Trestler, Johann

Meisterringer Hans Trestler

* 27.10.1887, Martinsdorf (bei Gaweinstal)
† 30.8.1926, Wien

Johann Trestler wurde als Sohn des aus Mistelbach stammenden Kleinhäuslers Anton Trestler, und dessen Gattin Johanna, geb. Mittermaier, in Martinsdorf geboren.1 Dort, im Heimatort seiner Mutter, verbrachte er gemeinsam mit seiner Familie die ersten Lebensjahre, bis diese spätestens 18972, also in seinem zehnten Lebensjahr, nach Mistelbach übersiedelte. Dies wird auch durch einen Nachruf im Mistelbacher Bote bestätigt, im dem erwähnt wird, dass er den Großteil seiner Jugend hier verbrachte und laut überlieferten Erzählungen seines Freundes und Ringerkollegen, Franz Doberl, soll Trestler bereits in jungen Jahren über eine unbändige Kraft verfügt haben.3 Somit dürfte er auch seine Installateur-Lehre hier absolviert haben und gemäß des damals gültigen Heimatrechts besaß er jedenfalls auch noch 1915 das Heimatrecht der Stadt und war „nach Mistelbach zuständig“.4 Nach dem Lehrabschluss führte ihn sein Weg zunächst nach Deutschland, wo er erstmals mit dem Ringsport in Berührung kam.

Danach zog er in die Reichshauptstadt Wien, wo er seinen erlernten Beruf ausübte, und ab 1910 im Amateurringsport (griechisch-römischer Stil) zunächst beim Wiener Ringsportklub aktiv war. Nach der Auflösung dieses Vereins gehörte er dem A. S. C. Cyganiewicz bzw. später dem Wiener Sportklub an und war zu dieser Zeit auch bereits als Amateurtrainer tätig. In den folgenden Jahren gewann er unter anderem die Mittelgewichts-Meisterschaften von Wien, Niederösterreich, der Steiermark5, jene der österreichischen Athletik-Union und auch die österreichische Staatsmeisterschaft. 1912 vertrat er Österreich (=die österreichische Reichshälfte der Monarchie) im Ringwettkampf (Halbschwergewicht) bei den Olympischen Spielen in Stockholm, wo er allerdings aufgrund einer Handverletzung bereits in der 2. Runde ausschied. Weiters belegte er 1912 den 1. Platz bei der „inoffiziellen“ Europameisterschaft in Wien (es gab in diesem Jahr insgesamt vier Bewerbe allein im deutschsprachigen Raum, die den Titel Ringer-Europameisterschaft für sich beanspruchten) und den 2. Platz bei der Weltmeisterschaft 1913 in Breslau. Bereits 1912 nahm er auch erfolgreich an sogenannten Körper- und Muskelschönheitskonkurrenzen, dem Vorläufer des heutigen Bodybuildings, teil. Zu jener Zeit wohnte er im 20. Wiener Gemeindebezirk, wo er 1912 in der Pfarre Zwischenbrücken mit der Hilfsarbeiterin Josefine Schneider den Bund der Ehe schloss.6

Trestler im Jahre 1912 als Teilnehmer bei einer "Körper- und Muskelschönheitskonkurrenz" in WienTrestler im Jahre 1912 als Teilnehmer bei einer „Körper- und Muskelschönheitskonkurrenz“ in Wien

Wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 feierte er als Sieger beim Länder-Ringkampfmatch Bayern gegen Österreich seinen letzten großen Erfolg als Amateursportler7, bevor er bald nach Kriegsbeginn zu einer Maschinengewehrabteilung des k.u.k. Infanterieregiments „Hoch- und Deutschmeister“ Nr. 4  einberufen wurde. Bereits wenige Wochen später im September kursierten Zeitungsmeldungen, die von einer zweifachen Schussverletzung Trestlers und einem Lazarettaufenthalt in Agram (heute: Zagreb) berichteten.8Tatsächlich war er jedoch durch einen Schrapnellsplitter gestreift und lediglich leicht verletzt worden und konnte deshalb schon nach kurzer Zeit an die serbische Front zurückkehren.9 Im November 1914 wurde er schließlich einen Schuss in den linken Unterarm verwundet und es folgte ein Genesungsaufenthalt im in der Wiener Stiftskaserne eingerichteten Reservespital.10 Erst im Mai 1916 kehrte er wieder zu seiner Einheit zurück, die sich mittlerweile an der russischen Front befand.11 Zu Unterhaltungszwecken und zur Ablenkung vom Frontalltag organisierte er während dieser Zeit auch gelegentlich Ringkämpfe zwischen Ringern aus den Infanterieregimentern Nr. 4 und Nr. 84.

