich bei diesem Bezirk um eine frühere „schwarze“ Hochburg handelte. Derartige Kreistage waren nämlich nicht bloß ein Treffen sämtlicher NSDAP-Ortsgruppen und sonstiger Parteiorganisationen eines Bezirkes, sondern vor allem groß inszenierte Propagandaveranstaltungen mit einem vielfältigen Rahmenprogramm bestehend aus Tagungen, Aufmärschen und sportlichen Wettkämpfen. Beim Großappell auf dem Adolf Hitler-Platz, wie der Hauptplatz damals offiziell hieß, sprach Gauleiter Dr. Hugo Jury vor etwa 20.000 Teilnehmern.
Großappell auf dem Mistelbacher Hauptplatz
Ansprache Dr. Jury, Gauleiter Niederdonau
Fotos: Sedlar – Agentur Schostal
Das interessante Blatt, 20. April 1939, S. 27 (ONB-ANNO)
Das kleine Volksblatt, 19. April 1939, S.3 (ONB-ANNO)