Quergasse

Aufmerksamen Beobachtern wird auffallen, dass in der Bahnstraße kein Haus mit der Nummer 18 existiert – stattdessen findet sich an dieser Stelle die Quergasse. Im Häuserverzeichnis in Fitzkas Geschichte der Stadt Mistelbach mit Stand vom Jahre 1900 scheint allerdings noch ein Haus mit der Adressbezeichnung Bahnstraße Nr. 18 (vormals Konskriptionsnr. 66)1 auf und selbiges stand damals im Besitz der Holzhandelsfirma Josias Eißler & Söhne.2 Doch befand sich der weitläufige Holzlagerplatz samt dem die Hausnummer 18 führenden Kanzleigebäude nicht direkt an der Bahnstraße, sondern etwas zurückversetzt und damit ungefähr auf dem Areal des Kindergartens, der hinteren Gewerbeschulgasse bzw. den dort befindlichen Häusern sowie des 1983 eröffneten, einstigen Berufsschul-Zubaus (jetzt Büroräumlichkeiten – Gewerbeschulgasse 2). Ein Zufahrtsweg zum Holzlagerplatz verlief damals auf dem Grund der Liegenschaft Bahnstraße Nr. 18, vorbei an einem Holzschupfen und einer Scheune, die um 1881 an das nebenan auf  Bahnstraße Nr. 16 befindliche Gasthaus vermietet waren.

Die jüdische Familie Eißler stammte aus dem mährischen Bisenz und im Laufe der Jahre betätigten sich Mitglieder dieser Familie mit unterschiedlichen Firmen im Holzhandel bzw. der Möbelherstellung. Die Familie erlangte so großen Wohlstand und zählte bis zum Jahre 1938 zum Wiener Großbürgertum. Für Mistelbach bzw. die Darstellung des Entstehens der Quergasse ist zunächst die 1863 gegründete Firma Gebrüder Eißler, zu deren Gesellschaftern Josias Eißler zählte, relevant. Diese hatte ihren Sitz in Bisenz und neben einer Filiale in der Wiener Praterstraße scheinen 1866 folgende Niederlassungen im östlichen Niederösterreich auf: Poysdorf, Hohenau und Mistelbach.3 Die Holzhandelsfirma Eißler zählte mit Sicherheit zu den ersten jüdischen Unternehmen, die sich in Mistelbach niederließen und erst die Geschehnisse des Jahres 1938 beendeten die 72 Jahre währende erfolgreiche geschäftliche Tätigkeit in Mistelbach. 1871 dürfte Josias Eißler aus der Firma „Gebrüder Eißler“ ausgetreten sein, um sein eigenes Unternehmen und zwar die Firma „Josias Eißler & Söhne“ zu gründen. Die Hauptniederlassung dieses Unternehmens befand sich nun in der Wiener Singerstraße und die bereits zuvor bestandenen Niederlassungen in Poysdorf und Mistelbach wurden in den neuen Betrieb eingebracht und zwischenzeitlich hatte die Firma auch ein großes Netzwerk an Zweigniederlassungen in Böhmen und Mähren.4

