Mistelbach in der Zeitung – Teil 2 (1901-1904)

Dieser Beitrag behandelte ursprünglich auch zahlreiche Zeitungsartikel, die über die Eibesthaler Passionsspiele berichteten, aber aufgrund der großen Zahl dieser Berichte wurde dafür nachträglich ein eigener Beitrag angelegt: Eibesthaler Passionsspiele (1898-1911)

Eröffnung des neuen Amtsgebäudes 1901

Am 27. Oktober 1901 fand die feierliche Eröffnung des neuen Amtsgebäudes statt, in dem die Bezirkshauptmannschaft, das Gemeindeamt, die städtische Sparkasse, das städtische Museum und das k.k. Eichamt untergebracht wurden. Der Prachtbau, der nach Plänen des Wiener Architekten und k.k. Baurathes Eugen Sehnal von Baumeister Josef Dunkl jun. (später Bürgermeister von 1911 bis 1938) errichtet wurde, kostete rund 400.000 Kronen und wurde von der Stadt gemeinsam mit der städtischen Sparkasse finanziert. 400.000 Kronen im Jahre 1901 entsprechen gemäß dem historischen Währungsrechner der ÖNB einem heutigen Gegenwert von etwa 2,74 Millionen Euro.

Das festlich dekorierte Gebäude am Tag der Eröffnung
Das festlich dekorierte Gebäude am Tag der Eröffnung

Die versammelten Ehrengäste, darunter Bürgermeister Thomas Freund (vorne, Mitte links) und der niederösterreichische Statthalter Graf Kielmansegg (vorne Bildmitte)Die versammelten Ehrengäste, darunter Bürgermeister Thomas Freund (vorne, Mitte links) und der niederösterreichische Statthalter Graf Kielmansegg (vorne Bildmitte)

Das interessante Blatt, 7. November 1901, S. 7 u. S. 10 (ONB-ANNO)
Wiener Bilder, 6. November 1901, S. 9 u. S. 10 (ONB-ANNO)
Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank

 

Verleihung Ehrenmedaille an die Bahnwächterin Brandmeier 1902

An der Bahnkreuzung Dr. Körner-Straße, die damals zu beiden Seiten der Strecke noch ein Feldweg außerhalb des Ortsgebiets war, befand sich einer der entlang der Staatsbahnstrecke verteilten Bahnwächterposten und hier im Bahnwächterhäuschen Nr. 34 versah das Ehepaar Franz und Therese Brandmeier seinen Dienst. Auf engem Raum lebten und arbeiteten sie hier wohl bereits seit Eröffnung dieser Eisenbahnlinie zwischen Wien und Brünn im Jahre 1870. Zu den Aufgaben der Bahnwächter gehörte die Sicherung der Bahnübergänge und die Kontrolle des Gleiskörpers bzgl. etwaiger Beschädigungen oder Hindernisse auf einem bestimmten Streckenabschnitt. Die Kommunikation mit den Bahnhöfen bzw. anderen Bahnwächterposten erfolgte mittels eines drahtgebundenen Läutwerks, das auf dem Foto am Dach des Bahnwächterhäuschens erkennbar ist. Im Februar 1902 wurde Frau Brandmeier aus Anlass ihres vierzigjährigen Dienstjubiläums die Ehrenmedaille verliehen, die sie aus den Händen des Bezirkshauptmanns empfing. Diese im Jubiläumsjahr 1898 vom Kaiser gestiftete Auszeichnung hatte ihr Gatte bereits im Jahr 1900 erhalten. Auch vor ihrer Tätigkeit in Mistelbach dürften die beiden also bereits an anderen Bahnstrecken in dieser Funktion tätig gewesen sein, wie der Bericht nahelegt.

Das mit der Ehrenmedaille für langjährige treue Dienste ausgezeichnete Bahnwächterehepaar Therese und Franz Brandmeier im Jahr 1902Das mit der Ehrenmedaille für langjährige treue Dienste ausgezeichnete Bahnwächterehepaar Therese und Franz Brandmeier im Jahr 1902

Das Ehepaar Brandmeier vor ihrem Dienst- und Wohnsitz, dem Bahnwächterhäuschen Nr. 34Das Ehepaar Brandmeier vor ihrem Dienst- und Wohnsitz, dem Bahnwächterhäuschen Nr. 34

Foto: Leopold Forstner

Illustrirtes Wiener Extrablatt, 19. Februar 1902 (Nr. 49), S. 5 (ONB: ANNO)

 


Schüleraufführung 1902

Die bereits im Beitrag Mistelbach in der Zeitung – Teil 1 (1903-1909) erwähnten Schülerkonzerte haben offenbar eine wesentlich längere Tradition als zunächst angenommen. Rund um die Weihnachtsfeiertage veranstaltete Schüleraufführungen der Musikschule Kabasta lassen sich bis ins Jahr 1897 zurückverfolgen, und deren Reinerträgnis wurde damals für die Bekleidung armer Schulkinder gestiftet. Unter der Leitung von Josef Kabasta, dessen großartiges Wirken in Mistelbach als Kirchenmusiker und Musiklehrer im Artikel besonders hervorgehoben wird, fand 1902 ein von seinen Musikschülern gestalteter musikalischer Abend statt, dessen Höhepunkt, die Aufführung  des dramatischen Weihnachtsmärchens „Sylvestria, die Waldfee“ war. An beiden Tagen fanden die Aufführungen vor einem vollbesetzten Rathaussaal (Hotel Rathaus) statt, wurden begeistert aufgenommen und endeten jeweils mit einer Kaiserhuldigung und dem Absingen des „Kaiserliedes“.

Die Darsteller des Weihnachtsmärchens "Sylvestria"Die Darsteller des Weihnachtsmärchens „Sylvestria“

"Die Waldfee"„Die Waldfee“

"Der Weihnachtsmann"„Der Weihnachtsmann“

Das interessante Blatt, 8. Jänner 1903, S. 6 (ONB-ANNO)

 

Ehrung Bürgermeister Thomas Freund 1904

Im Dezember 1904 wurde unter dem Titel „Der Ehrentag des Bürgermeisters von Mistelbach“ über die Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an den seit 1888 im Amt befindlichen Bürgermeister Thomas Freund berichtet. Der Orden wurde ihm von Bezirkshauptmann Freiherr Klezl von Norberg im Gemeindesitzungssaal feierlich überreicht und anschließend wurde zu einem Festbankett geladen. Im Zuge der Feierlichkeiten wurde auch untenstehende Aufnahme des Mistelbacher Gemeindeausschusses (ein Mitglied ist jedoch abwesend) angefertigt. Bereits am Vorabend veranstalteten die Vereine der Stadt einen Fackelzug zur Wohnung des Bürgermeisters und eine Abordnung bestehend aus den Vereinsobmännern und Gemeindevertretern überbrachte dem Bürgermeister ihre Glückwünsche, umrahmt von einem Ständchen des Gesangs- und Musikvereines. Anschließend zog der Festzug weiter zum neuernannten Ehrenbürger der Stadt, Altbürgermeister Josef Straßer, und brachte auch diesem Ovationen dar.

Bürgermeister Thomas Freund und die Mitglieder des Mistelbacher Gemeindeausschusses mit dem Gemeindesekretär - sitzend: v. l. n. r.: Ignaz Mühl jun., Josef Konrad Strasser, Franz Koblischek, Bgm. Thomas Freund, Heinrich Westermayr, Dr. Rudolf Schaschetzy, Michael Eibl (?); stehend: v. l. n. r.: Emil Hackl, Jakob Augustin (?), Gustav Edhofer, der spätere Bürgermeister Josef Dunkl, Heinrich Gussenbauer, Gemeindesekretär Alexander Zickl (?), Adam Friedrich, Mathias Grabler, Felix Roller, Michael Heindl, Friedrich Hacker, Martin Waberer, Mathias SchamannBürgermeister Thomas Freund und die Mitglieder des Mistelbacher Gemeindeausschusses mit dem Gemeindesekretär – sitzend: v. l. n. r.: Ignaz Mühl jun., Josef Konrad Strasser, Franz Koblischek, Bgm. Thomas Freund, Heinrich Westermayr, Dr. Rudolf Schaschetzy, Michael Eibl (?); stehend: v. l. n. r.: Emil Hackl, Jakob Augustin (?), Gustav Edhofer, der spätere Bürgermeister Josef Dunkl, Heinrich Gussenbauer, Gemeindesekretär Alexander Zickl (?), Adam Friedrich, Mathias Grabler, Felix Roller, Michael Heindl, Friedrich Hacker, Martin Waberer, Mathias Schamann

Das interessante Blatt, 22. Dezember 1904, S. 3 u. S. 6 (ONB-ANNO)
Bote aus Mistelbach, Nr. 50/1904, S. 5f

Veröffentlicht unter Sonstiges | Hinterlasse einen Kommentar

Katschthaler, Karl

k.k. Weinbauinspektor Karl Katschthaler

* 12.7.1853, Innsbruck
† 24.2.1919, Mistelbach

Karl Katschthaler wurde 1853 als Sohn des Philipp Jakob Katschthaler, eines Kapellmeisters und Musiklehrers, und dessen Gattin Elisabeth, geb. Lutz, in der Tiroler Landeshauptstadt geboren.1 Dr. Johann Baptist Katschthaler, der von 1900 bis zu seinem Tode 1914 amtierende Fürsterzbischof von Salzburg und ab 1903 Kardinal, war sein Onkel, und später Taufpate seines Sohnes Rudolf2. In einem Nachruf wird der Besuch eines Unterrealgymnasiums erwähnt bzw. ist belegt, dass er im Schuljahr 1867/68 im Alter von bereits 14 Jahren die erste Klasse des fürsterzbischöflichen Collegiums Borromaeum, einer katholischen Privatschule, in Salzburg besuchte3. Der Besuch dieser Schule, die hauptsächlich der Heranbildung von Priesternachwuchs diente, und an der zu jener Zeit auch sein Onkel leitend tätig war, war nicht von großem Erfolg gekrönt – er beendete das Schuljahr als Klassenletzter und setzte seine Ausbildung in seiner Heimatstadt fort. Hier besuchte Katschthaler die Lehrerbildungsanstalt Innsbruck, die er 1872 mit der Reifeprüfung abschloss, und im Oktober desselben Jahres legte er die Lehrbefähigungsprüfung für Volksschulen ab.4 Danach war er kurzzeitig als Volksschullehrer in Brixen (Südtirol) und später in Reidling (NÖ) tätig5, bevor er mit Anfang des Jahres 1875 an die Mistelbacher Schule wechselte6.

