Eine der Gassen in der 1916 eröffneten Flüchtlingsstation südlich des Bezirkskrankenhauses erhielt mit Beschluss des Mistelbacher Gemeinderates vom 4. April 1925 den Namen „Schubertgasse“.1 Der Namensgeber Franz Schubert (*1797, †1828), zweifellos einer der bedeutendsten Komponisten Österreichs, war besonders bei den Musik- und Gesangsvereinen, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhundert bildeten und das kulturelle Leben maßgeblich prägten, sehr populär. Diese Tatsache manifestiert sich auch in Schuberts Beinamen „Meister des deutschen Liedes“. Natürlich wurde Schubert auch von den Mitgliedern des 1864 gegründeten Mistelbacher Männergesangsvereins bzw. des 1892 gegründeten Musik- und Gesangsvereins verehrt. Daher verwundert es nicht, dass der Name Schubert nicht nur als Straßenname in Erscheinung trat, sondern sich auch in anderen Formen im Stadtbild präsent ist beziehungsweise war.
„Schuberstüberl“
Einer der prägenden Akteure im Musikleben Mistelbachs an der Wende zum bzw. im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war der ursprünglich aus Langenlois stammende Zuckerbäcker Martin Bollhammer, der über viele Jahre auch dem Musik- und Gesangsverein als Obmann vorstand. Bollhammer war auch Mitglied des Wiener Männergesangsvereins und Vater des nachmaligen Schuldirektors und langjährigen Leiters des Heimatmuseums Fritz Bollhammer sowie des Staatsopernsängers Karl Bollhammer. Schon seit 1909 hatte Martin Bollhammer die Berechtigung in seiner Konditorei auch Heißgetränke zu verabreichen, aber erst Anfang 1926 scheint er seinen an der Adresse Hauptplatz Nr. 17 bestehenden Betrieb um ein Kaffeehaus – das Café Bollhammer – erweitert zu haben.2 Für das Kaffeehaus etablierte sich umgangssprachlich bald der Name „Schubertstüberl“ und in diesem Zusammenhang ist es wohl anzunehmen, dass sich im Lokal des großen Schubert-Verehrers Bollhammer an prominenter Stelle eine Büste oder ein Bild Schuberts befunden haben dürfte.
Feierlichkeiten Schubertjahr 1928 – Gedenkstein – Schubertlinde – (kein) „Schubertpark“
Das Jahr 1928, als sich der 100. Todestag des Meisterkomponisten jährte, ging als Schubertjahr in die Geschichte ein und allerorts und selbstverständlich auch in Mistelbach wurde dem musikalischen Genie gehuldigt. Der Reigen der Feierlichkeiten begann am 19. November 1928 als die Knaben- und die Mädchenschule im Saal des Gasthauses Putz-Filippinetti eine gemeinsame Schubert-Gedächtnisfeier abhielten, bei der die Schüler und Schülerinnen Werke Schuberts zum Vortrag brachten. Am 25. November fanden schließlich die vom Musik- und Gesangsverein Mistelbach veranstalteten Feierlichkeiten zu Ehren Schuberts statt und selbige begannen bereits vormittags mit einem Konzert auf dem Hauptplatz. Im Anschluss daran marschierte ein Festzug in Richtung Landesbahnpark (=Liechtensteinpark), wo unter zahlreicher Teilnahme der Bevölkerung und der Honoratioren der Stadt eine Schubertlinde gepflanzt und ein Gedenkstein enthüllt wurde. Wenig überraschend gelangte im Zuge Feierlichkeiten auch Schuberts bekanntestes Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore“ – dessen ursprünglicher Titel „Der Lindenbaum“ lautete – zum Vortrag.3 Früher war es üblich zur bleibenden Erinnerung an bedeutende Ereignisse einen Baum zu pflanzen und der Lindenbaum war für diese Zwecke besonders beliebt. Zeugnis davon geben anlässlich von Thron- bzw. Geburtstagsjubiläen der Herrscher gepflanzte „Kaiserlinden“ (siehe hierzu auch den Beitrag Kaiser Franz Joseph I. und Mistelbach) und insbesondere auch bezugnehmend auf das bereits erwähnte Lied wurden zu Schubert-Jubiläen ebenfalls häufig Lindenbäume gepflanzt.
Der Landesbahnpark erstreckte sich ursprünglich auf beiden Seiten der Josef Dunkl-Straße bzw. auf der gesamten Länge der Landesbahnstraße und wurde anfangs auch als Jubiläumsanlage bezeichnet bzw. ist bis heute der Name Liechtensteinpark gebräuchlich. Hintergrund dieses Namens ist die Tatsache, dass der Grund auf dem sich der Park befindet auch heute noch im Besitz der Fürstenfamilie Liechtenstein steht, und selbiger von der Gemeinde nach der Eröffnung der Landesbahnstrecke zwecks Errichtung einer Parkanlage lediglich unbefristet gepachtet wurde. Detailliert wird die Geschichte dieses Parks im Beitrag Landesbahnpark (Liechtensteinpark) dargestellt. Der Mistelbacher Gemeinderat fasste nach der Errichtung des Gedenksteins in der Sitzung vom 1. Dezember 1928 auch den Beschluss die Parkanlage in „Schubertpark“ umzubenennen.4 Dieser Beschluss erfolgte jedoch explizit vorbehaltlich der Zustimmung des Grundeigentümers, und diese dürfte augenscheinlich nicht gewährt worden sein, denn nach diesem Beschluss wurde dieser Park nie wieder als Schubertpark bezeichnet. Ob die Fürstenfamilie Anstoß an der schlichten Tatsache nahm, dass ihr Name aus der Bezeichnung des Parks verschwunden wäre – immerhin sollte der Park an das 50-jährige Regierungsjubiläum des großen Unterstützers Mistelbachs Fürst Josef II. erinnern – oder andere Vorbehalte gegen die Umbennung bestanden, ist unklar.
1967 erwarb die Eigentümergemeinschaft der knapp zwei Jahre zuvor nebenan errichteten Häuser der Wohnbaugenossenschaft Frieden, den kleineren, jenseits – also auf der Seite des Staats- bzw. Ostbahnhofs – gelegenen Teil der Parkanlage von der Familie Liechtenstein, um darauf Garagen und einen Spielplatz zu errichten. Damit wurde jener Teil in dem sich das Schubertdenkmal und die Schubertlinde befanden zu nicht mehr frei zugänglichem Privatgrund. Daher wurde der Schubertgedenkstein in den Mistelbacher Stadtpark versetzt, wo er bis heute steht.5 Auf dem abgekommenen Teil des Landesbahn-/Liechtensteinparks stehen übrigens heute noch mehrere alte Linden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit befindet sich unter diesen auch die 1928 gesetzte Schubertlinde.
Der Schubertgedenkstein an seinem heutigen Standort im Stadtpark
Wo befindet sich die Schubertgasse?
Quellen:
- Verhandlungsschrift über die öffentliche Gemeinderatssitzung vom 4. April 1925 In: Mistelbacher Bote, Nr. 16/1925, S. 2 (ONB: ANNO)
- Mistelbacher Bote, Nr. 15/1926, S. 2 (ONB: ANNO)
- Mistelbacher Bote, Nr. 48/1928, S. 2 (ONB: ANNO)
- Volksbote, Nr. 50/1928, S. 6 (ONB: ANNO)
- Weinviertler Nachrichten, Nr. 32/1967, S. 2