Am 10. Mai 1881 fanden auch in Mistelbach Feierlichkeiten anlässlich der an diesem Tag stattfindenden Vermählung des Thronfolgers Kronprinz Rudolf mit Prinzessin Stephanie von Belgien statt. Das Festprogramm begann bereits am Morgen und endete in einer abendlichen Musikveranstaltung im Hotel Rathaus (heute: Erste Bank), die jedoch jäh vom Ruf „Feuer“ unterbrochen wurde.5 Der Brand war um etwa 23 Uhr auf dem Holzlagerplatz der Firma Eißler & Söhne ausgebrochen, und aufgrund des an diesem Abend herrschenden Sturmwindes griff das Feuer rasch um sich, sodass binnen weniger Minuten der größte Teil der Holzhandlung in Flammen stand. Es bestand die große Gefahr, dass sich dieser Brand rasch auf die umliegenden Gebäude und dann in der Stadt weiter ausbreiten würde. Auch ein Überspringen des Feuers auf Lanzendorf, in dessen Richtung sich aufgrund des Windes ein wahrer Funkenregen ergoss, war keineswegs auszuschließen. Da der Holzplatz bereits lichterloh in Flammen stand und nicht mehr zu retten war, galt es eine weitere Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Den wackeren Männern der erst zwei Jahre zuvor gegründeten Freiwilligen Feuerwehr, von denen viele noch in ihrer Festkleidung zur Brandstelle eilten und den Flammen die Stirn boten, gelang es unter tatkräftiger Mithilfe der Bevölkerung eine Feuersbrunst zu verhindern. Um 3 Uhr morgens war schließlich, obwohl der ganze Holzplatz noch in Flammen stand, die Gefahr einer weiteren Ausbreitung gebannt. In Ermangelung eines Hauptmann-Stellvertreters übernahm Bürgermeister Josef Strasser während des Einsatzes diese Rolle und sicherte einen Abschnitt der angrenzenden Häuser. Er war bis 4 Uhr rastlos im Einsatz und seiner vielseitigen Tätigkeit und umsichtigen Führung ist es zu verdanken, dass sogar das von Flammen umgebene Wohn-/Kanzleigebäude am Holzplatz gerettet werden konnte. Die Mistelbacher Feuerwehr wurde bei der Brandbekämpfung durch die telegrafisch herbeigerufene Poysdorfer Feuerwehr unterstützt und auch die k.k. Staatsbahn hatte ihre Spritze, Wasservorräte und Personal zur Verfügung gestellt.6

Eine in der Wiener Feuerwehr-Zeitung veröffentlichte Skizze zum großen Brand in der Eißler'schen Holzhandlung. Diese gibt einen Überblick über das Erscheinungsbild der damals noch jungen (oberen) (Eisen-)Bahnstraße Anfang der 1880er Jahre und die Lage der Holzhandlung. Zwischen den Gebäuden F und G ist die einstige Zufahrt zum Holzlagerplatz erkennbar und hier befindet sich auch in etwa die heutige Quergasse. Verfasser des zugehörigen Berichts und vermutlich auch Urheber dieser Skizze war der Mistelbacher Feuerwehr-Hauptmann August LubovienskiEine in der Wiener Feuerwehr-Zeitung veröffentlichte Skizze zum großen Brand in der Eißler’schen Holzhandlung. Diese gibt einen Überblick über das Erscheinungsbild der damals noch jungen (oberen) (Eisen-)Bahnstraße Anfang der 1880er Jahre und die Lage der Holzhandlung. Zwischen den Gebäuden F und G ist die einstige Zufahrt zum Holzlagerplatz erkennbar und hier befindet sich auch in etwa die heutige Quergasse. Verfasser des zugehörigen Berichts und vermutlich auch Urheber dieser Skizze war der Mistelbacher Feuerwehr-Hauptmann August Lubovienski

Die Firma Eißler & Söhne dankte der Feuerwehr und allen Helfern in einem Zeitungsinserat im „Mistelbacher Bezirks-Bote“ und knapp zwei Wochen nach dem Unglück konnte die Holzhandlung ihre Geschäftstätigkeit wiederaufnehmen.7 Ab 1894 hatte die Gemeinde Mistelbach den Holzlagerplatz von der Firma Eißler gepachtet und nutzte diesen als Gemeindemateriallagerplatz. Es handelte sich um eine Art Pachtkauf, der vorsah, dass die gesamte Liegenschaft nach Ablauf der zwölfjährigen Pachtdauer mit 30. Juni 1906 unentgeltlich in den Besitz der Gemeinde übergehen würde. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass von einem „neuen Pachtvertrag“ die Rede ist, was Interpretationsspielraum zulässt, ob bereits zuvor ein Pachtverhältnis mit der Stadt als Pachtnehmer betreffend diesen Platz bestanden hat.8 Da die Firma Eißler & Söhne allerdings erst 1895 die Grundstücke an der Adresse Wiener Straße (heute Josef Dunkl-Straße) Nr. 9 und 11 erwarb9, ist unklar, wo sie ihren Betrieb in der Zwischenzeit führte. Vielleicht bestand bereits vor dem Kauf der Gründe in der heutigen Josef Dunkl-Straße ein Pachtverhältnis oder es gab eine andere Übergangslösung.