1879 heiratete er in der Wiener Michaelerkirche die Müllermeisterstochter Adelheid Binder aus Lanzendorf und dieser Ehe entstammten vier Kinder.7 Neben dem Lehrberuf begeisterte sich Katschthaler sehr für die Landwirtschaft und insbesondere den Obst- und Weinbau und da er als gebürtiger Innsbrucker aus einer Gegend ohne Weinbau stammte, erwarb er sich autodidaktisch Wissen auf diesem Gebiet und wurde im Nebenberuf Weinhauer. Ab 1884 war er langjähriger Sekretär und Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Bezirksvereins und wirkte in dieser Funktion auch als Gründer zahlreicher Raiffeisen-Kassenvereine und landwirtschaftlicher Kasinos in allen Teilen des Bezirks. Die aus Amerika eingeschleppte Reblaus bedeutete Anfang der 1890er Jahre eine Zäsur im europäischen Weinbau und bereits einige Jahre bevor diese Plage das Weinviertel erreichte, erkannte Katschthaler die große Gefahr und befasste sich intensiv mit der verheerenden Wirkung dieses Schädlings in anderen Ländern und der Abwendung der sich abzeichnenden Katastrophe. Er organisierte Studienreisen in andere Weinbauregionen der Monarchie8und erkannte, dass nur neue Rebsorten vor dem Befall durch die Reblaus geschützt waren. Es sah ein, dass die Umstellung des Weinbaus ein jahrelanger Prozess werden würde und um diesen in Gang zu setzen, legte er in Mistelbach einen Schnitt- und Versuchsweingarten für amerikanische Reben an, der bis 1907 bestand. Mit zahlreichen Vorträge, Kursen und Publikationen versuchte Katschthaler die Weinbauern auf die Reblausplage vorzubereiten und sie auch im Kampf gegen die zu jener Zeit auftretenden Pflanzenkrankheiten wie beispielsweise Peronospora (falscher Mehltau) zu unterstützen. Beispielsweise unterwies er die Weinbauern im Spritzen der Reben mit Kupfervitriol gegen Peronospora oder dem Injizieren von Schwefelkohlenstoff gegen die Reblaus. Im Jahre 1895 als die Reblaus ihre furchtbare Wirkung im Weinviertel entfaltete und große Rebflächen und zahlreiche bäuerliche Existenzen vernichtete, wurde er vom Schuldienst beurlaubt und mit der technischen Leitung der staatlichen Reblausbekämpfung im politischen Bezirk Mistelbach betraut. In dieser schweren Zeit erwarb er sich große Verdienste um den hiesigen Weinbau, wofür er später unter anderem mit dem goldenen Verdienstkreuz ausgezeichnet wurde und zum Ehrenbürger folgender Weinbauorte unserer Region ernannt wurde: Wetzelsdorf, Seefeld, Zellerndorf, Groß-Meiseldorf, Herrnbaumgarten und Falkenstein.
Die von ihm geleistete Aufklärungs- und Fortbildungsarbeit zeigte die Notwendigkeit der Verbesserung der Ausbildung der Landwirte auf und Katschthaler war 1898 maßgeblich an der Errichtung der Winzerschule in Mistelbach beteiligt.

karl-katschthaler-2 Nach dem Tod seiner ersten Gattin Adelheid heiratete er 1901, die aus Stockerau stammende Caecilia Thomas.9 Aufgrund seiner Dienstbeflissenheit wurde er 1902 zum Weinbauinspektor II. Klasse ernannt und sein Zuständigkeitsbereich erweiterte sich um die politischen Bezirke Gänserndorf, Hollabrunn, Korneuburg und Floridsdorf – somit also das gesamte Weinviertel (damals Viertel unter dem Manhartsberg genannt).

In dem überantworteten Wirkungsbereich organisierte Katschthaler unzählige Vorträge, Lehrgänge und Exkursionen, verfasste Leitfäden, Behelfe und Beiträge in diversen Fachzeitungen und wurde 1913 zum Weinbauinspektor I. Klasse befördert. Sein Bemühen galt auch den „Brünnerstraßler“ besser zu vermarkten und zu diesem Zweck organisierte er insgesamt zehn Weinausstellungen, die letzte im Jahre 1918. Das musikalische Talent seines Vaters war auch bei ihm ausgeprägt, und es ist ein von ihm komponierter Ausstellungsmarsch in den Beständen des Museumsarchivs erhalten geblieben.10 Auch in der Kommunalpolitik engagierte er sich und gehörte von 1888 bis 1891 dem Mistelbacher Gemeinderat an. Weiters war er langjähriger Zentralausschussrat der Landwirtschaftsgesellschaft Wien, Direktor der Mistelbacher Vorschusskasse und Obmann des Verschönerungsvereins der Stadt Mistelbach11. Die Familie Katschthaler führte auch einen Heurigenbetrieb im Hof ihres Hauses in der Liechtensteinstraße 7, der unter seinem Sohn Rudolf, im Hauptberuf Verwalter des Landesiechenanstalt, zu den beliebtesten Treffpunkten in den frühen 1920er Jahren gehörte.

heurigen-katschthalerHeurigen Katschthaler im Hof des Hauses Liechtensteinstraße 7

1919 erlag Karl Katschthaler schließlich einem Herzleiden an dem er bereits längere Zeit litt und wurde auf dem Mistelbacher Friedhof beigesetzt.12

Traueranzeige aus dem Mistelbacher Bote

Im Jahr 2004 beschloss der Gemeinderat der Stadt Mistelbach der Zufahrtsstraße zur Bezirksbauernkammer und HTL Mistelbach den Namen Karl Katschthaler-Straße zu geben.


Wo befindet sich die Karl Katschthaler-Straße?


Quellen (& Anmerkungen):

-) Stubenvoll, Franz: Siebenhirten bei Mistelbach – Geschichte des Ortes, seiner Herrschaften und seiner Pfarre (1986), Band I, S. 366f
-) Allgemeine Wein-Zeitung, Nr. 10/1919, S. 75
-) Allgemeine Wein-Zeitung, Nr. 13/1919, S. 99 (Anm.: Die Übersiedlung nach Mistelbach erfolgte um viele Jahre früher, wie anderen oben angeführten Quellen (Angabe in „Die Doppel-Volks- und Bürgerschule“ & Trauungsbucheintrag Pfarre St. Michael) eindeutig belegen.)
-) Wiener Landwirtschaftliche Zeitung, Nr. 21/1919, S. 171 (ONB: ANNO)
-) Eminger, Erwin: Weinbauinspektor Karl Katschthaler in Heimat im Weinland – Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (1980), S. 216f (Anm.: Eminger bezieht sich auf falsche Angaben zum Zeitpunkt seiner Übersiedlung nach Mistelbach, die sich im Nachruf der Allgemeinen Wein-Zeitung finden)
-) Publikationen von Karl Katschthaler in den Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek (ONB)

Bildnachweis:
-) Steiner, Oskar: Mistelbach in alten Ansichten (1983)
-) Wiener Landwirtschaftliche Zeitung, Nr. 27/1919, S. 218 (ONB: ANNO)

Veröffentlicht unter Persönlichkeiten | Hinterlasse einen Kommentar

Ergebnisse der Bundespräsidentenwahlen in Mistelbach

Update: der nachfolgende Beitrag wurde im Oktober 2023 aktualisiert

Seit 1951 wird der österreichische Bundespräsident durch das Volk gewählt und nachfolgend werden die Ergebnisse der Bundespräsidentenwahlen (bis 2010) in der Großgemeinde Mistelbach dargestellt. Zu beachten ist, dass mit Beginn des Jahres 1967 zunächst Lanzendorf und Ebendorf eingemeindet wurden, und 1972 entstand schließlich die Großgemeinde Mistelbach in ihrer heutigen Form, als die Gemeinden Hüttendorf, Eibesthal, Paasdorf, Siebenhirten, Hörersdorf, Frättingsdorf und Kettlasbrunn mit Mistelbach vereint wurden.

Betreffend einzelner teilweise leicht über hundert Prozent liegender Wahlbeteiligungen, wurde auf Nachfrage bei der zuständigen Abteilung im Bundesministerium für Inneres mitgeteilt, dass dies durch Stimmabgabe mittels Wahlkarten begründet sei. Bezüglich der Wahlbeteiligung ist es auch wichtig zu erwähnen, dass bis 1982 eine allgemeine Wahlpflicht bei der Bundespräsidentenwahl herrschte. Obwohl sich Präsidenten, die sich einer Wiederwahl stellten, oftmals als unabhängig deklarierten, wurden diese in den nachfolgenden Tabellen dennoch jener Partei zugeordnet, die sie bei Ihrer ersten Wahl unterstützte, um diese deutlich von den tatsächlich unabhängigen Kandidaten abzugrenzen.

Bundespräsidentenwahl 1951

1. Wahlgang (6. Mai 1951)

Ort Wahl-ber. Abgeg. Stimmen Wahl-beteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Heinrich Gleißner (ÖVP) Dr.h.c. Theodor Körner (SPÖ) Dr. Burghard Breitner (VdU) Gottlieb Fiala (KPÖ) Dr. Johannes Ude (unabhängig) Ludovica Hainisch (unabhängig)
Ebendorf 258 257 99,6% 4 253 116 45,8% 114 45,1% 6 2,4% 17 6,7% 0 0,0% 0 0,0%
Eibesthal 551 532 96,6% 5 527 460 87,3% 48 9,1% 19 3,6% 0 0,0% 0 0,0% 0 0,0%
Frättingsdorf 308 297 96,4% 0 297 151 50,8% 130 43,8% 14 4,7% 2 0,7% 0 0,0% 0 0,0%
Hörersdorf 318 315 99,1% 6 309 233 75,4% 67 21,7% 6 1,9% 3 1,0% 0 0,0% 0 0,0%
Hüttendorf 370 355 95,9% 0 355 212 59,7% 121 34,1% 14 3,9% 8 2,3% 0 0,0% 0 0,0%
Kettlasbrunn 494 483 97,8% 2 481 329 68,4% 117 24,3% 18 3,7% 16 3,3% 1 0,2% 0 0,0%
Lanzendorf 342 335 98,0% 10 325 137 42,2% 158 48,6% 9 2,8% 21 6,5% 0 0,0% 0 0,0%
Mistelbach 3626 3602 99,3% 56 3546 1621 45,7% 1374 38,7% 340 9,6% 210 5,9% 1 0,0% 0 0,0%
Paasdorf 582 555 95,4% 11 544 300 55,1% 175 32,2% 24 4,4% 45 8,3% 0 0,0% 0 0,0%
Siebenhirten 311 290 93,% 4 286 234 81,8% 43 15,0% 2 0,7% 7 2,4% 0,0% 0 0,0%
Gesamt 7160 7021 98,1% 98 6923 3793 54,8% 2347 33,9% 452 6,5% 329 4,8% 2 0,0% 0 0,0%

 

2. Wahlgang (27. Mai 1951)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Heinrich Gleißner (ÖVP) Dr. h.c. Theodor Körner (SPÖ)
Ebendorf 258 254 98,4% 0 254 120 47,2% 134 52,8%
Eibesthal 551 537 97,5% 6 531 468 88,1% 63 11,9%
Frättingsdorf 308 306 99,4% 8 298 155 52,0% 143 48,0%
Hörersdorf 318 320 100,6% 7 313 233 74,4% 80 25,6%
Hüttendorf 370 360 97,3% 5 355 222 62,5% 133 37,5%
Kettlasbrunn 494 483 97,8% 4 479 328 68,5% 151 31,5%
Lanzendorf 342 334 97,7% 8 326 149 45,7% 177 54,3%
Mistelbach 3626 3639 100,4% 85 3554 1789 50,3% 1765 49,7%
Paasdorf 582 569 97,8% 11 558 311 55,7% 247 44,3%
Siebenhirten 311 299 96,1% 4 295 237 80,3% 58 19,7%
Gesamt 7160 7101 99,2% 138 6963 4012 57,6% 2992 42,4%