Aufgrund der tristen und nahezu aussichtslosen wirtschaftlichen Situation nach dem verlorenen Weltkrieg, entschied er sich vorerst weiter in der Armee zu bleiben und diente in der „Volkswehr“ genannten Armee der jungen Republik. Für viele und wohl auch für ihn handelte es sich dabei um eine Übergangslösung, die ein sicheres Einkommen bescherte. Mindestens bis zum Sommer 1919 dürfte Trestler dem Wiener Volkswehrbatallion XX angehört haben, dies ist durch seine Teilnahme an einem Volkswehr-internen Leichtathletikwettbewerb belegt. Doch bereits während dieser Zeit hatte er die Entscheidung getroffen seine sportliche Leidenschaft nunmehr als Professionalist auszuüben und künftig seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten.12 Er debütierte als Profi im Februar 1919 bei einem Turnier in Wien-Favoriten, und schloss sich zunächst der Ringertruppe um Josef Steinbach an, die zahlreiche Turniere in Wien veranstaltete und mit der er in den folgenden Jahren ausgedehnte Tourneen durch Österreich, Tschechien, die Slowakei und Italien absolvierte. Neben vielen anderen nationalen und internationalen Erfolgen gewann er 1920 auch den großen Preis von Palermo und im Jahr darauf führte ihn eine erfolgreiche Tournee nach Nordafrika.13

Hans Trestler posiert für ein Foto, das 1919 in der illustrierten Zeitschrift "Das interessante Blatt" veröffentlicht wurdeHans Trestler posiert für ein Foto, das 1919 in der illustrierten Zeitschrift „Das interessante Blatt“ veröffentlicht wurde

Weitere Tourneen durch Deutschland und nach Kleinasien folgten und gemeinsam mit dem österreichischen Weltmeister Hans Kawan, nahm er 1924 auch an Bewerben in den südamerikanischen Metropolen Rio de Janeiro und Montevideo teil.14 1924 fanden in Mistelbach Ringkämpfe zwischen dem Lokalmatador Trestler und teils hochkarätigen Gegnern im Saal des Hotel Rathaus bzw. im dazugehörigen „Rathausgarten“ (heutiger Stadtpark) statt, die Massen an begeisterten Zuschauern anlockten.15

Während eines Turniers im August 1926 in Frankfurt am Main zog sich Trestler eine zunächst unscheinbare, kleine Verletzung am Knie zu, die sich jedoch zu einer Infektion auswuchs und die Ärzte in Deutschland sahen sich gezwungen das Bein zu amputieren. Er lehnte diese Maßnahme, die das Ende seiner Sportlaufbahn bedeutet hätte, jedoch ab und trat die Rückreise nach Wien an, um sich dort weiterbehandeln zu lassen. Als er in Wien ankam, war es dafür leider bereits zu spät und so verstarb Johann Trestler wenige Tage später im 39. Lebensjahr im Spital der Barmherzigen Brüder in Wien an den Folgen einer aus der Infektion resultierenden Blutvergiftung. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof zur letzten Ruhe gebettet und in Nachrufen wurde Trestler als wahrer Sportsmann und einer der technisch versiertesten Ringer Österreichs gerühmt, dem trotz seines Könnens leider keine finanziellen Erfolge beschieden waren. Der plötzliche Tod des Familienvaters und Ernährers bedeutete für seine Witwe und den gemeinsamen Sohn Johann Ferdinand (1915-1945 (vermisst)) eine finanzielle Katastrophe, und knapp zweieinhalb Jahre später wurde Johann jun. im Alter von 13 Jahren durch den Tod seiner Mutter zum Vollwaisen16. In weiterer Folge kümmerten sich Johanna (eine Tante väterlicherseits) und Franz Ganselmayer, die in Mistelbach das Gasthaus „Zum schwarzen Adler“ (heute: Hypobank) als Pächter führten, um ihren verwaisten Neffen. In diesem Gasthaus hatte der 1931 gegründete17, und im Andenken an den Meisterringer Hans Trestler benannte Athletenklub „Trestler“, bis zu seiner Auflösung im Jahre 193318 seinen Vereinssitz.

Neben dem Ringsport, erstreckte sich die kurzlebige Vereinstätigkeit außerdem auf das Gewichtheben und die Kampfsportart Jiu-Jitsu19, und der A.C. Trestler trat mehrfach als Veranstalter von „Propagandaringkämpfen“ – also Schaukämpfe zwecks Werbung für den Ringsport – in Mistelbach und Umgebung in Erscheinung20. Auch der zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Hans Trestler jun. war in der Ringersektion des Vereins aktiv und zeigte vielversprechendes Talent.21

Doch das Andenken an Trestler wurde in Mistelbach bereits vor Gründung des „Athletenklub Trestler“ hochgehalten, und zwar als am 7. Dezember 1928 im Saal des Gasthofes Frohner ein „Weltmeister Hans Trestler-Gedenkringen“ abgehalten wurde, dessen Sieger mit der „goldenen Trestler-Medaille“ ausgezeichnet wurde. Auch bei diesem Wettbewerb handelte es sich um eine Benefizveranstaltung zugunsten Trestlers Familie.22