Warum scheint dann im Häuserverzeichnis zu Fitzkas Ergänzungsband (Stand 1912) als Adresse für die Eißler’sche Holzhandlung die Adresse Wiener Straße (heute Josef Dunkl-Straße) 15 und 17 auf? Dieser Umstand bereitete dem Autor dieses Blogs einiges an Kopfzerbrechen – schließlich befand sich auf Haus Nr. 17 doch die Holzhandlung Abeles (Pisk). Die Lösung dieser Frage ist jedoch recht einfach: es gab eine Änderung bei den Hausnummern in der Wiener Straße (heute Josef Dunkl-Straße) und Bahnstraße. Ursprünglich endete die Bahnstraße linksseitig an jenem Punkt an dem die heutige Josef Dunkl-Straße abzweigt, also auf Höhe des Hauses Bahnstraße Nr. 41 (derzeit Baustelle), und ihre fortlaufende Nummerierung setzte sich dann mit der Bahnhofsrestauration (heute Gasthaus Zur Linde) mit der Adresse Bahnstraße Nr. 43 fort. Somit entsprach die Adresse der Häuser Bahnstraße 43, 45 und 47 den Hausnummern 1, 3 und 5 in der Wiener Straße.10 Daher kam es linksseitig zu einer Reduzierung der Hausnummern um drei Nummern, also die alte Nr. 15 entspricht der neuen Nr. 9 und die alte Nr. 17 der neuen Nr. 11 und bei Fitzkas Häuserliste sind alle Gebäude mit der Adresse im Zeitpunkt ihrer Erbauung angeführt. Da die Häuser Wiener Straße (heute: Josef Dunkl-Straße) 9 und 11 samt deren Eigentümerin, der Firma Eißler & Söhne, erst im Häuserverzeichnis zu Fitzkas 1912 verfassten zweiten Band (hier als Nr. 15 und 17) aufscheinen, ist belegt, dass dort erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts „hausnummerwürdige“ Gebäude errichtet wurden. Die nebeneinander gelegenen Grundstücke waren jedenfalls sehr weitläufig und erstreckten sich von der Wiener Straße (Josef Dunkl-Straße) bis an die (spätere) Landesbahnstrecke. Auch der Mistelbacher Standort der Firma Josias Eißler & Söhne wurde nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in Österreich arisiert und gelangte schließlich 1939 in den Besitz der Stadtgemeinde Mistelbach11 und die nationalsozialistische Führung der Stadt beabsichtigte auf dem weitläufigen Areal dreizehn „Volkswohnhäuser“ mit jeweils vier Wohnungen zu errichten.12 Der Krieg bzw. dessen Ausgang vereitelte diese Pläne und 1948 kam es zu einem durch Erben der Familie Eißler angestrengten Rückstellungsverfahren13. Dieses Verfahren endete 1952 mit einem Vergleich, sodass gegen Zahlung einer Abfindungssumme die Gründe im Besitz der Stadt verblieben.14 Die Gemeinde schloss das Areal als Bauland auf und verkaufte 1953 die parzellierten Grundstücke15 auf denen Einfamilienhäuser errichtet wurden. Dies hatte eine Verlängerung der Oserstraße (Nr. 48 sowie 50-53), der Hamerlinggasse (Nr. 9-12) und der Mozartgasse (Nr. 1a und 1b) zur Folge.