 

Bundespräsidentenwahl 1957

(5. Mai 1957)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Wolfgang Denk (ÖVP) Dr. Adolf Schärf (SPÖ)
Ebendorf 246 244 99,2% 1 243 120 49,4% 123 50,62%
Eibesthal 509 498 97,8% 3 495 436 88,1% 59 11,92%
Frättingsdorf 294 290 98,6% 2 288 134 46,5% 154 53,47%
Hörersdorf 341 324 95,0% 3 321 221 68,8% 100 31,15%
Hüttendorf 361 364 100,8% 2 362 201 55,5% 161 44,48%
Kettlasbrunn 465 456 98,1% 0 456 302 66,2% 154 33,77%
Lanzendorf 326 321 98,5% 8 313 152 48,6% 161 51,44%
Mistelbach 3660 3779 103,3% 48 3731 1929 51,7% 1802 48,30%
Paasdorf 556 531 95,5% 5 526 292 55,5% 234 44,49%
Siebenhirten 305 297 97,4% 5 292 248 84,9% 44 15,07%
Gesamt 7063 7104 98,1% 77 7027 4035 57,4% 2992 33,9%

 

Bundespräsidentenwahl 1963

(28. April 1963)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dipl-Ing. Julius Raab (ÖVP) Dr. Adolf Schärf (SPÖ) Dr. Josef Kimmel (EFP)
Ebendorf 232 223 96,1% 11 212 103 48,6% 105 49,5% 4 1,9%
Eibesthal 498 486 97,6% 2 484 391 80,8% 84 17,4% 9 1,9%
Frättingsdorf 268 264 98,5% 6 248 146 58,9% 102 41,1% 0 0,0%
Hörersdorf 319 299 93,7% 6 293 199 67,9% 87 29,7% 7 2,4%
Hüttendorf 345 342 99,1% 11 331 173 52,3% 154 46,5% 4 1,2%
Kettlasbrunn 434 423 97,5% 5 418 236 56,5% 176 42,1% 5 1,4%
Lanzendorf 343 328 95,6% 8 320 143 44,7% 163 50,9% 14 4,4%
Mistelbach 3871 3845 99,3% 110 3735 1736 46,5% 1880 50,3% 119 3,2%
Paasdorf 496 472 95,2% 10 462 201 43,5% 251 54,3% 10 2,2%
Siebenhirten 280 272 97,1% 2 270 226 83,7% 44 16,3% 0 0,0%
Gesamt 7086 6954 98,1% 171 6773 3554 52,5% 2992 45,0% 173 2,6%

 

Bundespräsidentenwahl 1965

(23. Mai 1965)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Alfons Gorbach (ÖVP) Franz Jonas (SPÖ)
Ebendorf 232 222 95,7% 5 217 115 53,0% 102 47,0%
Eibesthal 494 487 98,6% 4 483 386 79,9% 97 20,1%
Frättingsdorf 267 247 92,5% 4 243 143 58,8% 100 41,2%
Hörersdorf 308 300 97,4% 6 294 219 74,5% 75 25,5%
Hüttendorf 348 346 99,4% 5 341 210 61,6% 131 38,4%
Kettlasbrunn 421 411 97,6% 6 405 254 62,7% 151 37,3%
Lanzendorf 333 319 95,8% 4 315 158 50,2% 157 49,8%
Mistelbach 3817 3838 100,6% 65 3773 2061 54,6% 1712 45,4%
Paasdorf 480 468 97,5% 5 465 251 54,0% 212 45,6%
Siebenhirten 271 261 96,3% 4 257 208 80,9% 49 19,1%
Gesamt 6971 6899 99,0% 108 6793 4005 59,0% 2786 41,0%

 

Bundespräsidentenwahl 1971

(25. April 1971)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Kurt Waldheim (ÖVP) Franz Jonas (SPÖ)
Eibesthal 489 480 98,2% 4 476 383 80,5% 93 19,5%
Frättingsdorf 231 224 97,0% 2 222 129 58,1% 93 41,9%
Hörersdorf 293 287 98,0% 3 284 193 68,0% 91 32,0%
Hüttendorf 367 362 98,6% 6 356 192 53,9% 164 46,1%
Kettlasbrunn 407 399 98,0% 2 397 218 54,9% 179 45,1%
Mistelbach 4384 4464 101,8% 69 4395 2377 54,1% 2018 45,9%
Paasdorf 467 452 96,8% 6 446 243 54,5% 203 45,5%
Siebenhirten 255 257 100,8% 1 256 190 74,2% 66 25,8%
Gesamt 6893 6925 100,5% 93 6832 3925 57,5% 2907 57,5%

 

Bundespräsidentenwahl 1974

(23. Juni 1974)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Alois Lugger (ÖVP) Dr. Rudolf Kirchschläger  (SPÖ)
Mistelbach 6852 6914 100,9% 114 6800 3855 56,7% 2945 43,3%

 

Bundespräsidentenwahl 1980

(18. Mai 1980)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Rudolf Kirchschläger (SPÖ) Dr. Wilfried Gredler (FPÖ) Dr. Norbert Burger (NDP)
Mistelbach 7174 7102 99,0% 878 6224 4915 79,0% 1123 18,0% 186 3,0%

 

Bundespräsidentenwahl 1986

1. Wahlgang (4. Mai 1986)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Kurt Waldheim (ÖVP) Dr. Kurt Steyrer  (SPÖ) Freda Meissner-Blau (Grüne) Dr. Otto Scrinzi (FPÖ)
Mistelbach 7396 7248 98,0% 160 7088 4075 57,5% 2678 37,8% 295 4,2% 40 0,6%

 

2. Wahlgang (8. Juni 1986)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Kurt Waldheim (ÖVP) Dr. Kurt Steyrer  (SPÖ)
Mistelbach 7396 7063 95,5% 204 6859 4148 60,5% 2711 39,5%

 

Bundespräsidentenwahl 1992

1. Wahlgang (26. April 1992)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Thomas Klestil (ÖVP) Dr. Rudolf Streicher  (SPÖ) Dr. Heide Schmidt (FPÖ) Robert Jungk  (Grüne)
Mistelbach 7909 7167 90,6% 214 6953 3489 50,2% 2494 35,9% 722 10,4% 248 3,6%

 

2. Wahlgang (24. Juni 1992)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Thomas Klestil (ÖVP) Dr. Rudolf Streicher  (SPÖ)
Mistelbach 7909 7035 88,9% 204 6831 4294 62,9% 2537 37,1%

 

Bundespräsidentenwahl 1998

(19. April 1998)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Thomas Klestil (ÖVP) Mag. Gertraud Knoll  (unabhängig) Ing. Richard Lugner  (Die Unabhängigen) Dr. Heide Schmidt  (LIF) Karl Nowak (Die Neutralen)
Mistelbach 8058 6752 83,8% 278 6474 4364 67,4% 861 13,3% 594 9,2% 560 8,6% 95 1,5%

 

Bundespräsidentenwahl 2004

(25. April 2004)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) Dr. Heinz Fischer  (SPÖ)
Mistelbach 8365 6896 82,4% 319 6577 3598 54,7% 2979 45,3%

 

Bundespräsidentenwahl 2010

(25. April 2010)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Heinz Fischer (SPÖ) Barbara Rosenkranz  (FPÖ) Dr. Rudolf Gehring (CPÖ)
Mistelbach 8866 5298 59,8% 582 4716 3642 77,2% 861 17,6% 242 5,1%

 

Bundespräsidentenwahl 2016

1. Wahlgang (24. April 2016)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Ing. Norbert Hofer (FPÖ) Dr. Irmgard Griss  (unabhängig) Dr. Alexander van der Bellen (Grüne) Dr. Andreas Khol  (ÖVP) Rudolf Hundstorfer (SPÖ) Ing. Richard Lugner (unabhängig)
Mistelbach 9125 6214 68,1% 188 6026 2222 36,9 1115 18,5% 1051 17,4% 802 13,3% 683 11,3% 153 2,5%

2. Wahlgang (22. Mai 2016) – wurde durch verfassungsgerichtliches Erkenntnis aufgehoben

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Ing. Norbert Hofer (FPÖ) Dr. Alexander van der Bellen (Grüne)
Mistelbach 9125 6138 67,3% 297 5841 3246 55,6% 2595 44,4%

Wiederholung des 2. Wahlgang (4. Dezember 2016) – Endergebnis

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Ing. Norbert Hofer (FPÖ) Dr. Alexander van der Bellen (Grüne)
Mistelbach 9181 6483 70,6% 256 6227 3177 51,0% 3050 49,0%

Bundespräsidentenwahl 2022

(9. Oktober 2022)

Ort Wahlber. Abgeg. Stimmen Wahlbeteil. Ungültige Stimmen Gültige Stimmen Dr. Alexander van der Bellen (Grüne) Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) Dr. Tassilo Wallentin (parteilos) Dr. Dominik Wlazny (Bierpartei) Gerald Grosz (parteilos) Dr. Michael Brunner (MFG) Heinrich Staudinger (parteilos)
Mistelbach 9343 5856 62,7% 202 5654 3102 54,9% 994 17,6 544 9,6% 491 8,6% 305 5,39% 137 2,42% 81 1,43%

 

Quelle: Amtliche Verlautbarung der Wahlergebnisse der Bundespräsidentenwahlen auf der Webseite des Bundesministeriums für Inneres

Veröffentlicht unter Ereignisse | Hinterlasse einen Kommentar

Geschichte der Stadt Mistelbach von Karl Fitzka

Unglaublich welchen Weg so manches Buch hinter sich hat, denn wer hätte gedacht, dass sich ein Exemplar der Geschichte der Stadt Mistelbach von Karl Fitzka in der Bibliothek der US-amerikanischen Eliteuniversität Harvard befindet? Das 1901 in Mistelbach erschienene Buch gelangte offenbar auf irgendwelchen Wegen über den Atlantik und 1919 durch den Charles Minot Fund, einem durch einen Harvard Absolventen eingerichteten Fonds zum Zwecke des Bücherankaufs für die Harvard Universitätsbibliothek, in deren Bestände. Das Internetunternehmen Google scannt seit vielen Jahren bereits Bücher, deren Urheberrecht abgelaufen ist, in Bibliotheken weltweit und stellt diese digital auf Google Books online. Obwohl der Autor Karl Fitzka bereits seit mehr als 100 Jahren verstorben ist, ist das Buch aus kaum nachvollziehbaren Gründen in Europa leider nicht online verfügbar, aber in den USA und zufällig stieß der Autor dieses Blogs während eines Aufenthalts in den Vereinigten Staaten auf dieses digitale Fundstück. Übrigens werden im Internet, als auch im Buchhandel teure (und schlechte) Buchversionen dieses Google Scans zum Verkauf angeboten.