Bildnachweis:
-) Doberl, Franz: Ein Leben auf der Ringermatte (1948), S. 45
-) Illustriertes (Österreichisches) Sportblatt, 6. April 1912, S. 15 (ONB-ANNO)
-) Das interessante Blatt, 10. April 1919, S. 3 (ONB-ANNO)

Quellen:

-) (Wiener) Sporttagblatt, 1. September 1926, S. 4 (ONB-ANNO)
-) Mistelbacher Bote, Nr. 37/1926, S. 2

  1. Pfarre Martinsdorf: Taufbuch (1868-1898), Fol. 101
    Eintrag Taufbuch Pfarre Martinsdorf;
    Mistelbacher Bote, Nr. 37/1926, S. 2
  2. Pfarre Mistelbach: Taufbuch (1895-1898), Fol. 89
    Eintrag Taufbuch Pfarre Mistelbach
  3. Peoplesboard 2.0 – Forumsbeitrag von The Crusher (Ronald Großpietsch): Europäische Berufsringer 19. und 20. Jahrhunderts;
    Doberl, Franz: Ein Leben auf der Ringermatte (1948), S.?
  4. lt. Taufbucheintrag Sohn Johann Trestler – Pfarre Wien XX., Zwischenbrücken: Taufbuch (1915), Fol. 200
    Eintrag Taufbuch Pfarre Wien XX., Zwischenbrücken
  5. Illustriertes (Österreichisches) Sportblatt, 1. Juni 1912, S. 16 (ONB-ANNO
  6. Pfarre Wien XX., Zwischenbrücken: Trauungsbuch (1912), Fol. 180
    Eintrag Trauungsbuch Pfarre Wien XX., Zwischenbrücken
  7. (Neuigkeits) Welt Blatt, 22. Juli 1914, S. 13 (ONB-ANNO)
  8. Neuigkeits-Welt-Blatt, 20. September 1914 (41. Jg. – Nr. 215), S. 15 (ONB: ANNO);
    Neues Wiener Abendblatt (Abendausgabe des Neuen Wiener Tagblatts), 25. September 1914 (48. Jg. – Nr. 265), S. 7 (ONB: ANNO);
    Grazer Tagblatt, 27. September 1914 (24. Jg. – Nr. 250), S. 8 (ONB: ANNO)
  9. Fremden-Blatt, 28. Oktober 1914 (68. Jg. – Nr. 298) – Abendblatt, S. 6 (ONB: ANNO)
  10. Fremden-Blatt, 20. November 1914 (68. Jg. – Nr. 321) – Abendblatt, S. 7 (ONB: ANNO);
    Nachrichten über Verwundete und Verletzte, 12. Dezember 1914, S. 48 (ONB-ANNO)
  11. Illustriertes (Österreichisches) Sportblatt, 5. Mai 1916, S. 7 (ONB-ANNO)
  12. Sportblatt am Mittag – Tagblatt für alle Sportzweige, 18. Juli 1919 (2. Jg. – Nr. 176), S. 3 (ONB: ANNO);
    Illustriertes Sportblatt, 26. Juli 1919 (XV. Jg. – Nr. 30), S. 9 (ONB: ANNO)
  13. (Wiener) Sporttagblatt, 6. Oktober 1921, S. 5 (ONB-ANNO)
  14. (Wiener) Sporttagblatt, 1. Oktober 1924, S. 4 (ONB-ANNO)
  15. Mistelbacher Bote, Nr. 25/1924, S. 2 (ONB: ANNO);
    Mistelbacher Bote, Nr. 50/1924, S. 2 (ONB: ANNO)
  16. (Wiener) Sporttagblatt, 26. Februar 1929, S. 6 (ONB-ANNO)
  17. (Neuigkeits) Welt Blatt, 24. April 1931, S. 5 (ONB-ANNO)
  18. Landesarchiv NÖ: Vereinskatasterblatt „Athletenklub Trestler“ Mistelbach
  19. Mistelbacher Bote, Nr. 18/1932, S. 5
  20. (Wiener) Sporttagblatt, 3. Juli 1931, S. 4 (ONB-ANNO);
    (Wiener) Sporttagblatt, 5. Juni 1931, S. 6 (ONB-ANNO);
    (Wiener) Sporttagblatt, 15. März 1932, S. 6 (ONB-ANNO)
  21. (Wiener) Sporttagblatt, 23. Mai 1931, S. 8 (ONB-ANNO);
    (Wiener) Sporttagblatt, 16. Juni 1931, S. 6 (ONB-ANNO)
  22. Mistelbacher Bote, Nr. 49/1928, S. 2 (ONB: ANNO)
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