Doch zurück zur Quergasse bzw. dem weiteren Schicksal des alten Holzlagerplatzes hinter der Bahnstraße. Nachdem das Grundstück im Sommer 1906 in den Besitz der Gemeinde übergegangen war, wurden Teile der Liegenschaft, also etwa Holzschuppen und Scheunen bzw. die im Kanzleigebäude befindliche Wohnung zunächst vermietet16 und man nutzte diese Räumlichkeiten teils auch zur Einquartierung von Soldaten bei damals in der Umgebung von Mistelbach abgehaltenen Manövern. Neben der Nutzung als Gemeindematerialplatz wurde im Bereich des heutigen Kindergartens ab 1907 auch Schotter abgebaut, der unter anderem für die im Jahre 1910 fertiggestellte neue Straße nach Eibesthal17, die als Waisenhaustraße in Mistelbach beginnt, verwendet wurde. Doch stammt der Niveauunterschied bzw. die klar erkennbare Abbaukante zur Alleegasse bzw. Bahnzeile nicht (nur) durch den Schotterabbau. Ein großer Teil des Geländes des Holzplatzes entstand erst einige Jahrhunderte zuvor durch Lehmabbau, für den einst hier befindlichen alten Gemeindeziegelofen.18 Es ist unklar wann der Gemeindeziegelofen einige hundert Meter und zwar in ungefähr in den Bereich der Wohnbauten hinter den Häusern Franz Josef-Straße Nr. 29 – 31 bzw. in die Nähe des heutigen Stadtsaals verlegt wurde, spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts scheint er jedenfalls bereits am neuen Standort auf. Nach Auflassung des Gemeindeziegelofens wurde das weiterhin im Gemeindebesitz stehende Areal (=Grundparzelle 432), das im Wesentlichen die Fläche zwischen Bahnstraße, Franz Josef-Straße, Bahnzeile und teils über die Alleegasse hinaus umfasste, als Hutweide genutzt. Dies geht jedenfalls aus den Parzellenprotokollen des franzeischen Katasters, die etwa 1821 angelegt wurden, hervor.19

Eine Panoramaansicht Richtung Westen um 1908/09: rot markiert die ungefähre Lage des zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelassenen Lagerplatzes; gelb markiert die gut erkennbare GemeindeschottergrubeEine Panoramaansicht Richtung Westen um 1908/09: rot markiert die ungefähre Lage des zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelassenen Lagerplatzes; gelb markiert die gut erkennbare Gemeindeschottergrube

Im Jahr 1908 ist in den Gemeindeausschussprotokollen bereits vom „aufgelassenen Holz- bzw. Materiallagerplatz der Gemeinde“ zu lesen, und in der Folge wurde der Platz zeitweilig als Standort für den regelmäßig in Mistelbach abgehaltenen Rindermarkt genutzt.20 In den Jahren 1905 bis 1912 kam es zu einer umfassenden Regulierung der Straßenzüge, die das Bild der Stadt im Wesentlichen bis heute prägt. Auch die an das Areal angrenzende Alleegasse bzw. die in ihrem Kreuzungsbereich befindlichen Teile der Bahnzeile wurden in ihrer heutigen Form erst durch Auflassung der Schottergrube, Abgrabung von Grundparzellen und Regulierung des Materiallagerplatzes geschaffen.21

Nach der Schleifung der zur Holzhandlung gehörenden Gebäude und Scheunen wurden bereits 1909 und abermals 1913 Teile des Materiallagerplatzes an die angrenzenden Grundeigentümer (hauptsächlich Bahnstraße Nr. 20, 22, 24 und 24a) verkauft, und nach Abschluss dieser Grundveräußerungen wurde entlang der nunmehrigen rückseitigen Grundstücksgrenze der genannten Liegenschaften die Errichtung einer Zufahrtsstraße für den neuen, deutlich verkleinerten Gemeindemateriallagerplatz vorgesehen. Dieser neue Platz lag etwa hinter den Grundstücken Bahnstraße 26, 26a und 28, also ungefähr im Bereich des Spielplatztes des heutigen Stadtkindergartens und bei der Zufahrtsstraße handelt es sich um den hinteren Teil der heutigen Gewerbeschulgasse. Der Rest des alten Materialplatzes nebst der Straßenböschung zur Alleegasse wurde für die Errichtung einer Parkanlage bestimmt, deren Ausgestaltung dem Verschönerungsverein übertragen wurde.22

Dieser Kartenausschnitt aus einem Bebauungsplan der Stadt zeigt die Bebauung im Jahre 1905. Die rote Linien markieren die im Zuge der Regulierung herzustellenden Straßenverläufe, die letztlich auch exakt so umgesetzt wurdenDieser Kartenausschnitt aus einem Bebauungsplan der Stadt zeigt die Bebauung im Jahre 1905. Die rote Linien markieren die im Zuge der Regulierung herzustellenden Straßenverläufe, die letztlich auch exakt so umgesetzt wurden.