In Übereinstimmung mit den Richtlinien von Google Books soll die digitale Version dieses Buches im Rahmen dieses Blogs allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden.

Karl Fitzka: Geschichte der Stadt Mistelbach
(Download: rechter Mausklick auf den Link und „Ziel speichern unter …“ auswählen oder nach dem Öffnen des Links rechts oben auf das Downloadsymbol klicken)

Veröffentlicht unter Historische Literatur | Hinterlasse einen Kommentar

Mistelbach in der Zeitung – Teil 1 (1903-1909)

In den Mistelbacher Lokalzeitungen fanden sich vor der Mitte des 20. Jahrhunderts kaum Abbildungen, die das Lokalgeschehen dokumentieren. Lediglich das Weltgeschehen oder zumindest Nachrichten von österreichweiter Bedeutung wurden mit Bildern oder Grafiken veranschaulicht. Wenn also in den überregionalen Zeitungen über Mistelbach mit einem Foto oder einer Abbildung berichtet wurde, so war dies natürlich etwas Besonderes und hatte meist einen festlichen bzw. manchmal auch skurrilen Hintergrund, wie folgende Funde belegen:

Die Lehrlingsausstellung in Mistelbach 1903

Es handelte sich um eine vom Niederösterreichischen Gewerbeverein veranstaltete Lehrlingsausstellung, die zu jener Zeit in verschiedenen Städten des Landes abgehalten wurden. Die Ausstellung fand in den Räumlichkeiten des Hotel Rathaus (heute: Erste Bank) statt und Obmann des diese Organisations-Komitees war Baumeister Josef Dunkl. Lehrlinge aus zwanzig verschiedenen Handwerksberufen vom Bäcker bis zum Zimmermann konnten vor großem Publikum ihr Können bzw. ihre Werke präsentieren und die besten Leistungen wurden prämiert.

lehrlingsausstellung-1903Ilustrirtes Wiener Extrablatt, 5. Oktober 1903, S. 1 (ONB-ANNO)

Bote aus Mistelbach, Nr. 40/1903, S. 6
Bote aus Mistelbach, Nr. 41/1903, S. 5f
Foto: Leopold Forstner, Mistelbach


Schülerkonzerte

Neben dem Barnabitenorden war es auch zahlreichen Bürgern ein Anliegen, dass Mistelbach eine höhere Schule bekommen sollte und so wurde 1901 der „Verein zur Gründung einer Mittelschule“ ins Leben gerufen. Um finanzielle Mittel für diesen Zweck zu lukrieren wurden ab 1904 auf Initiative der Mistelbacher Schüler und unter Anleitung engagierter Musikpädagogen Schülerkonzerte veranstaltet, deren Reinertrag der Schulerrichtung gewidmet war. Diese Konzerte bestanden meist aus einer Reihe von Einzelvorträgen der Kinder und Jugendlichen, gemeinsam gespielten Stücken, und immer auch aus „lebenden Bildern“ bzw. einem Theaterspiel und fanden jedenfalls bis 1907 statt. Das Bewusstsein, dass mit diesen Veranstaltungen nur ein sehr kleiner Beitrag für die Finanzierung der Mittelschule geleistet werden konnte und das Ziel somit ein langfristiges war, belegt folgendes Zitat aus einem der Artikel: „Ach! Ein schönes Gebäude ist teuer und Lehrmittel kosten viel und so wird es bei allem Eifer der Mitwirkenden wohl möglich sein, daß den Dank der ersten Maturanten ihre Großeltern empfangen.“ Diese Prophezeiung war sehr treffend, sollte es doch bis 1963 dauern bis Mistelbach mit dem musisch-pädagogischen Realgymnasium endlich eine höhere Schule bekam. Natürlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Vorhaben durch die Errichtung einer Mittelschule im nahen Laa a.d. Thaya 1911 erheblich erschwert wurde.

Schülerkonzert 1904 – Konzert und Festspiel „Schneewittchen“  (Leitung: Elise Feigl)

schuelerkonzert-schneewitchen-1904Schneewitchen (Aloisia Feigl), Königin (Hilda Blaimschein), Prinz (Wilhelm Ley), weitere Mitwirkende: Irma Putz, Max Eybel, Anna Wiesinger, Bertha Boril, Theresia Roller, Elsa Ribing, Emma Schallgruber, Mizzi Hoch.

Das interessante Blatt, 26. Mai 1904, S. 6 (ONB-ANNO)

Schülerkonzert 1905 – Konzert und Festspiel „Aschenbrödel“ im Gasthaus Putz (heute Gh. Schilling) unter der Leitung der Konservatoristin Elise Feigl

schuelerkonzert-1905

Mitwirkende: Franz Kauba, Hermine Reumann, Marie Kocher, Willy Ley, Max Eibel, Käthi Toch, Resi Roller, Berta Boril, Elsa Ribing, Hilda Blaimschein, Theresia Toch, Emma Schalgruber

Das interessante Blatt, 27. April 1905, S. 2 (ONB-ANNO)
Bote aus Mistelbach, 15/1905, S. 5

Schülerkonzert 1907 – Konzert mit anschließendem Liederfestspiel “Gott erhalte unsern Kaiser”, bei dem die Kinder in verschiedenen Nationaltrachten der Monarchie auftraten, im Garten des Hotel Rathaus (einem Teil des heutigen Stadtparks). Für die Aufführung zeichnete die Musikschule Kabasta verantwortlich, deren Leiter Josef Kabasta (Regenschori in der Stadtpfarrkirche Mistelbach und Vater des Dirigenten und Komponisten Oswald Kabasta), zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank war und wenige Tage später verstarb.

schuelerkonzert-1907Ein Abzug dieses Fotos wurde in den 60er Jahren dem Heimatmuseum geschenkt und Museumsleiter OSR Fritz Bollhammer vermerkte handschriftlich die darauf abgebildeten Personen:
1. Reihe v.l.n.r.: Martha Kalina (verehel. Foitl), Karl Herm, Hermine Nebel (verehel. Vogl), Helene Mühl (verehel. Bollhammer), Adolf Wessely (Ladendorf), Frieda Schmied
2. Reihe v.l.n.r.: Frieda Haring, Katharina Herger (verehel. Schneider), Katharina Schnaß (verehel. Breit), Marie Blaschke, Aulenia (?) Fischer, Leopoldine Kleinböck, Maria Putz (Filippinetti)
Sitzend links: Oswald Kabasta
Sitzend rechts: Karl Bollhammer

Diese rund 60 Jahre später (!) erfolgte Identifikation der abgebildeten Personen, weicht ein wenig von einem über die Aufführung berichtenden Artikel im Mistelbacher Bote ab. Übereinstimmend erwähnt der Bericht als „Austria“ Frl. Fischer, Oswald Kabasta und Mitzi Blaschke (verehel. Sillaba). Als weitere Mitwirkende werden allerdings u.a. Anna Maria und ihre Schwester Maria Reumann (die spätere Künstlerin Myssa Grassl), Maria Forstner (die Tochter des Fotografen Forstner) und Franz Gally genannt.

Österreichische Illustrierte Zeitung, 21. Juli 1907, S. 7, (ONB-ANNO)
Mistelbacher Bote, 28/1907, S. 4
Mistelbacher Gemeindezeitung, 4/1996, S. 36


Brand in Paasdorf 1905

Am 5. August 1905 brach um etwa 15:15 Uhr in Paasdorf ein verheerender Großbrand aus, der trotz der vereinten Kräfte der Feuerwehren Paasdorf, Atzelsdorf, Mistelbach, Ladendorf und Hüttendorf nur unter größtem Einsatz bekämpft werden konnte und bis in den späten Abend wütete. 15 Objekte (Häuser u. Wirtschaftsgebäude) von zehn verschiedenen Besitzern wurden ein Raub der Flammen. Beim Versuch der Rettung ihres Hab und Guts zog sich die Witwe Maria Westermayer schwere Brandverletzungen zu, denen sie wenige Tage später im Wiener Franz Josef Spital erlag. Als Brandstifterin wurde das aus Atzelsdorf stammende und in Paasdorf in Dienst stehende 16-jährige Kindermädchen Therese Kunst in Haft genommen. Sie gestand auch für einige kleinere Brände der Vergangenheit in Paasdorf und Kettlasbrunn verantwortlich zu sein.


Foto: Leopold Forstner, Mistelbach

Das interessante Blatt, 17. August 1905, S. 2 (ANNO-ONB)
Illustrierte Kronen Zeitung, 15. August 1905, S. 9 (ONB-ANNO)
Bote aus Mistelbach, Nr. 32/1905, S. 4f
Bote aus Mistelbach, Nr. 33/1905, S. 4


Landes-Wein-Ausstellung 1905 im Viertel unter dem Manhartsberg

Diese zweitägige Weinausstellung zu der Weinproduzenten aus allen Teilen des Viertels unter dem Manhartsberg (= das heutige Weinviertel) nach Mistelbach kamen, sollte den Wein aus heimischer Produktion bewerben und neue Absatzquellen erschließen. Hohe Festgäste wohnten der Eröffnung der Weinausstellung bei, die auch eine Weinhauergeräte-Ausstellung und eine Weinkost, samt Prämierung der besten Weine, umfasste. Proben von rund 1500 Weiß- und Rotweinen konnten im Rahmen dieser Veranstaltung verkostet werden, mittels derer Absatzmöglichkeiten für insgesamt 20.000 Hektoliter Wein gesucht wurden. Es war dies bereits die achte vom landwirtschaftlichen Bezirksverein Mistelbach veranstaltete, und von Weinbauinspektor Karl Katschthaler organisierte, Weinausstellung in Mistelbach. Zahlreiche Gastwirte und Weinhändler aus Wien, Niederösterreich und Mähren deckten ihren Bedarf mit den angebotenen Weinen und somit war die Ausstellung samt Weinmarkt ein großer Erfolg.

landesweinausstellung-vumb-1905-ehrengaesteEhrengäste – Bgm. Freund (5. v. l.), k.k. Ackerbauminister Graf Buquoy und der Statthalter von Niederösterreich Graf Kielmansegg (Bildmitte im Vordergrund)

landesweinausstellung-vumb-1905-winzertoechterDie Töchter der Weinproduzenten waren als Verkäuferinnen tätig

Das Saal des Hotel Rathaus bei der Eröffnung der Weinausstellung 1905Das Saal des Hotel Rathaus bei der Eröffnung der Landes-Weinausstellung 1905

Wie bereits erwähnt wurden ausgewählte Weine mit Medaillen prämiert und nachfolgende Abbildung zeigt Vorder- und Rückseite einer im Rahmen dieser Weinausstellung verliehenen Silbermedaille:

Fotos: Leopold Forstner, Mistelbach
Das interessante Blatt, 2. März 1905, S. 3 (ONB-ANNO)
Neuigkeits-Welt-Blatt, 23. Februar 1905, 9. Bogen des Neuigkeits-Welt-Blatts (ONB-ANNO)


„Mit dem Motorrad vom Heidentum zum Christentum“ 1906

unter diesem Titel wurde darüber berichtet, dass am 23. September 1906 der Mistelbacher Mechanikermeister Karl Rößler sein Töchterchen mit dem Motorrad zur heiligen Taufe fuhr. In der Frühzeit der Motorisierung eine kleine Sensation. Beim Paar rechts handelt es sich um die Eltern Karl & Helene Rößler, links auf dem Schoß der Taufpatin Helene Dirnberger, durch weiße Tücher verdeckt liegt die kleine, sieben Tage alte Hilda.

motortaufe-roessler-1906Foto: Leopold Forstner, Mistelbach
Österreichische Illustrierte Zeitung, 28. Oktober 1906, S. 8 (ONB-ANNO)
Illustrierte Kronenzeitung, 30. September 1906, S. 5 (ONB-ANNO)


Kartoffelabnormität 1906

gefunden im Erdäpfelacker des Gemischtwarenhändlers Schodl in Mistelbach

kartoffelabnormitaet-gemischtwarenhaendler-schodl-1906Österreichische Illustrierte Zeitung, 28. Oktober 1906, S. 7 (ONB-ANNO)


Feuerwehrfest in Frättingsdorf 1909

Am 9. Juli 1909 fand das Gründungsfest der Freiwilligen Feuerwehr Frättingsdorf samt Spritzenweihe statt.

feuerwehrfest-fraettingsdorf-1909Illustrierte Kronen Zeitung, 18. Juli 1909, S. 17 (ONB-ANNO)

Veröffentlicht unter Sonstiges | Hinterlasse einen Kommentar

Wallfahrtsort Mistelbach – die alte romanische Pfarrkirche

Die wenigen aus der Zeit vor Ende des 18. Jahrhunderts überlieferten Darstellungen des Kirchenbergs zeigen, dass an dessen höchstem Punkt einst drei Sakralbauten standen. Bei dem Bild rechts handelt es sich um die Kopie einer Darstellung aus der Zeit zwischen 1755 und 1784, deren Original einst im Kolleg hing und das seit den Kriegswirren 1945 als verschollen gilt. Zwischen der heutigen Pfarrkirche und der Katharinenkapelle (=Karner) stand also eine weitere Kirche, deren Grundmauern bei der umfassenden Kirchenrenovierung 1935 und der gleichzeitig stattfindenden Neuanlage eines Gräberfeldes, wiederentdeckt wurden. Die damals angefertigten Pläne über die Lage der Grundmauern gingen leider ebenso wie das oben erwähnte Bild 1945 verloren.

Auf dieser Kopie einer alten, verschollenen Darstellung ist zwischen Pfarrkirchen und Katharinenkapelle (=Karner) klar eine weitere Kirche erkennbarAuf dieser Kopie einer alten, verschollenen Darstellung ist zwischen Pfarrkirchen und Katharinenkapelle (=Karner) klar eine weitere Kirche erkennbar

Prof. Mitscha-Märheim kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem verschwundenen Kirchenbau vermutlich um die alte romanische Pfarrkirche Mistelbachs gehandelt hat, die auch bereits dem hl. Martin geweiht war und deren Patrozinium wohl auf die neue, Ende des 15. Jahrhunderts errichtete, Pfarrkirche überging. 27 Stufen führten in eine unter der alten Kirche gelegene Gruftkapelle, die durch einen Gang auch mit dem Karner verbunden war und in der die Herren von Mistelbach, ehe dieses Geschlecht 1371 ausstarb, beigesetzt wurden. Einen Einblick in die mit Knochen angefüllte Krypta, deren Decke von zahlreichen Säulenpfeilern getragen war und in deren Mitte sich ein Armeseelenaltar befand, gibt der untere Teil des untenstehenden Wallfahrtsbildchens.

Die älteste Abbildung der Marienstatute aus dem 18. Jahrhundert in zur damaligen Zeit üblicher aufwändiger Bekleidung.Die älteste Abbildung der Marienstatute aus dem 18. Jahrhundert in zur damaligen Zeit üblicher aufwändiger Bekleidung.

Planskizze über die zwischen der heutigen Pfarrkirche und Karner aufgefundenen Grundmauerreste und Rekonstruktion des Grundrisses der alten romanischen Pfarrkirche

Obenstehend eine Planskizze über die zwischen Pfarrkirche und Karner aufgefundenen Grundmauerreste, basierend auf Aufzeichnungen von P. Innozenz Krall. Die detaillierten Originalpläne über die Ausgrabungen gingen 1945 verloren.13 Im Gegensatz zur Abbildung in „Mistelbach: Geschichte I“ wurde auf der hier vorliegenden Skizze, die aus dem Göstl-Archiv stammt, von unbekannter Hand (Georg Göstl selbst?) auch versucht auf Basis der gefundenen Mauerreste den Grundriss der alten Kirche abzuleiten (grau eingezeichnet). Der halbrunde apsisartige Abschluss zur heutigen Pfarrkirche hin zeigt, dass sich der Urheber dieser Rekonstruktion augenscheinlich an der oben abgebildeten ältesten (und für lange Zeit einzigen) bildlichen Überlieferung der Kirche orientierte. Eine Apsis müsste wie man auch am Grundriss der Pfarrkirche bzw. des Karners erkennen kann allerdings ostwärts gerichtet sein. Stattdesseen dürfte es sich beim westseitig gelegenen Anbau um eine Art Vorraum/Eingangsbereich gehandelt haben. Dem unbekannten Urheber gelang es nicht alle Fundstellen (siehe die unterhalb gelegenen Mauerreste in blau und orange markiert) in den von ihm vermuteten Grundriss zu integrieren.

Als die Urform der heutigen, wesentlich größeren Pfarrkirche fertiggestellt worden war, unter anderem aus Steinen der unmittelbar danebengelegenen verwaisten Burg, verfiel die alte Gruftkirche zusehends und das geistliche Leben konzentrierte sich nunmehr auf die neue Kirche.  Mitte des 17. Jahrhunderts war Gruftkirche bereits sehr baufällig und wurde als teils einsturzgefährdet beschrieben, ehe sie als Marienwallfahrtsort in Mistelbach und der umliegenden Region unter den Namen „Unsere liebe Frau auf dem Berg“ bzw. „Maria in der Gruft“ oder „Maria in der Gstettn“ neuen Aufschwung erleben sollte. Der Name „Maria in der Gstettn“ rührt übrigens daher, dass der heute bewaldete Kirchenberg früher als Weidefläche Nutzung fand, und erst im Zuge der Errichtung der Liechtenstein-Parkanlage zu Ende des 19. Jahrhunderts mit Bäumen bepflanzt wurde.

Auslöser der Wallfahrten war folgende Begebenheit:  Am 25. April 1749 ging  Rosina Bacher, eine 45-jährige Hauersgattin aus Mistelbach in die Gruftkirche, in die sich ob ihres baufälligen Äußeren nur mehr wenige wagten, um für die armen Seelen im Fegefeuer zu beten. In der Krypta fiel ihr Blick dann auf eine bis dahin wenig beachtete Marienstatue, die in einer Seitennische stand. Es handelte sich dabei um eine frühbarocke bemalte Holzstatute, eine sogenannte Pietà,  also eine Darstellung Marias mit dem Leichnam des vom Kreuze abgenommenen Jesus Christus. Im Barock war es üblich solche Statuen prachtvoll einzukleiden und auszustaffieren, bspw. mit einer Krone oder einem Strahlenkranz, aber diese Pietà war nur mehr mit einem schäbigen, weißen Stückchen Stoff behangen. Rosina Bacher entschloss sich der Statue ein würdiges Kleid zu nähen, vernachlässigte dieses Vorhaben allerdings bald aufgrund anderer Hausgeschäfte. Als sie im April des folgenden Jahres im Weingarten arbeitete wandte sich Frau Bacher, deren sechsjährige Tochter an einem sich verschlimmernden Augenleiden litt, an Gott und insbesondere an die hl. Jungfrau mit der Bitte ihr den Gnadenort anzuzeigen, an den sie sich wenden sollte, um für die Genesung ihrer Tochter zu beten. So wandte sie sich im Weingarten stehend Richtung Föllim, wo damals der Gnadenort Mariahilf lag, zu dem sie bereits mehrfach gepilgert war, doch sie spürte wie ihr Kopf wie von zwei unsichtbaren Händen von dieser Richtung abgewendet wurde. Ebenso erging es ihr als sie sich jeweils in Richtung der anderen berühmten Wallfahrtsorte Maria Oberleis, Mariazell und Maria Schoßberg (Slowakei) wandte. Als sie schließlich zur Mistelbacher Kirche blickte erschien nur ein paar Schritte von ihr entfernt die Mutter Gottes, so wie sie in der Gruftkirche dargestellt war. Sie legte ein Gelübde ab und die Erscheinung verschwand. Als Frau Bacher nach Hause eilte, berichtete ihre Tochter bereits von der Besserung ihres Leidens und gesundete in weiterer Folge. Als Dank nähte sie der Marienstatute ein prachtvolles Gewand und verzierte ihr Haupt mit einer Krone und besuchte die Krypta nun regelmäßig.

Weitere Gebetserhörungen (zunächst von anderen Mitgliedern der Familie Bacher) führten bald zu einem stetig steigenden Zustrom zu den Andachten in der Gruftkirche und die bald einsetzenden Wallfahrten wurden vom damaligen Barnabitenprobst Don Martin Braun nach Kräften gefördert. In der Folge wurde die Kapelle samt der Gruft aufwändig renoviert und baulich erweitert, und die Pietà stand fortan an einem Ehrenplatz. Die Jahrhunderte überdauert hat ein sogenanntes Mirakelbuch, dass sich heute im Kloster befindet, und genau Protokoll führte über die Gebetserhörungen, die sich damals ereigneten. Darin sind 77 Erwachsene und 51 Kinder angeführt, überwiegend Bauern und kleine Handwerker bzw. deren Kinder, die sich mit ihren Sorgen und Leiden an die heilige Jungfrau gewandt hatten und denen auf wundersame Weise geholfen wurde. Es handelt von „Augenleiden, Geschwulsten, Dippeln, Fußleiden, Fraisen (Krampfanfällen), Zahnschmerzen, verschluckten Knochen bzw. Glasscherben oder krankem Vieh“, und allerlei weiteren Nöten der einfachen Leute.

Aufgrund eines Erlasses Kaiser Joseph II. fand das rege Wallfahrtswesen der damaligen Zeit ein Ende und die Kirche musste 1784 abgebrochen und die Gruft zugeschüttet werden. Turm, Dachstuhl und Blechdach wurden an den Meistbietenden verkauft. Der Altar kam in die Kirche nach Eibesthal, die Kanzel nach Altenwörth und das Ewige Licht nach Altruppersdorf. Die Pietà übersiedelte in die Pfarrkirche und wurde Hauptzierde des mittlerweile abgekommenen Marienaltars. In den 1930er Jahren wurde die inzwischen sehr wurmstichig gewordene Statue umfassende restauriert. Auch die Kreuzwegbilder wurden in der Blütezeit der Wallfahrten für die abgetragene Gruftkirche angefertigt und zieren heute die Pfarrkirche.