Im Oktober 1913 beschloss der Mistelbacher Gemeindeausschuss (= Gemeinderat) der auf dem Grundstück des ehemaligen Lagerplatzes entstandenen, und von der Bahnstraße zur geplanten Parkanlage führenden, Gasse den Namen „Parkgasse“ zu geben. Da jedoch schon seit 1898 eine Straße dieses Namens existierte und zwar neben dem Stadtpark verlaufend, wurde der Name der Schießstattgasse (=heutige Museumsgasse) auf die „alte“ Parkgasse erstreckt, da selbige seit 1908 nunmehr zur neuen Schießstatt – westlich der Bahnstrecke – führte (für nähere Details siehe Schützenweg).23 Im Frühjahr 1914 wird von der Fertigstellung der neuen Parkanlage und des Spielplatzes am Materialplatz und von der Errichtung einer Treppe von der Alleegasse zur neuen Anlage berichtet.24

Angeblich 1925: Die zu Beginn der 1910er Jahre erbauten Villen an der rechten Straßenseite der Alleegasse - von rechts nach links: Hoch-Villa (Nr. 4), Schwarz-Villa (Nr. 6), (Hintergrund Villa in der Bahnzeile), nur teilweise abgebildet Pemsel-Villa (Nr. 8). Im Vordergrund gut erkennbar der Platz und die bepflanzte Böschung zur Alleegasse über die auch eine kleine Treppe zum Platz führt. Der spärliche Bewuchs der Böschung legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Aufnahme bereits in der zweiten Hälfte der 1910er Jahre oder gar in die Zeit der Erstellung der "Park-Anlage" zu verorten ist.Angeblich 1925: Die zu Beginn der 1910er Jahre erbauten Villen an der rechten Straßenseite der Alleegasse – von rechts nach links: Hoch-Villa (Nr. 4), Schwarz-Villa (Nr. 6), (Hintergrund Villa in der Bahnzeile), nur teilweise abgebildet Pemsel-Villa (Nr. 8). Im Vordergrund gut erkennbar der Platz und die bepflanzte Böschung zur Alleegasse über die auch eine kleine Treppe zum Platz führt. Der spärliche Bewuchs der Böschung legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Aufnahme bereits in der zweiten Hälfte der 1910er Jahre oder gar in die Zeit der Erstellung der „Park-Anlage“ zu verorten ist.

Ob die Ausgestaltung des neugeschaffenen Areals zu einem Park, der den Namen „Parkgasse“ gerechtfertigt hätte, aufgrund des wenig später ausbrechenden Weltkriegs nicht erfolgt ist oder ob tatsächlich nur die Bepflanzung der Böschung zur Alleegasse beabsichtigt war, ist unklar. Um die Alleegasse in ihrem heutigen Verlauf zu ermöglichen, wurde 1912 das Haus Franz Josef-Straße 11 (KNr. 353) bzw. 1917 das Haus Alleegasse 3 (KNr. 464) abgetragen, und daher reichte das freie Gelände nunmehr bis zur Franz Josef-Straße. Das Bedürfnis nach einer weiteren Parkanlage scheint jenem nach einem vielseitig nutzbaren großen Platz im Stadtzentrum – abseits des Hauptplatztes – gewichen zu sein und daher diente das Gelände, das Anfang der 1930er Jahre durch den Bau der Gewerbeschule (heute: Polytechnische Schule) etwas verkleinert wurde, als Turnplatz, Eislaufplatz, Spielplatz und Platz für Zirkusgastspiele25