Der heute nicht mehr existierende Altar in der Marienkapelle der Pfarrkirche, in deren Mitte sich die Pietà befandDer heute nicht mehr existierende Altar in der Marienkapelle der Pfarrkirche, in deren Mitte sich die Pietà befand

Die einstmals angeblich wundertätige Schmerzensmutter-Statute nach ihrer Renovierung, mit den aus der Barockzeit stammenden KronenDie einstmals angeblich wundertätige Schmerzensmutter-Statute nach ihrer Renovierung, mit den aus der Barockzeit stammenden Kronen

Das heutige Erscheinungsbild der Statue in der Marienkapelle der Pfarrkirche St. Martin Das heutige Erscheinungsbild der Statue in der Marienkapelle der Pfarrkirche St. Martin

Bildnachweis:
-) Lageplan Maria in der Gruft: Göstl-Archiv
-) die Pietà heute: Thomas Kruspel, 2016

Quellen:
-) Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert: Die mittelalterlichen Bauten auf dem Mistelbacher Kirchenberg In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 83ff
-) Spreitzer, Prof. Hans: Unsere liebe Frau auf dem Berg in: Mistelbach in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 2 (1969), S. 111ff
-) Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach Band I (1901), S. 93f
-) Brunhuber, Karlheinz: Aus dem Mirakelbuch Maria in der Kruften in: Heimat im Weinland, Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (1980), S. 52ff
-) Jakob, Christa u. Cantonati, Benjamino: 500 Jahre Pfarrkirche Mistelbach (2016), S. 52f

Veröffentlicht unter Bauwerke, Ereignisse | Hinterlasse einen Kommentar

Millioneneinbruch im Mistelbacher Steueramt

„Millionendiebstahl in Mistelbach“, so oder ähnlich lauteten Schlagzeilen, die sich am 22. März 1919 in vielen großen österreichischen Tageszeitungen fanden, und unter denen über einen spektakulären Coup berichtet wurde. In der Nacht auf Freitag, den 21. März 1919 hatte eine Diebesbande aus Wien einen Einbruch im Steueramt, das sich damals im Gebäude des Bezirksgerichts am Hauptplatz befand, verübt und dabei rund 1,2 Millionen Kronen erbeutet. Mittels des (historischen) Währungsrechners der Österreichischen Nationalbank ergibt sich ein heutiger Gegenwert von rund 229.000 €. Natürlich kann dies nur als Annäherungswert verstanden werden, bedeutet aber jedenfalls, dass die oben genannte Beute, obwohl die österreichische Kronenwährung nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs bereits deutlich an Wert verloren hatte, dennoch eine gewaltige Summe darstellte.

Die fünfköpfige Bande, deren Mitglieder großteils polizeibekannt waren, fuhr am Tag vor der Tat, teils mit dem späteren Fluchtauto, teils mit der Staatsbahn von Wien nach Mistelbach. In der Nacht schließlich stand der Fluchtwagen samt Fahrer startbereit, während sich die Einbrecher ans Werk machten und mit einem Dietrich das Tor zum Bezirksgerichtsgebäude öffneten. Während einer von ihnen Schmiere stand, drangen seine Kumpane weiter ins Gebäude vor und verschafften sich durch das Aufsprengen mehrerer Türschlösser Zugang zum Kanzleiraum des Steueramtes. In diesem fanden sie die große eiserne Kasse, die sie mithilfe eines autogenen Schweißgerätes knackten und deren Inhalt verstauten sie in mitgebrachten Taschen, Rucksäcken und ihrer Kleidung. Die Täter mussten ihr Einbruchsziel im Vorfeld sehr gut ausgekundschaftet haben, da sie äußert geschickt vorgingen und es insbesondere vermieden hatten, den im 1. Stock im hinteren Teil des Gebäudes wohnenden Amtsdiener des Bezirksgerichts auf sich aufmerksam zu machen. Anschließend flohen sie mittels des Fluchtwagens nach Wien, doch noch im frühen Morgengrauen und bevor der Einbruch bemerkt wurde, endete ihre Flucht aufgrund einer Motorpanne auf der Brünner Straße kurz vor Stammersdorf. Ein Volkswehrmann in Zivil wurde auf das eigenartige Quintett aufmerksam, dass eilig die Flucht ergriff. Die sofort alarmierte Polizei und Volkswehr, konnte die Täter, die zu Fuß über Felder in verschiedene Richtungen flüchteten, bald stellen. Im Zuge der Festnahme hatte sich jedoch einer der Täter mit Revolverschüssen leicht selbst verletzt. Einige tausend Kronen gingen bei der Sicherstellung der Beute verloren, was einerseits dem an diesem Tag herrschenden starken Wind zugeschrieben wurde, andererseits wurden Passanten und Schaulustige verdächtigt, sich an der im Fluchtwagen teilweise zurückgelassenen Beute bedient zu haben.

Darstellung auf der Titelseite der Illustrierten Kronen Zeitung am 23. März 1919

Die Festgenommenen wurden dem Kreisgericht Korneuburg übergeben und im Rahmen eines Prozesses, der im darauffolgenden September stattfand, zu mehrjährigen schweren Kerkerstrafen verurteilt.

Quellen:
-) Mistelbacher Bote, Nr. 13/1919, S. 2f
1Wiener Abendpost, 10. September 1919 (Nr. 206), S. 4 (ONB: ANNO)
-) Wiener Zeitung, 12. September 1919 (Nr. 208), S. 3 (ONB: ANNO)
-) Reichspost, 22. März 1919 (Nr. 138), S. 7 (ONB: ANNO)
-) Arbeiter-Zeitung, 22. März 1919 (Nr. 80), S. 5 (ONB: ANNO)
-) Deutsches Volksblatt, 22. März 1919 (Nr. 10852) , S. 5 (ONB: ANNO)

Veröffentlicht unter Ereignisse | Hinterlasse einen Kommentar

Werbung zwischendurch – Bücher über Kulturdenkmäler

Bevor am 6. Oktober eine weitere Publikation zur Geschichte Mistelbachs, nämlich der Bildband „Das alte Mistelbach und seine Katastralgemeinden in früherer Zeit“ (Herausgeber: Josef Bauer, Günter Hollaus, Karl Kleibl, Hubert Loibl & Oskar Steiner; Verlag: Ed. Winkler-Hermaden) präsentiert wird (siehe Termine rechts), soll an dieser Stelle auch noch auf ein besonderes Buchprojekt hingewiesen werden, das schon abgeschlossen ist, aber leider noch seinem Druck und damit seiner Veröffentlichung harrt. Es handelt sich um die Kulturdenkmäler-Bücher von Fr. Christa Jakob. Leider wurde die Bestellmenge, die für die Druckauftragserteilung durch die Gemeinde notwendig ist, trotz Medienberichten, noch nicht erreicht, aber vielleicht finden sich noch einige Geschichtsinteressierte, die sich anmelden und damit beitragen, dass dieses großartige Werk endlich herausgegeben werden kann.

Hier nochmals der Text der Newsmeldung auf der Homepage der Stadtgemeinde, die zu Beginn des Jahres erschien:

Pest- und Sühnekreuze, Bildstöcke, Lichtsäulen und Feldkreuze gehören zum sakralen Landschaftsbild unserer Heimat. Doch wo liegen Ursprung und Bedeutung, wer ist Eigentümer und Betreuer? All das und vieles mehr zu den kulturellen Zeugnissen der Vergangenheit, aber auch der Gegenwart findet man in den Büchern „Kulturdenkmäler Mistelbach“ und „Kulturdenkmäler Ortsgemeinden Mistelbach“. Frau Christa Jakob hat sich in mühevoller Arbeit auf Zeitreise begeben, die einzelnen Objekte erfasst, ihre Geschichte aufgearbeitet und für die Nachwelt aufbereitet. Entstanden ist ein umfangreiches Werk, das sämtliche kulturelle Zeugnisse der Vergangenheit und Gegenwart zusammenfasst.

Im Bürgerservice der StadtGemeinde Mistelbach liegt jeweils ein Ansichtsexemplar der beiden Bücher auf. Wenn Sie Interesse haben und eines der beiden Bücher bestellen wollen, bitten wir Sie, sich in die dort aufliegende Liste einzutragen. Bei Erreichen einer Mindestanzahl, die für den Druck nötig ist, wird die StadtGemeinde Mistelbach das Buch in Druck geben und verkaufen. Die Kosten für das Buch „Kulturdenkmäler Mistelbach“ betragen 39 Euro (451 Seiten), die Kosten für das Buch „Kulturdenkmäler Ortsgemeinden“ 49 Euro (624 Seiten). Man muss übrigens nicht unbedingt persönlich im Bürgerservice der Gemeinde vorbeikommen, man kann sich auch per Mail (amt@mistelbach.at) oder telefonisch (02572 / 2515 – 2130) an die Mitarbeiter dort wenden und sich auf die Interessentenliste setzen lassen.

Veröffentlicht unter Allgemein | Hinterlasse einen Kommentar

Steinbauer, Dr. Gustav

Bürgermeister Dr. Gustav Steinbauer

* 30.5.1889, WienDr. Gustav Steibauer Bürgermeister Mistelbach Rechtsanwalt Nürnberger Prozesse
† 14.4.1961, Wien

Steinbauer wurde 1889 als eines von sechs Kindern des Bankangestellten Gustav Steinbauer und dessen Gattin Adelheid, einer Konzertsängerin, in Wien-Leopoldstadt geboren.14 Seine Reifeprüfung absolvierte er am Jesuitengymnasium in Kalksburg und danach inskribierte er sich für ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach seiner Promotion im Jahr 1913 entschied sich Steinbauer für eine Laufbahn als Rechtsanwalt und trat 1916 in eine Anwaltskanzlei in Innsbruck ein. Im April 1917 wurde er zum Infanterieregiment Nr. 73 – Egerländer Hausregiment, nach Prag einberufen und war schließlich als Fähnrich – der Krieg endete vor seiner Beförderung zum Leutnant – an der Isonzofront im Einsatz.