1937: Faschingsfest auf dem Eislaufplatz auf dem Areal hinter der 1931 erbauten gewerblichen Fortbildungsschule (heute Polytechnische Schule) bzw. auf dem späteren Standort des Stadtkindergartens; links ist die Grünanlage auf der Böschung zur Alleegasse gut erkennbar1937: Faschingsfest auf dem Eislaufplatz hinter der 1931 erbauten gewerblichen Fortbildungsschule (heute Polytechnische Schule) bzw. auf dem späteren Standort des Stadtkindergartens; links ist die Grünanlage auf der Böschung zur Alleegasse gut erkennbar

Ende der 1940er gab es wie bereits ein Jahrzehnt zuvor Diskussionen über einen Postamtsneubau und tatsächlich wurde im Gemeinderat bereits im Oktober 1948 der Beschluss gefasst der Postdirektion den alten Materialplatz als Standort für die Errichtung eines Neubaus anzubieten. Allerdings schienen die Postdirektion und der Gemeinderat an einander vorbeizureden, anders kann man sich die in den Gemeinderatssitzungsprotokollen dokumentierten und sich bis 1952 ziehenden, letztlich erfolglosen Verhandlungen zu diesem Thema wohl nicht erklären. Schließlich äußerte die Postdirektion als Standortwunsch den heutigen Standort in der Mitschastraße, doch sollten noch viele Jahre vergehen ehe im Jahre 1967 das Postamt dort tatsächlich eröffnet wurde.26

In den 1950er Jahren wurde der Platz schrittweise durch mehrere Zubauten der gewerblichen Fortbildungsschule (spätere Berufsschule) verbaut und damit wieder ungefähr bis an die Grenze des alten Holz- bzw. Materiallagerplatzes zurückgedrängt. Ein letzter Zubau wurde schließlich 1983 eröffnet, sodass das Berufschulareal vom Europaplatz (einst Conrad von Hötzendorf-Platz) bis zur heutigen Quergasse reichte. In die 1950er Jahre fällt auch der nach längerer Diskussion gefasste Beschluss die verbliebene Freifläche für die Errichtung des schließlich 1960 eröffneten Stadtkindergartens zu verwenden.27

Der 1913 vergebene Name Parkgasse geriet aus durchaus nachvollziehbaren Gründen in Vergessenheit bzw. blieb für den ursprünglich so benannten Straßenzug in Gebrauch. Da es sich um eine nachträglich angelegte Verbindungsgasse handelte, gab es auch kein Haus das diese Adressbezeichnung trug. Als die Gspanngasse ihren heutigen Namen mit Beschluss der Gemeinderatssitzung vom 17. Oktober 1958 erhielt, wurde gleichzeitig deren alter Name „Quergasse“ auf die bloß vermeintlich namenlose Straße übertragen, die Gegenstand dieses Blogbeitrags ist.28 Im darauffolgenden Jahr wurde die nunmehrige Quergasse zur Einbahnstraße erklärt.29

Wo befindet sich die Quergasse?

 

Bildnachweis:
-) Fotos Faschingseislaufen bzw Villen Alleegasse: Göstl-Archiv
-) Brandskizze: Wiener Feuerwehr-Zeitung, 1. Juni 1881 (XI. Jg. – Nr. 11) (Google Books)
-) Westansicht der Stadt: aus der Sammlung von Herrn Gerhard Lichtl, digitalisiert von Otmar Biringer
-) Ausschnitt aus dem Regulierungsplan: aufgenommen im Stadt-Museumsarchiv

Quellen:

  1. zur niedrigen Konskriptionsnummer ist anzumerken, dass diese ursprünglich zu einem Haus neben dem Barockschlössl gehörte, dass jedoch Mitte des 19. Jahrhunderts abgebrochen wurde. Die Nummer wurde daher an das nächste fertiggestellte Bauwerk neu vergeben. Siehe hierzu: Spreitzer, Hans: „Von den Häusern, Straßen, Gassen und Plätzen Mistelbachs“ In: Mitscha-Märheim, Univ.-Prof. Dr. Herbert (Hrsg.): Mistelbach Geschichte I (1974), S. 183 S. 214f
  2. Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 245
  3. Amtsblatt zur Wiener Zeitung, 5. Juli 1866 (Nr. 163), S. 24 (ONB: ANNO);
    Kastner, Leopold (Hrsg.): Handels- und Gewerbe-Adressbuch des österreichischen Kaiserstaates, Augabe 1867, S. 338 (digitales Objekt in den Beständen der ÖNB) (Anm.: hier scheint eine Niederlassung in Zistersdorf auf, allerdings wird jene in Poysdorf nicht erwähnt)
  4. Kastner, Leopold (Hrsg.): Adressen-Buch der Handel- und Gewerbetreibenden sowie der Actien-Gesellschaften der österreichisch-ungarischen Monarchie, Ausgabe 1876-77, S. 19, 306 (die Informationen auf Seite 306 dürften nicht aktualisiert worden sein)(digitales Objekt in den Beständen der ÖNB)
  5. Mistelbacher Bezirks-Bote, 15. Mai 1881 (Nr. 16/1881), S. 3
  6. Mistelbacher Bezirks-Bote, 15. Mai 1881 (Nr. 16/1881), S. 4 (im Artikel wird der Firmenname fälschlicherweise „Dießler’s Söhne“ genannt.
  7. Mistelbacher Bezirks-Bote, 22. Mai 1881 (Nr. 17/1881), S. 6 u. 8
  8. Bote aus Mistelbach, Nr. 50/1904, S. 2 (ONB: ANNO)
  9. Höfler, Ida Olga: Die jüdischen Gemeinden im Weinviertel und ihre rituelle Einrichtungen 1848-1939/45 – der politische Bezirk Mistelbach, Band II (2017), S. 451 (Anm.: Bei Frau Prof. Höfler, die die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in den Bezirken Mistelbach und Gänserndorf unter anderem mithilfe des Grundbuchs akribisch aufgearbeitet und in Buchform veröffentlicht hat, wird auch in Zusammenhang mit der Firma Eißler auch die Adresse Josef Dunkl-Straße (explizit und nicht etwa Wiener Straße) Nr. 13, allerdings leider ohne jegliche weitere erläuternde Information oder einen Hinweis auf die Herkunft dieser Information, erwähnt. Eine Recherche in den historischen Grundbuchsbeständen ergab jedoch, dass diese Liegenschaft nie im Besitz der Firma Josias Eißler & Söhne stand – eine pachtweise Nutzung oder ähnliches kann allerdings basierend auf den Informationen aus dem Grundbuch nicht ausgeschlossen werden.
  10. Fitzka, Karl: Geschichte der Stadt Mistelbach (1901), S. 277 – Dies ist einerseits durch die Tatsache belegt, dass das spätere Haus Wiener Straße (Josef Dunkl-Straße) Nr. 1, das sogenannte Sparkassengebäude (Dienstwohnungen für die Mitarbeiter der städtischen Sparkasse) erst 1929 errichtet wurde und die Verschiebung der Hausnummern ist auch klar bei einem Abgleich der Hausnummer der Bahnhofsrestauration (heute Gasthaus Zur Linde) erkennbar, die in Fitzkas erstem Band noch die Adresse Bahnstraße 43 hat, heute jedoch die Adresse Bahnstraße 49 führt. Diese Adressänderung muss bereits vor 1912 erfolgt sein, weil das erst nach der Jahrhundertwende erbaute Haus Bahnstraße Nr. 47 (ursprünglich war für dieses Grundstück die Hausnr. Wiener Straße 5 vorgesehen) darin bereits mit seiner heutigen Adresse aufscheint. Bei der nachträglichen Änderung der Häusernummerierung handelt es sich auch um keinen Einzelfall – siehe hierzu das Haus Oserstraße Nr. 15 im Beitrag zu den Meeß-Häusern
  11. Höfler, Ida Olga: Die jüdischen Gemeinden im Weinviertel und ihre rituelle Einrichtungen 1848-1939/45 – der politische Bezirk Mistelbach, Band II (2017), S. 451
  12. Donauwacht, Folge 14/1939, S. 13 (ONB: ANNO)
  13. Höfler, Ida Olga: Die jüdischen Gemeinden im Weinviertel und ihre rituelle Einrichtungen 1848-1939/45 – der politische Bezirk Mistelbach, Band II (2017), S. 452
  14. Volks-Presse – Wochenblatt für das Viertel unter dem Manhartsberg, 26. Juni 1952 (7. Jg. – Nr. 26), S. 4;
    „Niederschrift über die öffentliche Gemeinderatssitzung vom 10. Juni 1952“ In: Mistelbacher Bote, Nr. 26/1952, S. 4 (ONB: ANNO)
  15. Mistelbacher Bote, Nr. 31/1953, S. 3 (ONB: ANNO)
  16. Bericht über die Gemeindeausschusssitzung vom 14. September 1906 In: Volksbote, 27. September 1906, S. 4 (ONB: ANNO)
  17. Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom Ausschusssitzung vom 21.08.1906 In: Bote aus Mistelbach, Nr. 36/1906, S. 3 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom Ausschusssitzung vom 1.2.1907 In: Bote aus Mistelbach, Nr. 7/1907, S. 3 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom Ausschusssitzung vom 13.05.1910 In: Mistelbacher Bote, Nr. 24/1910, S. 3 (ONB: ANNO)
  18. Ramml, Christian Ferdinand: Ziegelöfen und Lehmabbaue der politischen Bezirke Mistelbach und Gänserndorf (Niederösterreich): Geschichte und Geologie – Archiv für Lagerstättenforschung, Band 27 (2014), S. 326
  19. Mistelbach – StG Mistelbach, VB Mistelbach, Franziszeischer Kataster, Parzellenprotokolle, Signatur: FK Prot UM 254 – Online in den Beständen des Niederösterreichischen Landesarchivs
  20. Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom 16. Februar 1908 In: Mistelbacher Bote, Nr. 8/1908, S. 3 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom 26. April 1908 In: Mistelbacher Bote, Nr. 18/1908, S. 3 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom 26. Jänner 1912 In: Mistelbacher Bote, Nr. 6/1912, S. 3 (ONB: ANNO)
  21. Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom Ausschusssitzung vom 29.3.1912 In: Bote aus Mistelbach, Nr. 15/1912, S. 3 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom Ausschusssitzung vom 30.5.1912 In: Bote aus Mistelbach, Nr. 23/1912, S. 4 (ONB: ANNO);

  22. Niederschrift über die Gemeindeausschusssitzung vom 1. Mai 1909 In: Mistelbacher Bote, Nr. 21/1909, S. 6 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die Gemeindeausschusssitzung vom 2. August 1913 In: Mistelbacher Bote, Nr. 31/1913, S. 4 (ONB: ANNO);
    Niederschrift über die Gemeindeausschusssitzung vom 19. September 1913 In: Mistelbacher Bote, Nr. 39/1913, S. 3 (ONB: ANNO)
  23. Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom 31. Oktober 1913 In: Mistelbacher Bote, Nr. 45/1913, S. 5 (ONB: ANNO)
  24. Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeindeausschusssitzung vom 8. April 1914 In: Mistelbacher Bote, Nr. 17/1914, S. 3 (ONB: ANNO);
    Mistelbacher Bote, Nr. 18/1914, S. 3 (ONB: ANNO)
  25. Mistelbacher Bote, Nr. 35/1918, S. 3 bzw. 4 (ONB: ANNO);
    Mistelbacher Bote, Nr. 43/1924, S. 3 (ONB: ANNO)
  26. Mistelbacher Bote, Nr. 49/1948, S. 3 (ONB: ANNO);
    Mistelbacher Bote, Nr. 31/1950, S. 3 (ONB: ANNO);
    Mistelbacher Bote, Nr. 25/1951, S. 3 (ONB: ANNO)
    Mistelbacher Bote, Nr. 42/1952, S. 4 (ONB: ANNO)
  27. Mistelbacher-Laaer Zeitung, Nr. 45/1955, S. 2
  28. Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 51/54, September/Dezember 1958, S. 14
  29. Mitteilungen der Stadtgemeinde Mistelbach, Folge 60/61, Juni/Juli 1959, S. 8
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