Nach dem Krieg war Dr. Steinbauer zunächst als Beamter bei der Hauptanstalt für Sachdemobilisierung beschäftigt, die die Aufgabe hatte das Sachvermögen der ehemaligen k. u. k. Armee abzuwickeln bzw. zu verwerten.15 Ab 1921 war er als Rechtsanwalt in Wien zugelassen, und eröffnete seine Kanzlei in der Brandstätte in der Wiener Innenstadt.16 Bereits im Jahr darauf verlegte er sein Anwaltsbüro an die Adresse Jordangasse/Ecke Judenplatz.17 Im Oktober 1922 heiratete er die aus Hohenau a.d. March stammende Rosa Schweinberger und dieser Verbindung entstammten zwei Töchter und ein Sohn, der spätere ÖVP-Generalsekretär und Nationalratsabgeordnete Heribert Steinbauer.18 In der Zwischenkriegszeit war Steinbauer Mitglied im antisemitischen und antisozialistischen Geheimbund „die Burg“, der sich hinter dem Tarnverein „Deutsche Gemeinschaft“ verbarg, und dessen Ziel der Kampf gegen das „Ungeradentum“ (Judentum, Liberalismus, Kommunismus, Sozialismus, etc.) war. Diese Vereinigung rekrutierte sich hauptsächlich aus Mitgliedern deutsch-nationaler und katholischer Studentenverbindungen, die in  logenartigen Gruppen zusammengeschlossen waren. Durch die streng hierarchische und konspirative Struktur dieses Geheimbundes, dem viele prominente Politiker angehörten, wussten nur die höherrangigen Mitglieder wer zu den „Burgbrüdern“ zählte und durch die Vergabe wichtiger Schlüsselpositionen in Politik und Verwaltung, an Universitäten und in der Wirtschaft an Mitglieder sicherte sich der Geheimbund Einfluss in der Ersten Republik.19

1927 übersiedelte Steinbauer mit seiner Familie nach Mistelbach, wo er sich in der heute noch bestehenden und von ihm in Auftrag gegebenen Steinbauer-Villa (neben der Elisabeth Kirche) niederließ.20 Seine Rechtsanwaltskanzlei eröffnete er im Juli 1927 an der Adresse Hafnerstraße Nr. 921 (heute: GSM Free Mistelbach), bald darauf dürfte er diese jedoch ein paar Häuser weiter in die Hafnerstraße 3 (zuletzt: Libro) verlegt haben.22 Seit seiner Studienzeit war Dr. Steinbauer Mitglied der katholischen Studentenverbindung Franco-Bavaria Wien im Cartellverband (CV), der er zeitlebens verbunden war und diese enge Bindung zu seinen Bundes- und Cartellbrüdern, ist der auch Grund für zahlreiche Besuche hoher politischer Würdenträger in der Villa Steinbauer. So besuchten ihn beispielsweise Bundespräsident Dr. Miklas und Bundeskanzler Dr. Dollfuß, die beide ebenfalls Verbindungen des Cartellverbandes angehörten, wenn sie ein Termin in die nähere Umgebung Mistelbachs führte. Auch im Vereinsleben der Stadt war Dr. Steinbauer während seiner Mistelbacher Zeit äußerst aktiv, so war er Initiator und Präsident des Vereines der Freunde des städtischen Museums23, Obmann des örtlichen christlich-deutschen Turnvereins24, Obmann des Wohltätigkeitsvereines und bei zahlreichen weiteren Vereinigungen aktiv.

Das Ehepaar Gustav und Rosa Steinbauer mit ihren beiden Töchtern Ende der Zwanzigerjahre. Außerdem auf dem Foto der Zisterzienserpater Universitätsprofessor Nivard Schlögl - ein väterlicher Freund Steinbauers seit Studientagen und Mitgründer der CV-Verbindung Franco-Bavaria Wien, der die Familie Steinbauer in Mistelbach besuchte.Das Ehepaar Gustav und Rosa Steinbauer mit ihrer ältesten Tochter (links) Ende der Zwanzigerjahre. Außerdem auf dem Foto der Zisterzienserpater Universitätsprofessor Nivard Schlögl – ein väterlicher Freund Steinbauers seit Studientagen und Mitgründer der CV-Verbindung Franco-Bavaria Wien, der die Familie Steinbauer in Mistelbach besuchte. Das Mädchen rechts im Bild dürfte nicht zur Familie Steinbauer gehören – abgeschnitten dahinter ist eine Frau sowie der Arm eines weiteren Mädchens erkennbar.

Die Steinbauervilla in der MitschastraßeDie Steinbauervilla in der Mitschastraße

Bald nach seiner Ankunft engagierte sich Dr. Steinbauer darüber hinaus in der christlich-sozialen Partei und war zunächst ab 1928 Obmannstellvertreter der Mistelbacher Ortsgruppe des „christlichsozialen Volksverbandes“25, ehe er 1930 zu deren Obmann avancierte26. Nach Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat und Errichtung des „autoritären Ständestaates“ unter Führung seines engen Freundes Engelbert Dollfuß war er später Bezirksführer der nunmehrigen Einheitspartei Vaterländische Front.27 Im Zuge der Gemeinderatswahlen wurde Steinbauer 1929 als Vertreter der Christlichsozialen in den Gemeinderat gewählt und war ab der Konstituierung des Gemeinderates bis 1938 Vizebürgermeister der Stadt Mistelbach. Aufgrund einer schweren länger andauernden Erkrankung Dunkls führte Dr. Steinbauer seit Sommer 1936, als dessen Stellvertreter die Amtsgeschäfte. Besondere Verdienste erwarb er sich rund um die Verhandlungen zur Errichtung der Kaserne in Mistelbach, sowie um den Ausbau des Bezirkskrankenhauses, die beide im Jahre 1937 fertiggestellt werden konnten. Aufgrund des Ablebens von Bgm. Josef Dunkl, wurde Steinbauer im Februar 1938, in einer knappen Abstimmung im Gemeinderat, in der die NS-Gesinnung vieler Gemeindevertreter bereits offen zutage trat, mit einer Stimme Vorsprung zum letzten Bürgermeister Mistelbachs vor dem „Anschluss“ gewählt. Als Bezirksführer der Vaterländischen Front war er natürlich das erklärte Feindbild der (illegalen) Mistelbacher Nazis und wurde in dem von diesen ab 1933 veröffentlichten „Mistelbacher Beobachter – Kampfblatt gegen das jüdisch-klerikale System”, stets heftig angegriffen, beschmipft und verleumdet. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich wurde er noch in der Nacht auf den 12. März 1938 gezwungen sein Amt als Stadtoberhaupt niederzulegen und es folgten und eine sechswöchige Schutzhaft, Verhöre und mehrere Hausdurchsuchungen. Im Mai 1938 zog Dr. Steinbauer mit seiner Familie wieder zurück nach Wien.28 In weiterer Folge wurde ihm seine Zulassung als Rechtsanwalt entzogen und er stand weiterhin unter Beobachtung der Gestapo. Während dieser Zeit verdingte er sich als Konzipient in der Kanzlei eines Freundes und nach der Wiedereintragung als Anwalt zu Ende des Jahres 193920, wirkte er vorwiegend als Verteidiger vor dem Sondergericht Wien und dem Wiener Militärgerichtshof. Zunächst als „wehrunwürdig“ eingestuft, wurde Dr. Steinbauer dann 1944 doch noch zur Wehrmacht eingezogen, aber aufgrund seines politischen Engagements für „nicht-offizierswürdig” befunden und so verbrachte er das letzte Kriegsjahr als Unteroffizier, bevor er nach Kriegsende für kurze Zeit in amerikanische Gefangenschaft geriet. Ab August 1945 war er dann als Pflichtverteidiger vor dem Wiener Volksgerichtshof tätig, unter anderem wirkte er dort später auch als Verlassenschaftskurator von Edmund Glaise-Horstenau.

Beginnend im November 1945 wurde die Führungsriege des NS-Regimes, so sie sich nicht bereits durch den Freitod aus ihrer Verantwortung davongestohlen hatte, in Nürnberg im Rahmen eines aufwändigen Gerichtsverfahrens zur Rechenschaft gezogen. Auch Dr. Arthur Seyß-Inquart, eine wichtige Person rund um den „Anschluss“ Österreichs und kurzzeitig Bundeskanzler in jenen Tagen des März 1938, war beim Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg angeklagt. Die Anklagepunkte für die er sich zu verantworten hatte, standen in Zusammenhang mit seiner Rolle beim „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, aber insbesondere mit seiner späteren Tätigkeit als Reichskommissar in den Niederlanden und seiner Mitwirkung bei der Auslöschung der dortigen jüdischen Bevölkerung. Der frühere Wiener Rechtsanwalt Seyß-Inquart wandte sich an die Wiener Rechtsanwaltskammer, ob diese ihm einen Verteidiger vermitteln könne. Der zunächst vorgeschlagene Dr. Zornlaib, der Seyß-Inquart auch persönlich bekannt war, sagte jedoch aus Krankheitsgründen ab. Schließlich wurde aus einer von der Rechtsanwaltskammer erstellten Liste mit sechs Wiener Anwälten Steinbauer von einem amerikanischen Vertreter des Militärtribunals ausgewählt. Zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten gab es zahlreiche Parallelen: beide studierten etwa zeitgleich an der Universität Wien Rechtswissenschaften, sie wurden beide am 23. August 1921 als Rechtsanwälte zugelassen29, beide gehörten der antisemitischen Vereinigung „Deutsche Gemeinschaft“ (siehe oben) an und in den 1920er Jahren befanden sich ihre Kanzleien in der Wiener Innenstadt in geringer Entfernung zueinander.30 Laut Steinbauer kannten sie einander auch von Theaterbesuchen.

Dr. Steinbauer als Verteidiger während des Nürnberger Prozesses gegen die HauptkriegsverbrecherDr. Steinbauer als Verteidiger des vormaligen Reichsstatthalters Seyß-Inquart während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher

 

Oktober 1946: Dr. Steinbauer (links) mit dem im Hauptkriegsverbrecherprozess freigesprochenen früheren Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht und dessen Verteidigern Dr. Dix und Dr. Kraus
(photo credit: Robert H. Jackson Center, Jamestown, NY, USA)

Folgend ein Video vom 151. Verhandlungstag in Nürnberg, dass Dr. Steinbauer bei der Befragung von Seyß-Inquart zeigt. Leider ist die Tonqualität sehr schlecht und Dr. Steinbauer steht mit dem Rücken zur Kamera.

(Quelle: Youtube-Kanal Robert H. Jackson Center)

Obwohl Dr. Steinbauer in Opposition zum Nationalsozialismus stand und auch selbst Repressalien zu erleiden hatte, nahm er seine Tätigkeit als Verteidiger dennoch ernst und versuchte professionell seinen Mandanten bestmöglichst zu verteidigen. Aufgrund Seyß-Inquarts führender Beteiligung bei der Deportierung der niederländischen Juden, lautete das am 1. Oktober 1946 verkündete Urteil auf Tod durch den Strang und dieses Urteil wurde am 16. Oktober 1946 vollstreckt. Die Erfahrungen und  Einblicke, die er insbesondere über die Vorbereitung bzw. die Phase des Anschlusses, im Rahmen des Prozesses gewonnen hatte, schrieb Dr. Steinbauer in dem 1950 erschienen Buch „Ich war Verteidiger in Nürnberg” nieder. Im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses, 1946/47, wurde er erneut als Verteidiger beigezogen, diesmal für den österreichischen NS-Arzt Wilhelm Beiglböck, der „medizinische” Versuche an Insassen des KZ Dachau durchgeführt hatte. Aus dieser Arbeit resultierte eine 1949 in Form eines kleinen Büchleins veröffentlichte Abhandlung mit dem Titel „Die Euthanasie im Lichte des Nürnberger Ärzteprozesses“ in dem sich Steinbauer aus moralisch-ethischer Perspektive mit der Euthanasie auseinandersetzt.

Steinbauers Grab auf dem Neustifter FriedhofSteinbauers Grab auf dem Neustifter Friedhof in Wien-Währing

Später setze er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Wien fort und war von 1954 bis 1961 Obmann des Rechtsanwaltsklubs „Wiener Rechtsanwälte“. Im Jahr 1953 verkaufte Dr. Steinbauer sein Haus in der Mitschastraße 7 an die Handelskammer, die dort ihre Zweigniederlassung einrichtete. 1961 verstarb Dr. Gustav Steinbauer im 72. Lebensjahr und wurde auf dem Neustifter Friedhof im 18. Wiener Gemeindebezirk zur letzten Ruhe gebettet.

Bildnachweis:
-) Portrait: Ausschnitt aus einem Foto aus den Beständen des Museumsarchivs der Stadt Mistelbach
-) Familienfoto: biografischer Beitrag zu Steinbauer In: „105er“ Ortsverbandzeitschrift des Wiener Cartellverbands, 2. Ausgabe 2012/13 – das Foto stammt aus dem Besitz einer bereits verstorbenen Tochter Steinbauers. Dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Mag. Karl-Wolfgang Schrammel. Die im Beitrag angegebene Datierung (lt. Angaben der Tochter) 1939 ist definitiv falsch und bei dem Mädchen rechts dürfte es sich auch um keine Tochter Steinbauers handeln. Sie dürfte zu den rechts im Bild abgeschnittenen weiteren Personen (eine Frau und ein Mädchen) gehören. Wenn man als Aufnahmezeitpunkt Ende der 20er Jahre (etwa das Jahr 1929) annimmt, so passt dies einerseits zum vergleichsweise jüngeren Aussehen Steinbauers, sowie zum Alter der 1924 geborenen und wohl auf diesem Foto abgebildeten ältesten Tochter.
-) Ansichtskarte Villa Steinbauer: digitalisiert und zur Verfügung gestellt von Otmar Biringer aus der Sammlung von Herrn Lichtl
-) Wiener Kurier, 21. März 1946, S. 6
-) Grabstein: eigene Aufnahme

Quellen (& Anmerkungen):

-) Schrammel, Mag. Karl-Wolfgang: Dr. Gustav Steinbauer v. Giselher, F-B (1889-1961) – Erster Fuchs der Franco-Bavaria und Verteidiger Seyß-Inquarts im Nürnberger Prozess. Manuskript 2011
-) Gespräch mit Nationalratsabg. a.D. Heribert Steinbauer (Sohn) im August 2014
-) Eintrag zu Dr. Steinbauer im Biographischen Lexikon des Österreichischen Cartellverbandes
-) Fritz, Herbert u. Krause, Dr. Peter (Hrsg.): Farben tragen, Farbe bekennen 1938-1945 – Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung, S. 535f
-) Artikel auf DiePresse.com vom 29.7.2011 über Dokumente aus dem Nachlass von Dr. Steinbauer, die die grausamen Verbrechen des NS-Arztes Dr. Beiglböck belegen

(Anm.: Die Information Dr. Steinbauer sei Angehöriger der jüdischen Gemeinde in Mistelbach gewesen, wie dies im Buch von Fr. Prof. Olga Höfler: Die jüdischen Gemeinde im Weinviertel und ihre rituellen Einrichtungen, 1848-1939/45 – der politische Bezirk Mistelbach (2017), Band 2, S. 551 dargestellt wird, ist eindeutig falsch, wie zahlreiche der oben angeführten Quellen (zB Taufbucheintrag, Trauungsbucheintrag, etc.), die Recherche seines Stammbaumes und seine gesamte Lebensgeschichte belegen.)

Veröffentlicht unter Persönlichkeiten | Hinterlasse einen Kommentar

Oser, Dr. Ernst

Sektionschef Dr. Ernst Oser

* 23.10.1845 in Grafenegg
† 25.9.1902 in Wien

Ernst Oser wurde als eines von sieben Kindern in die Familie des Johann Oser, Forstmeister der Grafen Breuner auf Schloss Grafenegg, und dessen Gattin Barbara, geb. Edlinger, geboren.31 Die evangelische Familie Oser war sehr musikalisch und Sohn Ernst bereits in jungen Jahren ein begnadeter Geigenspieler.

Seine Schulausbildung erhielt er im Stiftsgymnasium Melk, und daran anschließend absolvierte er juristisch-politische Studien an der Universität Wien. Nach deren Abschluss trat Oser 1869 als Concepts-Praktikant in den niederösterreichischen Landesdienst in Wien ein, und war in seiner frühen Laufbahn auch kurzzeitig bei den Bezirkshauptmannschaften Hernals (damals noch nicht Teil Wiens) und Baden bzw. beim Landesschulrat der Niederösterreichischen Statthalterei eingesetzt. Später führte ihn sein Weg erneut nach Baden, wo er von 1874 bis 1883 an der dortigen Bezirkshauptmannschaft  tätig war. In dieser Zeit war der spätere langjährige Statthalter von Niederösterreich, Erich Graf von Kielmansegg, Bezirkshauptmann von Baden, und Kielmansegg wurde zu Osers Mentor und förderte dessen weitere Karriere.  1874 heiratete er Josefine Edle von Rosthorn, die Tochter eines vermögenden Knopffabrikanten aus Wien, und dieser Ehe entstammten zwei Töchter und ein Sohn. Im November 1883 wurde Dr. Oser schließlich zum Bezirkshauptmann in Mistelbach berufen32, wo er sich unter anderem als großer Förderer des Feuerwehrwesens im gesamten Bezirk verdient machte und aus diesem Grund 1885 zum Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Mistelbachs ernannt wurde.33 1884 wurde auf Initiative seiner Gattin Josefine der Mistelbacher Zweigverein des Patriotischen Hilfsvereins vom Roten Kreuz gegründet und Frau Oser war bis zu ihrem Abschied aus Mistelbach auch dessen Präsidentin.34

Im November 1887 kehrte er an seinen langjährigen Dienstort Baden zurück, diesmal an die Spitze der Badener Bezirkshauptmannschaft35. Anfang des Jahres 1890 folgte dann die Berufung zurück in die Niederösterreichische Statthalterei nach Wien, wo er mit der Organisation und Leitung des neugeschaffenen Departments für „Volkswirtschaftliche und Landeskultur-Angelegenheiten, Unterrichtsstiftungen und Stipendien“ betraut wurde. Sechs Jahre später wechselte Oser in das k.k. Ackerbauministerium, wo er als Sektionschef bis zu seinem Tode tätig war und sich besondere Verdienste um das landwirtschaftliche Versuchswesen erwarb. Während seiner Tätigkeit bei der Niederösterreichischen Statthalterei bzw. im Ackerbauministerium setze sich Dr. Oser intensiv für die Schaffung einer Winzerschule an seinem ehemaligen Dienstort Mistelbach ein, die schließlich 1898 eröffnet werden konnte.

Sektionschef Dr. Ernst Oser

1894 wurde ihm eine besondere Ehre zuteil, nämlich die persönliche Überreichung des Dekrets für die Ernennung zum Hofrat durch Kaiser Franz Joseph I. Diese besondere Ehre stand wohl in Zusammenhang mit der Tragödie von Mayerling im Jahr 1889 (Freitod von Kronprinz Rudolf und seiner Geliebten Mary Vetsera), die sich während Osers Zeit als Bezirkshauptmann des Bezirks Baden und damit in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich ereignete. Als oberster Verwaltungsbeamter vor Ort war er in dieser äußerst delikaten Angelegenheit die wichtigste Ansprechperson der Hofdienststellen und auf Anordnung des Ministerpräsidenten verantwortlich für die Organisation der raschen und heimlichen Bestattung von Mary Vetsera in Heiligenkreuz. Weiters wurde er 1894 aufgrund seiner Unterstützung für die durch die Reblaus geschädigten Weinbauern von der Gemeinde Gumpoldskirchen zum Ehrenbürger ernannt.36 Bereits 1893 wurde Dr. Oser zum Ehrenbürger Mistelbachs ernannt und seit 1898 trägt eine Straße im alten Spitalsviertel den Namen Oserstraße.37

Die nach Ernst Oser benannte Straße in ihrer ursprünglichen Schreibung "Oser-Straße" statt der heutige gebräuchlichen Schreibweise "Oserstraße"Die nach Ernst Oser benannte Straße in ihrer ursprünglichen Schreibung „Oser-Straße“ statt der heutige gebräuchlichen Schreibweise „Oserstraße“

Er verstarb am 25. September 1902 um 2 Uhr nachts in seiner in der Wiener Ungargasse Nr. 9 gelegenen Wohnung an den Folgen einer akuten Herzklappenentzündung38 Zwei Tage später wurde Osers Leichnam mit sechsspännigem Galatrauerwagen in die evangelische Kirche in der Dorotheergasse gebracht, wo der Verstorbene unter Anwesenheit mehrerer Minister, des niederösterreichischen Statthalters und zahlreicher anderer hoher Würdenträger feierlich verabschiedet wurde. Anschließend wurde der Verblichene mit dem Zug nach Waldegg bei Wiener Neustadt gebracht, wo seine sterblichen Überreste auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt wurden.39


Wo befindet sich die Oserstraße?

 

Quellen & Anmerkungen:

-) Illustriertes Wiener Extrablatt vom 25. September 1902 (Nr. 265), S. 5 (ONB: ANNO)
-) Bote aus Mistelbach, Nr. 28/1902, S. 1
-) Zeitschrift für das landwirthschaftliche Versuchswesen in Oesterreich, Jg. 1902, S. 1069f (Anm.: seine Rückkehr nach Baden als Bezirkshauptmann wird hier fälschlicherweise mit dem Jahr 1885 angegeben)
-) Nowak, Rudolf R.: Das Mayerlingnetz (2015) S.111 ff
(Anm.: nachdem sich Nowak auf die Angaben im Nachruf der „Zeitschrift für  das landwirthschaftliche Versuchswesen in Österreich“ stützt, ist natürlich auch die hier die Angabe seiner Rückkehr nach Baden als Bezirkshauptmann falsch)
-) Standesblatt der Niederösterreichischen Statthalterei: Dr. Ernst Oser, Niederösterreichisches Landesarchiv
-) Beiträge zur Geschichte der niederösterreichischen Statthalterei (1897), S. 491 (Link Onlinebestände Landesarchiv Niederösterreich)

Bildnachweis.
-) Zeitschrift für das landwirthschaftliche Versuchswesen in Oesterreich, Jg. 1902, S. 1069f
-) Straßenschild: eigene Aufnahme

Veröffentlicht unter Persönlichkeiten | Hinterlasse einen Kommentar